2015-02-28 12:00:00

Roms Anlaufstelle für Flüchtlinge: das Centro Astalli der Jesuiten


Mitten im Stadtzentrum Roms, zwei Schritte von der Piazza Venezia mit dem mächtigen weißen Marmordenkmal zur Einigung Italiens, sitzt eine der wichtigsten Anlaufstellen der Stadt für Flüchtlinge. Die Via degli Astalli ist eine unscheinbare Gasse. Eine Menschentraube wartet dort vor einem Eingang, auf dem nichts als die Hausnummer – 14 – angeschrieben ist. Die Menschen, die davor stehen, wissen: hier bekommen sie Hilfe.

„Um hier zu essen bitte die blaue Karte zeigen” heißt es innen auf einem Schild auf Italienisch, Französisch und Englisch. Rechts ein Foto von Papst Franziskus. Es zeigt ihn, wie er eben diese schmale Türschwelle überschreitet, am 10. September 2013. Über dem Foto steht in blauer Schrift Centro Astalli. Das ist der Jesuiten-Flüchtlingsdienst in Rom.

Ich gehe die Stufen hinunter auf der Suche nach der Medienreferentin. Donatella Parisi engagiert sich seit zwölf Jahren für das Haus. Neben mir sehe ich Mitarbeiter des Zentrums, sie erklären den Flüchtlingen, wann es wieder Essen gibt und was zu tun ist, um die Karte zu erhalten. Donatella Parisi klärt mich auf:

„Also wir geben hier zwei Karten aus: eine gelbe und eine blaue. Die gelbe Karte bekommst du, wenn du dich das erste Mal hier für das Essen anstellst. Also es wird niemanden verwehrt hier zu essen. Mit der gelben Karte bekommst du bei deinem zweiten Besuch die blaue Karte. Mit dieser blauen Karte kannst du jeden Tag Vormittag oder Nachmittag kommen und die Angebote, die Dienste nützen, die das Centro Astalli anbietet.“

Täglich erhalten hier 450 Menschen warmes Essen, Rechtsbeistand, medizinische Versorgung und können sanitäre Anlagen nützen. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst ist in 54 Ländern aktiv, auf vier Kontinenten. Afrika, Asien, Amerika und Europa. Der Auftrag der karitativen Hilfsorganisation heißt „begleiten“. Menschen werden begleitet, die ihr Land aufgrund von Verfolgung oder Krieg verlassen mussten. In dem Zentrum gibt es eine Kapelle, aber auch einen Raum mit Teppichen, wo Muslime beten können. Ein Großteil der Flüchtlinge ist islamischen Glaubens, daher ist das Essen ihren Regeln angepasst. Kein Schinken, kein Schweinefleisch, erklärt Parisi.

Zusätzlich bietet der Flüchtlingsdienst in Rom Unterkünfte an. Vier Wohnhäuser gibt es, zwei für Männer, eines für Frauen und eines für Familien. Ebenso gibt es eine italienische Sprachschule, die mehr als 200 Menschen unterrichtet und ein weiteres „Centro d’Asolto“ – ein Beratungsdienst für rechtliche Probleme und Anfragen, der auch den Weg in die Selbstständigkeit unterstützt. Das heißt, dort werden den Flüchtlingen Jobs und Wohnungen vermittelt. 

Am beliebtesten ist die Mensa, erklärt Parisi. Prinzipiell sind alle Dienste lediglich für Flüchtlinge zugänglich: Menschen, die ihr Land verlassen mussten aufgrund von Verfolgung oder Krieg. Aber kann es nicht auch passieren, dass auch andere Obdachlose sich verirren und um Hilfe bitten?

„Es gibt bereits eine Selektion, noch bevor wir eingreifen. Man weiß in der Stadt, dass wir hauptsächlich für Flüchtlinge da sind. Wenn es jetzt passiert, dass Frauen, die auf der Straße leben und Hunger haben, kommen, dann kriegen sie einen Teller Pasta. Aber es wird ihnen auch erklärt, dass wir für Flüchtlinge arbeiten, und es gibt für sie andere Anlaufstellen in Rom, die sie mit besseren, anderen Dienstleistungen versorgen können als wir hier.“

Die Essensräume wirken wie Schulzimmer. Überall hängen Bilder in den Räumen. Fantasie ist wichtiger als Wissen. Ein Zitat von Albert Einstein unter einem Bild von Flüchtlingskindern. Woran man erkennt, dass sie Flüchtlinge sind? Wahrscheinlich daran, dass sie keine saubere Kleidung tragen und am Boden herumlungern. Aber sie lächeln, das ist das Erlösende an dem Bild.

Ich frage mich, wie es wohl sein mag, wenn ich aus meinem Land flüchten musste, die lange Reise überstanden habe, aber dennoch nichts habe. Wenn ich nicht weiß, wo ich hinsoll, was ich eigentlich machen soll, wo ich eigentlich hin muss.

„Wenn du zum Beispiel von der Elfenbeinküste oder aus Syrien flüchtest, dann ist es klar, dass deine Geschichte an eine Zwangsmigration gebunden ist. Und dann wird dir hier erklärt, dass du ein Recht auf Asyl hast. Auch wenn du nichts in der Hand hast, dann kannst du hier langsam verstehen, was du machen musst, um einen Lebensweg in Italien zu starten.“

Das Centro Astalli existiert im Übereinkommen mit der Stadt Rom. Die Gemeinde verlangt regelmäßige Rechenschaftsberichte, die das Zentrum vorlegen muss. Wie viele Menschen kommen, welcher Nationalität, solche Dinge. Die blaue Karte ist eine Art Registrierung. Mitte April wird es einen neuen öffentlichen Bericht für 2015 geben, erklärt Parisi. Mir verrät sie schon vorab: Stark zugenommen hat in den vergangenen Jahren hat die Zahl der Flüchtlinge aus Westafrika.

„Sie kommen aus Mali, Mauretanien, Senegal, aus Guinea. Viele von der Elfenbeinküste. Konstant ist die Präsenz der Afghanen, aber gibt einen Schwund der Präsenz der Eriträer und der Somalier, die davor vermehrt gekommen sind. Syrier sehen wir hier eigentlich fast keine. Sie wollen meist Migrationsziele in Nordeuropa erreichen und sehen Italien als Durchzugsland. Deswegen halten sie sich versteckt, um weiter zu reisen. Denn auch sich in einer Mensa wie unserer zu zeigen, bedeutet mitunter, dass sie ihr Zielland nicht erreichen können. “

Ohne Ehrenamtliche würde das Zentrum wohl nicht funktionieren. Der Arzt, der Anwalt, die Jugendlichen, die bei der Essensausgabe helfen: Sie alle sind Freiwillige. Sie helfen, weil sie helfen wollen. Für die Flüchtlinge kann der Ehrenamtliche aber noch viel mehr bedeuten.

„Der Ehrenamtliche stellt den ersten positiven menschlichen Kontakt für diese Flüchtlinge dar, die oft viele Monate oder auch Jahren der Angst und der Flucht hinter sich haben. Sie hatten mit Menschenhändlern zu tun, die sie misshandelten und böse zu ihnen waren. Sie kommen also hier an, terrorisiert, haben Angst und kein Vertrauen mehr in den Menschen. Und hier finden sie dann jemanden vor, der vielleicht mit einer simplen Geste – das Reichen des Tellers mit Essen, die Frage: wie geht es dir? – es schafft, Vertrauen zu vermitteln. Deswegen ist das Ehrenamt - ein Mensch, der das aus freien Stücken macht und daran glaubt – eine unglaubliche Bereicherung für eine Einrichtung wie die unsere.“

Das bestätigt mir auch der aus Somalia stammende 33-jährige Flüchtling Wiss. Er ist vor vier Jahren nach Italien gekommen. Centro Astalli war für ihn ein wichtiger Ort. Der einzige Ort, der ihm zu essen gab, erklärt er.

„Eine Person, die ein Ehrenamt macht, ist ein guter Mensch. Man sieht das. Denn diese Person sieht und fühlt den Schmerz der Flüchtlinge. Die Menschen, die uns ihre Zeit schenken, ohne dafür bezahlt zu werden, sind gute Menschen. Sie haben ein gutes Herz und ich werde ihnen dafür dankbar sein, für immer.“

Wiss ist ein Beispiel dafür, was die Arbeit der Volontäre bewirken kann. Nach vier Jahren kann er Italienisch, hat einen Asylantrag gestellt und ihn bewilligt bekommen. Er arbeitet jetzt an der Rezeption eines Hotels.

„Ich habe eine lange Reise gemacht. Sie dauerte sieben Monate. Eine gefährliche Reise, so wie man immer davon spricht. Erst in der Wüste, dann auf dem Mittelmeer. Ich bin in Lampedusa angekommen, und dann haben sie mich nach Rom gebracht.“

Er hat sein Land am Horn von Afrika verlassen und alles dabei aufs Spiel gesetzt. Jetzt kann er sagen: Ja, es hat sich gelohnt.

„Ja, am Ende ja. Ich habe lange gebraucht, um das alles zu realisieren. Danke an Gott und Danke an all die Menschen, die mir geholfen haben. Wir reden davon, wie es mir heute geht. Aber es war nicht leicht den Traum zu realisieren.“

Heute nützt Wiss diese Chance und erzählt Schülern davon, wie seine Reise verlaufen ist. Das Projekt „Finestra“, also Fenster, wird von „Centro Astalli“ angeboten und soll den Blick von Klassen und Schulen aus dem Fenster hinaus führen. Flüchtlinge kommen zu ihnen in die Klasse oder die Klasse kommt zu den Flüchtlingen. Aufklärung kann beim Verstehen helfen und dabei, die Jugendlichen aufzuwecken.

(rv 24.02.2015 no)








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