2015-04-19 09:58:00

Als das Forum Romanum Kuhweide war: Rom im Mittelalter


Wenn wir heute an Rom denken, haben wir meistens Bilder vom Kolosseum, vom Forum Romanum oder vom Petersdom im Kopf. Und das sind auch einige der Sehenswürdigkeiten, die in den meisten Reiseführern beschrieben werden. In den meisten. Ein etwas anderer „Reiseführer“ ist das Werk „Mirabilia Urbis Romae“ oder „Die Wunderwerke der Stadt Rom“; eine lateinische Überlieferung, die Rom aus der Perspektive des Mittelalters beschreibt.

„Diese Mirabilia sind nicht nur ein einzelner Text, sondern eine Textgattung, man spricht regelrecht von Mirabilia-Literatur,“ erzählt Arnold Esch, Historiker und ehemaliger Leiter des deutschen historischen Instituts in Rom. Es ist auch kein Reiseführer im eigentlichen Sinn. Man wollte mit diesen Texten ein Bild von Rom geben, von den Toren, den Theatern, den Triumphbögen."

Was war das für ein Rom im Mittelalter? „Wir müssen uns zunächst einmal klar machen, dass die Bevölkerung der Stadt ganz stark geschrumpft ist. Während in der Antike rund eine Million Menschen in Rom lebten, waren es um 1200 noch maximal 50.000, vielleicht auch nur 20.000,“ sagt Arnold Esch. Der Siedlungsraum beschränkte sich auf den Tiberbogen und dort fanden sich aus der Antike vor allem öffentliche Bauten, wie Thermen oder Theater. Die Menschen richteten sich also in diesen Bauten ein.

Wäre man zu Besuch im Rom des Mittelalters, käme man zunächst die Via Flaminia hinunter, und „man würde an der Porta del Popolo zwar zur linken Hand Santa Maria del Popolo finden, aber dann kommt zunächst einmal gar nichts,“ erzählt Arnold Esch. Später wird die Via dann zur größeren Straße, zum Corso. „Man ist zunächst zur Petruskirche gegangen und das finde ich auch interessant, denn in dieser Mirabilia kommt die Peterskirche praktisch nicht vor. Und dann weiter in der Stadt würde das nächste große Denkmal das Domitiansstadion gewesen sein, also die heutige Piazza Navona. Was hätte ein Rombesucher damals gesehen? Das war ein großer leerer Platz, also er war nicht bebaut. Aber unter die Sitzstufen hatte man sich von außen in die Arkaden eingenistet. Man baute also Ställe darunter, Wohnungen. Dabei muss man beachten, dass die Menschen damals den Platz von außen sahen, wenn wir heute auf der Piazza stehen, sehen wir diese von innen,“ so Esch. Dann wäre man zum Campo di Fiori weiter gegangen, damals das Pompeius-Theater, das ebenfalls völlig bebaut gewesen ist. Und schließlich gelangte man zum Kapitol, dass das Zentrum des damaligen Roms darstellte.

Das Kolosseum, der Palatin oder das Forum Romanum hingegen, waren Kuhweiden und bis ins 20. Jahrhundert überwachsen. Kirchen spielen in diesem Werk kaum eine Rolle, denn es war eine Art „Umbruchszeit“. Die Menschen bildeten in ihren Siedlungen Kommunen und wollten sich gegenüber dem Stadtherren behaupten, und der Stadtherr war meistens der Bischof. Im Fall Roms bedeutet das: Der Papst. Also hat man in den „Mirabilia“ die kirchlichen Bauwerke kaum erwähnt. Es gab schließlich wichtigere Sehenswürdigkeiten.

„Mirabilia Urbis Romae“ - Die Wunderwerke der Stadt Rom ist im Herder-Verlag erschienen. Die Autoren sind Gerlinde Huber-Rebenich, Martin Wallraff, Katharina Helden und Thomas Krönung und das Buch kostet 26€. 

 

(rv 19.04.2015 fs)








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