2015-05-08 09:34:00

D: Das neue Arbeitsrecht - liberaler? Oder fordernder?


 Die katholische Kirche Deutschlands – einer der größten Arbeitsgeber in der Bundesrepublik – hat ihr Arbeitsrecht geändert: Nicht liberaler sei es geworden, sondern „fordernder“, sagt der Bamberger Bischof Ludwig Schick. „Bei der Einstellung eines Mitarbeiters soll genau darauf geschaut werden, wer eingestellt wird. Und auch bei möglichen Entlassungen und Versetzungen soll genau hingeschaut werden, wie man damit umgeht.“ Also ein genauerer Blick auf den jeweiligen Einzelfall: Es bleibe ja dabei, so Schick im Kölner Domradio, „dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kirche mittragen und das verwirklichen sollen, was Kirche eigentlich will.“

„Jetzt geht man differenzierter mit den Mitarbeitern um - auch abhängig davon, in welcher Position sie tätig sind. Insgesamt gibt die Neuordnung die Chance, dass wir als Kirche aktiv in der Gesellschaft bleiben.“

Die deutschen Bischöfe hatten am Dienstag ihre modernisierte Fassung der kirchlichen Grundordnung veröffentlicht. Danach sollen künftig eine zweite, zivile Ehe oder das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nur noch in besonderen Fällen arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung haben. Außerdem sollen Gewerkschaften am Zustandekommen kirchlicher Arbeitsvertrags-Bedingungen beteiligt werden.

Das Bistum Eichstätt sieht nach Angaben der Katholischen Nachrichtenagentur noch einige Fragen offen. Sie beträfen vor allem die Vereinbarkeit der neuen Beschlüsse mit dem allgemeinen Kirchenrecht und, zweitens, Fragen der Umsetzbarkeit. Andere wiederum – die Gewerkschaften oder der ‚Bund der Deutschen katholischen Jugend’, kurz BdkJ, hätten sich noch weit einschneidendere Änderungen gewünscht. Erzbischof Schick dazu: „Es gibt immer Menschen, denen die Reform nicht weit genug geht. Aber ich glaube, Kirche muss auch in einer pluralen Gesellschaft identifizierbar sein. Man muss wissen: Hier ist Kirche drin, und da kann ich erwarten, dass sie entsprechend ihren Werten wirkt. Das muss bewahrt bleiben! In unserer Gesellschaft müssen verschiedene Akteure mitwirken - die Kirche ist einer davon. Ich denke, die neue Grundordnung hilft dabei, dass das so ist und bleibt.“

Nicht alle der 27 Diözesanbischöfe haben der neuen Grundordnung zugestimmt, sondern „mehr als zwei Drittel“. In Bistümern, in denen die Bischöfe die Reform nicht in Kraft setzen, gilt weiterhin die alte Grundordnung. Darin sieht der Tübinger Jurist Hermann Reichold ein Problem. Angesichts der Bedenken in drei bayerischen Bistümern bestehe die Gefahr, dass es keine einheitliche Rechtsgrundlage geben werde. „Das wäre aber der Einheitlichkeit des Rechts nicht zuträglich.“ Was passiert, wenn einzelne Bischöfe die Neuordnung nicht approbieren, Erzbischof Schick? „Wenn der ein oder andere das nicht tut, oder erst später tut, ist das möglich. Es wäre natürlich gut, wenn die, die sich noch nicht mit der neuen Ordnung zufrieden geben konnten, noch einmal darüber nachdenken. Wir warten ab.“ Aber falls doch nicht alle 27 Bistümer mitziehen: Gäbe es dann ein Zwei-Klassen-Arbeitsrecht? „Sowohl die alte als auch die neue Grundordnung tragen ja den Mitarbeitern auf, dass sie mit und in der Kirche und auch für die Gesellschaft wirken. Daran ändert sich ja nichts.“

Generell wertet Reichold, der die Tübinger Forschungsstelle für kirchliches Arbeitsrecht leitet, die neue Grundordnung sehr positiv. Das sei tatsächlich „die in der Öffentlichkeit erwartete Liberalisierung“, und sie werde den kirchlichen Angestellten zugutekommen, sagte er am Donnerstag der Katholischen Nachrichtenagentur. Im Internet gibt es allerdings auch laute Kritik an der Reform: Sie sei ein weiterer Versuch, das Eheverständnis der katholischen Kirche aufzuweichen, weil nun eine Wiederheirat nicht automatisch zur Kündigung führt. Kirchliche Einrichtungen wie die Caritas würden dadurch verweltlicht werden. Erzbischof Schick findet, man sollte sich durchaus „mit solchen Vorwürfen auseinandersetzen“.

„Es war ja auch bisher schon so, dass Menschen, die nicht entsprechend den kirchlichen Normen leben, in verschiedenen Funktionen weiterhin tätig sein konnten. Jetzt wird bei noch mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer überlegt, ob die Stelle gewechselt oder eine Kündigung ausgesprochen werden muss. Das ist differenzierter als bisher, aber nicht total anders. Ich glaube, wenn man differenzierter mit dem Thema umgeht, kann man bei Mitarbeitern und auch in der Gesellschaft größeres Vertrauen erwecken. Das Ganze kann sich auch sehr positiv für die Kirche und unseren Auftrag in der Gesellschaft auswirken. Das erhoffe ich, und dafür werbe ich.“ 

(domradio/rv/kna 08.05.2015 sk)








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