2015-06-29 12:08:00

Syrien: „Konfuse Lage“ in Hassaké


Nicht nur Kobane: Auch die Großstadt Hassaké mit traditionell starker christlicher Minderheit  ist ins Visier der IS-Terroristen geraten. Der IS-Angriff hat vor ein paar Tagen zu einer neuen humanitären Krise geführt: Hunderte - vor allem christliche - Familien sahen sich gezwungen, ihre Häuser in der Stadt in der syrischen Djazira, dem Gebiet zwischen Euphrat und Tigris, zu verlassen. Der „Assyrian Monitor For Human Rights“ berichtet von 1.300 christlichen Familien, die aus Hassaké geflohen seien. Die Familien würden in Qamishli und Tel Tamer in Kirchen, Schulen, Klöstern und bei Freunden untergebracht.

Der chaldäische Bischof von Aleppo und syrische Caritas-Präsident, Antoine Audo, berichtete im Gespräch mit der vatikanischen Nachrichtenagentur Fides: „Die Milizionäre des IS haben in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag alle Teile der Stadt Hassaké bombardiert. Am frühen Morgen des 25. Juni begann eine Massenflucht hunderter Familien. Allein aus der chaldäischen Gemeinde haben mindestens 60 Familien gemeinsam mit ihrem Pfarrer Zuflucht in Qamishli gesucht, während weitere zehn versuchten, in al-Malikiyah unterzukommen."

In den vergangenen Wochen konnten die Angriffe des IS auf Hassaké von kurdischen Gruppen abgewehrt werden. Bischof Audo betrachtet die jüngste Offensive des IS als Versuch, die kurdischen Einheiten unter Druck zu setzen, nachdem diese in den vergangenen Wochen in der Provinz Raqqa - der Hochburg des IS - Terrain gewonnen hatten.

Die Situation erscheine konfus, erklärte Bischof Audo: „Es bekämpfen sich derzeit Kurden, Jihadisten und Regierungstruppen, und man versteht manchmal nicht, welcher Agenda die einzelnen Gruppen folgen.“ Jeden Tag gebe es neue Krisensituationen, auch in den Regionen, in denen bisher nicht gekämpft wurde. Längst seien die Menschen müde, gestresst und verängstigt. „Es sind viele Waffen im Umlauf, und manchmal reicht ein kleiner Zwischenfall, damit es zu Spannungen und Gewalt kommt, auch in den einzelnen Dörfern. Unsere Pflicht ist es, zu bleiben und zu versuchen, auch in dieser Situation nicht aufzugeben.“ Dies sei jedoch „nicht einfach“, so der Präsident der syrischen Caritas, die an die neuen Flüchtlinge Lebensmittel und Medikamente verteilt.

Bereits am Abend des 23. Juni war es in Hassaké zu Attentaten von IS-Terroristen mit zahlreichen Todesopfern und Verletzten gekommen. Zunächst war eine Zisterne unmittelbar neben einem kurdischen Stützpunkt in die Luft gejagt worden, dann explodierte ein mit Sprengstoff beladener LKW am nordöstlichen Stadtrand. Ein weiterer Anschlag richtete sich gegen eine Mineralwasser-Abfüllanlage. Schließlich stürmte ein dreiköpfiges IS-Terroristenkommando eine Kaserne der Regierungsarmee im Stadtzentrum.

Bevor die drei Terroristen festgehalten werden konnten, töteten sie zwei Offiziere und vier Soldaten. Alle Anschläge ereigneten sich in den Abendstunden, in denen die Muslime außer Haus gehen, um Lebensmittel und Getränke für das Fastenbrechen (Iftar) einzukaufen. Die Absicht der Terroristen sei es offensichtlich gewesen, Schrecken zu verbreiten, sagte der syrisch-katholische Erzbischof von Hassaké und Nusaybin, Jacques Behnan Hindo, in einem Telefonat mit Fides. Auch Hindo brachte die IS-Attentate mit Terrainverlusten der Terrorbewegung - vor allem im Raum von Ain Issa - in Zusammenhang und interpretierte sie als „Zeichen der Schwäche“.

(kap 29.06.2015 sk)








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