2015-07-05 12:15:00

Franziskus in Südamerika: Eine Mission


Ähnlich wie bei der Wahl seiner Reiseziele in Europa, wo der Papst bislang bewusst „an die Ränder" ging, ist auch diesmal die Zusammenstellung des Reiseprogramms keineswegs zufällig. In den drei Ländern Ecuador, Bolivien und Paraguay verdichten sich symbolträchtig die bis heute ungelösten ethnischen, wirtschaftlichen und politischen Probleme Südamerikas. Alle drei haben Erfahrungen mit Kriegen, Putschen und Diktaturen. Verschlossene Eliten, politische Instabilität, Streiks sowie ethnische und geografische Zerrissenheit zwischen den Landesteilen haben mit dazu beigetragen, dass diese Länder arm geblieben sind.

Das jährliche Brutto-Inlandsprodukt liegt in Bolivien unter 2.500 Euro pro Kopf und hat auch in Ecuador und Paraguay trotz verbesserter Rohstoffexporte noch nicht 5.000 Euro. Damit liegen die drei Länder wirtschaftlich weit abgeschlagen hinter den vergleichsweise „reichen Vettern" in Argentinien, Brasilien und Chile. Dort ist das Pro-Kopf-Einkommen mehr als dreimal so hoch. 

Für den Argentinier Franziskus ist insbesondere der Besuch in Bolivien und Paraguay daher nicht einfach ein Heimspiel: Zehntausende Armutsmigranten aus beiden Ländern suchen bei den reicheren Nachbarn Arbeit und Brot - und sie werden oft nicht gut behandelt. Auch der innerlateinamerikanische Rassismus spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle. In Argentinien und Chile dominieren die weißen Nachfahren der Europäer auch zahlenmäßig. In Bolivien und Paraguay sind es die kleineren und dunkelhäutigeren Nachfahren der Ureinwohner, die Guaranì oder Quechua sprechen; viele von ihnen können weder lesen noch schreiben. Auch in Ecuador ist der Anteil der Indigenen besonders hoch. Hinzu kommt noch eine beträchtliche afroamerikanische Minderheit. 

Doch der weiße, italienischstämmige Besucher aus Argentinien wird für die mehrheitlich katholischen Ecuadorianer, Bolivianer und Paraguayer über alle Rassengrenzen hinweg vor allem der Papst sein. Sein charismatisches Auftreten und seine den Armen zugewandte Botschaft verfehlten ihre Wirkung nicht. Die linken, indigenen Präsidenten von Ecuador und Bolivien, Rafael Correa und Evo Morales, haben zum Papstbesuch zu nationaler Versöhnung aufgerufen. Sie setzen einige Hoffnung darauf, dass angesichts des Besuchs aus Rom die notorische Neigung der politischen und gewerkschaftlichen Akteure zu Streiks, Besetzungen und Blockaden wenigstens für ein paar Tage oder Wochen zur Ruhe kommt. 

Ein ganz anderes Interesse hat Horacio Cartes, der 2013 gewählte konservative Staatspräsident Paraguays. Zwar ist er durch demokratische Wahlen an die Macht gekommen; doch haftet ihm noch immer der Makel an, dass sein Vorgänger, der einst populäre linke Armenbischof Fernando Lugo, 2012 vom Parlament in einem Hauruck-Verfahren entmachtet wurde. Ein Händedruck oder gar eine Umarmung vom „Papst der Armen" könnte Cartes' nationales und internationales Ansehen festigen. 

Der wohl ungewöhnlichste Programmpunkt der Reise ist ein Gastauftritt des Papstes beim „Zweiten Welttreffen der Volksbewegungen" im bolivianischen Santa Cruz. Das erste Treffen dieser Art, bei dem unter anderen Landlosen-Vereinigungen, Bürgerinitiativen, Bauerngewerkschaften und Umweltgruppen mitmachten, hatte 2014 in Rom stattgefunden - auf Einladung des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. Prominentester Gastredner war damals ausgerechnet Boliviens Präsident Morales - mit einer Ansprache zum Thema „Wie können wir den Kapitalismus beenden?" 

Das Reiseprogramm des Papstes zeigt, dass es ihm bei seiner ersten größeren Lateinamerika-Reise nicht nur um die politische Dimension geht, also um Frieden und soziale Gerechtigkeit. Indem er eine Kinderklinik, ein Altenheim und einen Brennpunkt wie das berüchtigte bolivianische Riesengefängnis Palmasola besucht, zeigt er, wo er die sozialen und humanen Aufgaben der Kirche sieht. 

Doch auch die Frömmigkeit ist ihm wichtig. An sieben Tagen wird der fünf große Gottesdienste feiern und mehrere Wallfahrtskirchen und Kathedralen aufsuchen. Die erste dieser Kirchen, in der er öffentlich beten wird, ist das erst 2009 erbaute Heiligtum der Göttlichen Barmherzigkeit in Guayaquil: ein Ort, der bestens passt zu seinem "Evangelium der Barmherzigkeit".

Ein KNA-Hintergrundbericht von Ludwig Ring-Eifel.
(kna 05.07.2015 gs)








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