2015-03-07 13:40:00

Unser Buchtipp: Kruso, ein Roman von L. Seiler


 „Der Evangelist von Hiddensee“ heißt eine in der FAZ erschienene Rezension des Romans „Kruso“, die ausnahmsweise einmal negativ ausfiel. Evangelist? Ja doch, der Ton dieses 500-Seiten-Wälzers von Lutz Seiler hat etwas Hypnotisch-Religiöses: Das Ausflugslokal auf der Insel Hiddensee, Ort des Geschehens, erinnert durchaus an eine Einsiedelei, es heißt wohl auch nicht zufällig „Klausner“; die Saisonarbeiter, die dort beschäftigt sind, fühlen einen Gemeinschaftssinn, der an Ordensleute erinnert; und das große Thema der inneren Freiheit im untergehenden DDR-System wird immer wieder in religiöser Terminologie angeschlagen.

Das „Evangelium von Hiddensee“ ist mit Lob und Preisen überhäuft, ja mit Thomas Manns „Zauberberg“ verglichen worden – und tatsächlich haben wir hier wohl einen der großen Wende-Romane in den Händen. Die Sprache ist meisterhaft, die Bilder so eindringlich, dass sie im Gedächtnis haften bleiben. Der Dichter Lutz Seiler schildert den Untergang der DDR aus der Perspektive, von der der Papst immer spricht: von der Peripherie her. Das ist zum einen die geographische Peripherie (Hiddensee als äußerster Zipfel des Arbeiter- und Bauernstaats, das dänische Festland schon in Sichtweite), zum anderen aber auch die menschliche. Menschen vom Rand des Systems treffen sich am Rand und üben, ja leben eine utopische Freiheit.

Auch wenn in „Kruso“ kein Pastor und keine Kirche vorkommt: Diesen Roman kann ich sehr empfehlen. Am anrührendsten ist, wie der Ich-Erzähler Ed Bendler lange nach dem Fall der Mauer aus einem alten Radio in der menschenleeren Gaststätte von der neuen Zeit erfährt. Und wie er nach der Wiedervereinigung in Dänemark nach dem Schicksal derer forscht, die versucht haben, von Hiddensee aus in die Freiheit gegenüber zu schwimmen.

 

Lutz Seiler, Kruso. Roman. Suhrkamp Verlag, ca. 23 Euro.








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