2015-04-11 13:30:00

Wortlaut: Schreiben des Papstes zum Amerikagipfel


An seine Exzellenz, Herrn Juan Carlos Varela Rodriguez, Präsident von Panama

Als Gast des 7. Amerikagipfels möchte ich Ihnen meine herzlichsten Grüße ausrichten. Ich grüße über Sie auch alle Staats- und Regierungschefs sowie die Delegationen, die an diesem Gipfel teilnehmen. Gleichzeitig möchte ich meine Nähe und meine Ermutigung aussprechen zu einem ehrlichen Dialog, der eine Zusammenarbeit und die Bündelung aller Kräfte zur Überwindung der Differenzen auf dem Weg zum Gemeinwohl erreicht. Ich bitte Gott, dass man mit Blick auf die gemeinsamen Werte zu Verpflichtungen auf Zusammenarbeit im nationalen oder im regionalen Bereich gelangt, die den Problemen mit Realismus entgegentreten und Hoffnung vermitteln.

Ich fühle mich im Einklang mit dem für diesen Gipfel ausgewählten Thema: „Wohlstand mit Gleichheit: Die Herausforderung der Zusammenarbeit der amerikanischen Staaten“.

Ich bin davon überzeugt – und das habe ich bereits in meinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ ausgedrückt – dass die Ungleichheit, die ungerechte Verteilung der Reichtümer und der Ressourcen, eine Quelle der Konflikte und der Gewalt zwischen den Völkern ist, weil sie voraussetzt, dass der Fortschritt einiger nur durch die Opfer anderer möglich ist, und dass man, um würdig leben zu können, gegen andere kämpfen muss. Der Wohlstand, der auf diese Art und Weise erreicht wird, ist an seiner Wurzel ungerecht und ein Angriff auf die Würde des Menschen. Es gibt „Grundbedürfnisse“, wie Land, Arbeit und Zuhause, und „öffentliche Dienstleistungen“ wie Gesundheit, Bildung, Sicherheit und Umwelt, von denen kein Mensch ausgeschlossen werden darf. Diese Bedürfnisse, die alle teilen, sind leider noch lange nicht für alle Menschen erfüllt. Es bleiben weiter Ungleichheiten, die die Würde der Menschen kränken. Die große Herausforderung unserer Welt ist die Globalisierung der Solidarität und Brüderlichkeit statt der Globalisierung der Diskriminierung und der Gleichgültigkeit; und solange es noch keine gerechte Verteilung der Reichtümer gibt, können die Übel unserer Gesellschaft nicht gelöst werden (vergl. Evangelii Gaudium 202).

Wir können nicht übersehen, dass viele Länder in den vergangenen Jahren ein großes Wirtschaftswachstum erreicht haben; aber es gibt ebenso viele Länder, die weiterhin unter Armut leiden. Darüber hinaus haben in den Schwellenländern nur sehr wenige Menschen von dem ökonomischen Fortschritt profitiert, so dass die Schere zwischen Arm und Reichsich immer weiter öffnet... Es reicht nicht aus, darauf zu hoffen, dass die Armen die Krümel aufsammeln können, die vom Tisch der Reichen fallen. Es sind direkte Maßnahmen erforderlich, um den am stärksten Benachteiligten zu helfen. Die Aufmerksamkeit muss auf sie gerichtet werden, so wie die Aufmerksamkeit in einer Familie den Kleinsten gebührt. Dort sollte die Priorität für die Regierenden liegen. Die Kirche hat immer „die konkrete Förderung von Menschen“ (Centesimus annus, 46) verteidigt und sich um ihre Bedürfnisse und die Möglichkeiten für ihre Entwicklung gekümmert.

Außerdem würde ich die Aufmerksamkeit gern auf das Problem der Einwanderung lenken. Durch die immense Ungleichheit an Möglichkeiten in den verschiedenen Ländern sehen viele Menschen ihre einzige Chance darin, ihr Land und ihre Familie zu verlassen. Damit werden sie eine leichte Beute für den Menschenhandel, da sie oft illegal einreisen und damit keinen Zugang zum Recht haben. In einigen Fällen - durch den Mangel an Zusammenarbeit der Staaten - werden die Menschen vor dem Gesetz allein gelassen: ohne die Möglichkeit, ihre Rechte einzufordern. Sie fallen somit in die Hände derer, die sich daraus einen Vorteil verschaffen, oder sie finden sich damit ab und werden zu Missbrauchsopfern. Es gibt Situationen, in denen es nicht genug ist, lediglich die Grundrechte der Menschen zu wahren und zu schützen, weil die Norm ohne Mitleid und Barmherzigkeit ist - und damit nicht gerecht.

Manchmal gibt es sogar innerhalb einiger Länder skandalöse und beleidigende Unterschiede, vor allem unter den indigenen Völkern auf dem Land oder in Vororten von großen Städten. Ohne eine echte Verteidigung dieser Menschen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz würde die Rechtsstaatlichkeit ihre Legitimität verlieren.

Herr Präsident, die Bemühungen, um Brücken, Kommunikation und Beziehungen aufzubauen, sind nie vergebens. Die geografische Situation von Panama, im Zentrum des amerikanischen Kontinents, als Treffpunkt zwischen Norden und Süden, zwischen dem Pazifik und dem Atlantik, ist sicherlich ein Vorteil für alle, um eine neue Ordnung des Friedens und des Rechtes zu schaffen und die Solidarität und Zusammenarbeit unter der Wahrung der rechtmäßigen Autonomie jeder Nation zu fördern.

Mit dem Wunsch, dass die Kirche auch ein Instrument des Friedens und der Versöhnung unter den Völkern sei, sende ich Ihnen meine innigsten und herzlichsten Grüße.

Vatikan, 10. April 2015

Franziskus

(rv 11.04.2015 fs)








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