Teresa von Avila, deren Geburtstag sich an diesem Samstag zum 500. Mal jährt, ist die erste Frau, die zur Kirchenlehrerin erhoben wurde. Papst Paul VI. vollzog diesen Schritt im Jahr 1970. Die „große heilige Teresa“, wie die spanische Karmel-Gründerin genannt wird, hat uns heute noch viel zu sagen. Darüber sprach Gudrun Sailer mit dem spanischen Karmeliten Antonio Sagardoy OCD, der in der österreichischen Diözese Gurk-Klagenfurt Bischofsvikar für die Orden ist. Pater Antonio hat mehrere Bücher über Teresa von Avila vorgelegt; das letzte heißt im Untertitel: „Trotzdem liebe ich die Kirche“.
RV: Dass die „große Heilige Teresa” 1970 als erste Frau überhaupt zur
Kirchenlehrerin erhoben wurde, war zu ihren Lebzeiten nicht einmal annähernd abzusehen.
Teresa von Avila galt als störrische Nonne, sie störte bestimmte überkommene Vorstellungen
von dem, wie Kirche zu sein hatte; aber „trotzdem liebe ich die Kirche“, dieses Wort
von Teresa ist der Untertitel Ihres Buches über die Heilige. Trotzdem liebe ich die
Kirche: Was ist ganz und gar heutig an Teresa von Avila?
Sagardoy „Mein Anliegen war, die heutige Situation vor Augen zu haben
und sie indirekt zu vergleichen mit der Situation damals bei Teresa. Hindernisse,
Enttäuschungen, Fehler in der Kirche - man entdeckt, wie Teresa sich von all diesen
Grenzen nicht ablenken lässt. Innerlich hat sie eine Kraft, die stärker ist als die
Hindernisse, mit denen sie konfrontiert ist. Und ich glaube, dass das eine Ermutigung
wäre auch für uns alle, nicht so sehr zu jammern, sondern einfach zu entdecken, wie
kann ich trotz Hindernissen meine Liebe zu Jesus und zur Kirche sichtbar machen in
unserer Zeit.“
RV: Und wie ist dieses Kunststück der heiligen Teresa in ihrer Zeit
geglückt?
Sagardoy „Das Erste ist ihre persönliche Erfahrung mit Gott. Sie
betont: Mein Leben ist die Geschichte von Gottes Barmherzigkeit mit mir. Gott hat
meine Sünden vergoldet. Die Schritte von Teresa sind nur eine Antwort auf Gottes Wirken
in ihrem Leben. Und ich denke, dass gerade diese Überlegung für uns alle ein Ansporn
wäre, wenn wir vor Augen haben, wie Gott an uns gehandelt hat. Wir leben in einer
Gesellschaft, in der wir sehr stark die eigene Leistung betonen. Leider auch im Religiösen.
Und wir übersehen stark das Wirken Gottes.“
RV: Im Spanien des 16. Jahrhunderts galten Frauen nicht als meditationsfähig.
Teresa gründete einen Frauenorden, in dem die Meditation, das innere Gebet, die Konstante
des geistlichen Lebens und des Tagesablaufs war. Was war ihr großes Anliegen mit dieser
Ordensgründung?
Sagardoy „Das Eine ist die Betonung einer Ordensgemeinschaft, die
als Schwerpunkt das meditative Gebet hat. Hier sehe ich eine Antwort auf eine Situation
damals in der Kirche, die nicht in Ordnung war. Denn die Frauen haben die gleichen
Würde wie die Männer. Teresa lebt in der Gewissheit, dass Jesus mit den Frauen ganz
anders umgegangen ist als die Männer der Kirche. Das Zweite ist: Die Gründung des
unbeschuhten Karmels ist in meinen Augen der Versuch Teresas, wie kann sie der Kirche
helfen, indem sie nämlich für die Kirche betet und zweitens indem sie andere Personen
motiviert, für die Kirche, die Theologen, die Prediger zu beten.“
RV: Die Hindernisse, die sich Teresa von Avila in den Weg stellten,
ging sie ohne Resignation an. Ich zitiere aus Ihrem Buch: „Sie revoltiert nicht gegen
die Normen, lässt sich von ihnen aber auch nicht ersticken und sucht vielmehr eine
Tür, die ihr offensteht“ – zum Beispiel?
Sagardoy „Ich denke, dass die Bücher, die Teresa schreibt, eine Tür
waren, die ihr offenstand. Natürlich - wenn man die Bücher liest, sieht man immer:
Der Beichtvater, der Pater Soundso, hat mir den Auftrag gegeben, das zu schreiben.
Aber ich glaube, die Bücher waren eine Tür, die offenstand, und Teresa nutzt das,
um die Botschaft des Gebets und die Würde eines jeden Menschen zu verbreiten. Jeder
Mensch ist, wie sie das sagt, die Burg, in der Gott wohnt.“
RV: Gerade aufgrund der Bücher - Teresa von Avila war eine außerordentlich
gebildete Frau für ihre Zeit - geriet sie ins Visier der gefürchteten spanischen Inquisition,
sie war von vornherein verdächtig, weil sie väterlicherseits aus jüdischer Familie
stammte. Erst 25 Jahre nach ihrem Tod gelangt die Inquisition zum Schluss, ihre Schriften
seien frei von Häresie. Wie hat sie in ihren Schriften versucht, bestimmten Vorwürfen
der Glaubenswächter auszuweichen?
Sagardoy „Ich denke, dass Teresa für mich nicht nur eine Heilige
war, sondern auch sehr schlau. Sie hat immer versucht, im Hintergrund die Stütze von
ganz anerkannten Theologen der damaligen Zeit in Spanien zu haben. Dadurch war sie
sicher, und sie hat in meinen Augen keine Angst vor der Inquisition gehabt, obwohl
sie wusste, dass für die Inquisition jede Person verdächtig war, die über religiöse
Erfahrungen schreibt oder spricht. Für mich eine große Stütze waren die Theologen.
Und hier sehe ich wieder eine wichtige Botschaft von Teresa für unsere Zeit. Nämlich:
sie ist die religiös Erfahrene, die mystisch Erfahrene, und sie sucht die Bestätigung,
die Korrektur, die Ergänzung durch das theologische Wissen. Gerade in unseren Tagen
ist es nicht immer so. Wir betonen eher einseitig entweder eine gewisse Religiosität
oder eher theologisches Wissen. Teresa betont die Verbindung von mystischer Erfahrung
und theologischem Wissen.“
RV: 500 Jahre nach Teresa von Avilas Geburtstag haben Frauen in der
Kirche einen anderen Stellenwert in der Kirche als zu ihrer Zeit. Dennoch fühlen sich
viele nach wie vor etwas an den Rand gedrängt. Wenn wir aus unserer Warte auf Teresa
schauen: Was sagt sie den Frauen in der Kirche heute?
Sagardoy „Für mich ist Teresa nicht eine Person, die die Emanzipation
betont, sondern vielmehr betont sie die Würde eines jeden Menschen. Deswegen wehrt
sie sich gegen manche Haltungen damals in der Gesellschaft und in der Kirche und versucht
zu betonen, dass wir alle vor Gott gleich sind. Zweitens , wenn Teresa heute leben
würde, wäre sie auch eine Frau unserer Zeit. Und dann würde sie alles in Anspruch
nehmen, was uns offen steht. Teresa entscheidet sich, Klöster zu gründen und Schritte
zu wagen, obwohl sie weiß, dass der päpstliche Nuntius nicht einverstanden ist. Ich
frage mich, was würde Teresa heute wagen, in der Gewissheit, dass unser Papst Franziskus
uns einfach ermutig, die Freude des Evangeliums hinauszutragen? Das ist eine Frage,
die offensteht, und eine Frage, die mir zeigt: Wir sollen uns wirklich fragen, was
Teresa heute tun würde.”
Teresa von Avila / Antonio Sagardoy: Trotzdem liebe ich die Kirche. Styria Premium, ca. 15 Euro.
(rv 28.03.2015 gs)
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