2015-02-07 10:54:00

Irak: „Den Zufluss von Waffen und Kämpfern stoppen!“


Jordanien erwägt eine Entsendung von Bodentruppen gegen die Terrorbande „Islamischer Staat“ (IS). Kampfflieger des Haschemitischen Königreichs führten über dem Irak und Syrien Dutzende Luftschläge gegen den IS durch. Ayatollay Ali al-Sistani, der geistliche Führer der schiitischen Gläubigen im Irak, ruft die internationale Gemeinschaft zu einem entschlosseneren Kampf gegen den IS auf. Im Norden des Irak wurde an diesem Samstag ein Massengrab mit über zwanzig Leichen entdeckt; den Berichten nach waren die Toten Angehörige der jesidischen Minderheit, die mutmaßlich vom IS hingerichtet wurden. Wir sprachen mit dem Päpstlichen Nuntius im Irak, Erzbischof Giorgio Lingua.

„Es liegt auf der Hand, welche Gefahr ‚Isis’ darstellt und dass man es trotz der Bombardements und verschiedener Strategien nicht schafft, die Gruppe zu schwächen. In diesem schockierenden Video, in dem der jordanische Pilot (eine Geisel des IS) bei lebendigem Leib verbrannt wurde, sehe ich die Strategie, möglichst viel Schrecken zu verbreiten, um zu zeigen, wie stark sie sind.“

Auch das Foltern und Abschlachten von Kindern, das ein UNO-Bericht vom Donnerstag den IS-Terroristen vorwirft, gehört nach dem Eindruck des Papstbotschafters in Bagdad zur Strategie des größtmöglichen Terrors.

„Es gibt genug Material, um von barbarischen Akten zu sprechen. Ich weiß zwar nicht, ob sich wirklich alles (was dem IS vorgeworfen wird) verifizieren lässt, denn es kommen nur wenige Informationen von dort durch, und die werden häufig von ihnen selbst gefiltert, um sie für die Propaganda des Terrors zu nutzen. Also, man kann nicht von Fall zu Fall sagen ‚Das ist bestätigt’, aber wir wissen doch sehr gut, wie unmenschlich gewisse Haltungen sind.“

Der Terror des sogenannten ‚Islamischen Staats’ ruft in Erzbischof Lingua, wie er im Interview sagt, „Abscheu und beinahe auch Unverständnis“ hervor.

„Man sagt sich: ‚Aber wie ist es denn möglich, dass die Menschheit an so einen Punkt, an so eine Grenze gelangt?’ Andererseits kann ich als ein Mann des Glaubens nicht anders, als auf Gott zu schauen und zu bitten: ‚Erbarmen, Herr, Erbarmen mit uns sündigen Menschen’ – zu bitten, dass er an die so sehr verhärteten Herzen rührt.“

Wir kontrollieren Äpfel, aber nicht Waffen...

Doch der Vatikanvertreter im Irak mahnt zur Vorsicht mit Berichten über das Wüten der Terroristen. Zum Beispiel, was das Vorgehen des IS gegen Christen in seinem Machtbereich betrifft. In den letzten Tagen hieß es, IS-Kämpfer hätten Christen beim Einfall in ein Dorf gezwungen, religiöse Symbole wie etwa Kreuze zum Verschwinden zu bringen.

„Nun ja, auch das sind Nachrichten, die nicht bestätigt sind. Ich habe mit dem Patriarchen (der chaldäischen Christen, Louis Sako) gesprochen, und er sagt, diese Dinge liessen sich nicht verifizieren. Es scheint sogar so, als stimmten sie nicht, jedenfalls nicht in allen Fällen. Bestimmt gibt es solche Episoden, doch – aber man kann nicht verallgemeinern. Ich glaube, man sollte darauf achten, nicht noch mehr Schrecken zu verbreiten als den, den sie auslösen wollen. Auch, weil ich den eindruck habe, dass die Christen im Moment sehr desorientiert und misstrauisch sind. Das hängt damit zusammen, dass bestimmte, schwierige Lebensumstände die Einstellung sehr negativ beeinflussen, die Hoffnung auf die Zukunft und auf die Beziehung zu ihren muslimischen Brüdern. Mir scheint, da wird eine immer höhere Barriere zwischen Christen und Muslimen errichtet, so dass man schließlich alle verdächtigt und auch zu den normalsten Dingen kein Vertrauen mehr hat... Die Angst rührt dazer, dass die Christen sich ein bisschen isoliert und manchmal auch verraten gefühlt haben von ihren Brüdern, mit denen sie zusammenlebten. Also, ich glaube, es ist wichtig, dass man versucht, das hinter sich zu lassen: damit diese Mauern nicht unüberwindbar werden. In jedem Fall werden wir viel Zeit brauchen, um diese Wunden und diese psychologischen Blockaden zu heilen.“

Erzbischof Lingua hofft, dass die internationale Gemeinschaft mehr Einsatz zeigt, um die Spirale der Gewalt und des Terrors im Irak und in Syrien zu durchbrechen.

„Eines der ersten Dinge wäre, die Menschen aufzuhalten, die weiter mit kriegerischen Absichten in diese Territorien strömen. Dann denke ich, dass man die Versorgung mit Waffen stoppen müsste. Denn heute wollen wir genau wissen, ob ein Apfel in Neuseeland, Chile oder Südtirol geerntet worden ist; wie ist es dann möglich, dass es uns nicht gelingen sollte, die Waffen zu kontrollieren? Wohin sie gehen, in wessen Händen sie enden? Die internationale Gemeinschaft müsste deshalb viel entschlossener sein, den Zufluss von Waffen in diese Territorien zu stoppen.“

(rv 07.02.2015 sk)








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