2015-04-07 10:11:00

Österreich/EU: Mehr Einsatz für Syrien-Flüchtlinge nötig


Das evangelische Hilfswerk Diakonie fordert deutlich mehr Einsatz der Politik auf Österreich- aber auch EU-Ebene bei der Bewältigung der Flüchtlingskatastrophe in Syrien und den Nachbarländern. Es gebe zwar materielle Hilfe und eine Beteiligung am weltweiten Neuansiedlungs-Programm des UNO-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR, „aber in einem zu geringen Ausmaß“, kritisierte Christoph Riedl, Geschäftsführer der Diakonie Flüchtlingshilfe, jüngst bei einer Pressekonferenz in Wien. Österreich hat 2013 und 2014 die Aufnahme von insgesamt 1.500 syrischen Flüchtlingen zugesagt. Das sei, sagte Riedl,  im EU-Vergleich zwar hoch, mache aber nur rund ein Tausendstel der rund 1,2 Millionen syrischen Flüchtlinge aus, die laut UNHCR allein im Libanon registriert sind.

16 Millionen Syrer sind im Moment auf Grund des nun schon seit vier Jahren andauernden Bürgerkriegs auf humanitäre Hilfe angewiesen. Beinahe die Hälfte der Bevölkerung, rund neun Millionen Menschen, sind auf der Flucht - vier Millionen davon in den Nachbarländern. Mit Blick auf das Ausmaß der Katastrophe unternehmen die EU, aber auch Österreich „eindeutig zu wenig“, kritisierte Riedl.

Im Rahmen des Wiederansiedelungs-Programms fanden 2013 rund 71.000 syrische Flüchtlinge in anderen Ländern eine neue Heimat. „64.000 haben alleine die USA, Australien und Kanada aufgenommen. Die EU dagegen innerhalb eines Jahres nur 5.500 Flüchtlinge“, rechnete der Flüchtlingsexperte vor. 2014 wurde die Zahl in Europa zwar auf 30.000 Flüchtlinge erhöht, im Vergleich zu anderen Ländern wie dem Libanon oder der Türkei sei das aber trotzdem nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Alleine die Türkei habe an einem Wochenende so viele Flüchtlinge aufgenommen, wie ganz Europa in einem Jahr. Anstatt mehr Geld in die Sicherung der Grenzen zu stecken, solle die EU lieber mehr in den Flüchtlingsschutz investieren.

In die Pflicht nahm Riedl auch Österreich. Im EU-Vergleich stehe das Land mit der Zusage, 1.500 syrische Flüchtlinge aufzunehmen, nicht schlecht da, wirklich nach Österreich geschafft hätten es aber erst rund 500 Flüchtlinge.

Im August 2013 hatte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner angekündigt, dass Österreich 500 Syrienflüchtlinge aufnehmen wird und ihnen Asyl gewährt. Die letzten Flüchtlinge aus diesem Kontingent kamen allerdings erst Anfang Dezember 2014 nach Österreich. Ein zweites Aufnahmekontingent von 1.000 Flüchtlingen wurde von der Regierung im April 2014 angekündigt. Die Aufnahme von Flüchtlingen im Rahmen dieses Kontingentes ist nun im Laufen.

Die Vorbereitung für die Aufnahme laufe aber nur sehr schleppend an, kritisierte Riedl. Auch die im Regierungsprogramm festgelegte Erhöhung des Auslandskatastrophenhilfe-Fonds von fünf auf 20 Millionen Euro sei die Regierung bisher schuldig geblieben.

45 Flüchtlinge des zweiten Kontingents sollen noch im April nach Österreich kommen. Die Frage nach einer adäquaten Betreuung und Unterkunft sei aber weiterhin ungeklärt. Zu befürchten sei, dass die Flüchtlinge vorerst wieder in Grundversorgungsquartieren untergebracht werden; „und das, obwohl man aus der Aufnahme der ersten 500 syrischen Flüchtlinge gelernt hat, dass diese für Syrien-Flüchtlinge nicht geeignet sind.“ Riedl appellierte deshalb an Außenminister Sebastian Kurz, „umgehend so schnell wie möglich die Mittel für die notwendigen Betreuungs- und Integrationsleistungen bereitzustellen und zwar unabhängig davon, ob die Zusage aus Brüssel nun schon eingetroffen ist oder nicht“.

Besonders dramatisch ist die Lage im Libanon. Auf die rund fünf Millionen Einwohner kommen in dem 10.000 Quadratkilometer großen Land mehr als 1,2 Millionen Flüchtlinge. Der österreichische EU-Parlamentarier Michel Reimon von den Grünen zeichnete nach einem Besuch im Libanon ein düsteres Bild der Situation: Die 1,2 Millionen beim UNHCR registrierten Flüchtlinge im Libanon würden dort nicht als Flüchtlinge, sondern als syrische Einwanderer gezählt. Außerdem gebe es im Libanon weder eine öffentliche Gesundheitsversorgung noch öffentlichen Verkehr, Dienstleistungen oder Schulen. Von Seiten des libanesischen Staats könnten sich die Flüchtlinge also keine Hilfe erwarten. Reimon, der früher als Journalist wirkte, hatte im Sommer 2014 den Nordirak besucht und das Leid der Jesiden dokumentiert, die vor den Terrormilizen des „Islamischen Staates“ flüchteten.

Bis Oktober 2014 hatte der Libanon die Grenze zu Syrien offen gehalten und auch wie in den Jahrzehnten zuvor die Einwanderung von Syrern in den Libanon erlaubt. Reimon berichtete von einem Umschwung: Der Libanon alleine könne nun „nicht mehr handeln ". Dringen nötig seien deshalb Hilfen von Seiten der EU, um Druck vom Libanon zu nehmen. Bisher gebe es aber von der EU weder einen konkreten Aufbau- noch Investitionsplan Seitens, um im Libanon Hilfe zu leisten.

Kritisch äußerte sich Reimon auch zu den Bemühungen Österreichs. Noch immer habe Österreich seine Zusage nicht erfüllt, rund 1.000 syrische Flüchtlinge würden auf die Einreise warten. An den fehlenden Geldern aus Brüssel scheitere es laut dem Politiker aber nicht, denn diese seien längst genehmigt. Er warf dem Außenministerium vor, sich hinter fehlenden Genehmigungen aus der EU zu verstecken, die in Wirklichkeit innerhalb weniger Wochen einholbar wären.

Der österreichische EU-Parlamentarier Josef Weidenholzer von der SPÖ sprach von eine Katastrophe in einem Ausmaß, „die wir uns nicht vorstellen können“. Die Stimmung im Libanon sei am Kippen, so der Politiker, der kürzlich vor Ort war. Die Bevölkerung stelle sich immer mehr gegen die Flüchtlinge, beklage eine angeblich erhöhte Kriminalitätsrate durch die Flüchtlinge und erschwerte Bedingungen bei der Arbeitssuche. Weidenholzer warnte vor einem drohenden Bürgerkrieg im Libanon; „denn momentan ist der Libanon etwa in derselben Lage wie 1975, als auf Grund der großen palästinensischen Flüchtlingsströme ein Bürgerkrieg im Land ausbrach."

Diakonie hilft seit 2012

Seit 2012 unterstützt die Diakonie Hilfsmaßnahmen, seit 2013 auch direkt auf syrischen Boden. Schwerpunkthilfe der Nothilfe der Diakonie Katastrophenhilfe in den Nachbarländern Syrien ist die Versorgung von Flüchtlingsfamilien vor allem außerhalb der Camps, denn laut UNHCR leben 85 Prozent von ihnen in nicht-offiziellen Lagern. Dazu gehören die Bereitstellung von Unterkünften, Kleidung, Decken, Öfen und Kohle, Nahrungsmitteln oder Einkaufsgutscheinen, die Zahlung von Mietzuschüssen sowie die Verteilung von Hygieneartikeln und anderem Alltagsbedarf, gab Dagmar Lassmann, Leiterin der Diakonie Katastrophenhilfe, Einblick in die Maßnahmen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die psychosoziale Unterstützung bei der Bewältigung von Kriegstraumata und die Unterstützung im Bereich der schulischen Aus- und Weiterbildung von Kindern und Erwachsenen. „Mehr als zwei Millionen jener Syrer, die sich in Nachbarländern auf der Flucht befinden, sind Kinder.“ Auch Lassmann kritisierte die noch ausstehende Aufstockung der Mittel von fünf auf 20 Millionen Euro. „Mit zusätzlich zur Verfügung stehenden Mitteln können österreichische NGOs ihre laufenden Hilfsmaßnahmen in der Syrienkrise weiter ausbauen und den Fokus auf längerfristige und nachhaltige Unterstützung der Begünstigen legen.“ Mit diesen 20 Millionen Euro könnte für 600.000 Flüchtlinge Nothilfe geleistet werden. 

(kap 07.04.2015 no)

 








All the contents on this site are copyrighted ©.