2015-05-05 12:48:00

Boko Haram-Opfer in Nigeria: Die Frauen und Mädchen nicht vergessen


Der Kampf gegen Boko Haram in Nigeria schien in letzter Zeit erfolgreich: Das Militär befreite hunderte von Geiseln aus der Hand der Terroristen, und Beobachter sprechen davon, dass die Terrorsekte insgesamt an Kraft verloren hat. Dennoch befinden sich immer noch hunderte von Mädchen und Frauen in Gewalt der Kämpfer, die im mehrheitlich muslimischen Norden Nigerias mit Gewalt einen Islamischen Staat errichten will. Laut Angaben der Menschenrechtsorganisation amnesty international hat Boko Haram seit Anfang 2014 allein 2.000 Frauen und Mädchen entführt.

„Meine Furcht ist, dass diese Frauen und Mädchen in Vergessenheit geraten, sobald die Medien ihre Kameras gepackt haben.“ Das sagt der Nigeria-Experte Emmanuel Franklyn Ogbunwezeh von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte. Im Domradio-Interview ruft er dazu auf, die Aufmerksamkeit von den Frauen jetzt nicht abzuwenden. Ogbunwezeh selbst hat seine Schwester bei einem Anschlag in Nigeria verloren. Die zuletzt befreiten Frauen hatten unter anderem angegeben, von Boko Haram bei Kampfhandlungen als menschliche Schutzschilde missbraucht worden zu sein. Auch Ogbunwezeh hat Informationen über das, was einige der Opfer durchleiden mussten: „Eine von den Frauen hat erzählt, dass wenn Boko Haram einen Ort erobert hat, sie zuerst alle Männer umgebracht und dann die Frauen verschleppt haben. Viele Leute sind in Gefangenschaft von Boko Haram durch Hunger und Krankheiten gestorben. Ihre Freiheit war sehr stark eingeschränkt. Diese Frauen konnten nicht zur Toilette, ohne dass ein Soldat von Boko Haram mitgeht.“

Einige der befreiten Geiseln waren in so schlechter gesundheitlicher Verfassung, dass sie nach ihrer Befreiung starben: „Wir haben leider die schlechte Nachricht erhalten, dass zehn der befreiten Mädchen und Frauen unterwegs zu dem Ort, an dem sie behandelt werden sollten, gestorben sind, weil sie nach Hunger und Krankheit sehr schwach waren. Sie haben viele fürchterliche Sachen erlebt, man kann sich das kaum vorstellen. Sie sind unterernährt, es fehlt an allem, sie haben keine Medikamente, sie haben tropische Krankheit. Bei uns in Nigeria gibt es zum Beispiel Malaria und wenn man dem ausgeliefert ist in so einer Situation… Wir können uns kaum vorstellen, welches Leid diese Menschen durchleben mussten.“

Viele der entführten Frauen hätten sexuelle Gewalt erdulden müssen, so der Menschenrechtler weiter: „Boko Haram nutzte diese Frauen und Mädchen als Köche oder Sexsklaven oder als Menschenschutzschild. Viele sind weiterverkauft oder vergewaltigt worden. Man kann sich kaum vorstellen, welches psychologische Leid diese Menschen durchgemacht haben. Ich glaube, auch wenn wir die Chibok-Mädchen irgendwann einmal finden können - sie werden niemals die gleichen Leute wie früher wieder sein, sie haben große psychologische Schäden erlitten.“ Ogbunwezeh bezieht sich hierbei auf die vor einem Jahr verschleppten 276 Schülerinnen aus dem nigerianischen Chibok, die sich zum Großteil noch in Gewalt der Islamisten befinden.

Dass es zuletzt militärische Erfolge gegen Boko Haram gab, erklärt der Nigeria-Experte damit, dass das nigerianische Militär jetzt zunehmend Unterstützung aus Südafrika erhält: „Wir müssen sagen, dass die nigerianische Regierung und die nigerianische Armee an Oberhand im Kampf gegen Boko Haram gewinnt. Man kann das der Tatsache zurechnen, dass ein paar Söldner aus Südafrika mitkämpfen und jetzt ist Boko Haram fast am Ende.“ Im März war in Nigeria der Christ Goodluck Jonathan als Staatspräsident abgewählt und der Moslem Muhammadu Buhari gewählt worden. Auch Buhari sagte Boko Haram den Kampf an – hat mit dem neuen Präsidenten Boko Harams Schrecken nun bald ein Ende? Ogbunwezeh ist da vorsichtig: „Dieser Prozess war schon im Gang. Goodluck Jonathan hat versucht, vor der Wahl versteckt gegen Boko Haram vorzugehen und man kann das Ergebnis jetzt sehen.“

Parallel zu einem militärischen Vorgehen gegen Boko Haram brauche es in Nigeria insgesamt strukturelle Verbesserungen, unterstreicht der gebürtige Nigerianer. Zum Beispiel bräuchten die befreiten Geiseln eigentlich ein Gesundheitssystem, das sie nicht nur medizinisch versorgt, sondern auch psychologisch betreut. Den befreiten Mädchen stehe in Nigeria diesbezüglich ein „schwieriger Kampf“ bevor: „Wir haben die Infrastruktur nicht, um so eine Situation zu bewältigen. Nigeria ist durch Korruption und jahrelangen Mangel an Infrastruktur und Gesundheitswesen nicht in der Lage, diese Mädchen und Frauen zu betreuen. Aber ich hoffe, dass die nigerianische Regierung ihre Hausaufgaben machen kann, um diesen Leuten eine neue Chance aufs Leben zu geben, denn sie haben viel gelitten.“

(domradio/rv 05.05.2015 pr)








All the contents on this site are copyrighted ©.