2015-02-03 16:20:00

Menschen in der Zeit - Astrid Frohloff


Astrid Frohloff ist ein bekanntes Gesicht in Deutschland. Die Fernsehjournalistin in der ARD steht für anspruchsvollen aufrechten Politikjournalismus. Ihre Schwerpunkte liegen im Bereich Politik, Wirtschaft und Medien. Als Fernsehkorrespondentin im Nahen Osten berichtete sie aus Krisen- und Kriegsgebieten. Gleichzeitig setzt sich Astrid Frohloff seit vielen Jahren ehrenamtlich als Vorstandssprecherin der angesehenen Menschenrechtsorganisation “Reporter ohne Grenzen” in Deutschland ein. Die Vollblutjournalistin moderiert seit 2009 eines der markantesten Magazine im Deutschen Fernsehen, nämlich die Politikmagazine “Kontraste” und “Klartext”.

Frau Frohloff, wir freuen uns, dass Sie sich bereit erklärt haben, an unserer Sendereihe “Menschen in der Zeit” teilzunehmen. Vielen Dank. Was hat Sie vor Jahren in erster Linie ins harte Nachrichtengeschäft geführt?

“Ich habe mich schon als Studentin für Politik sehr interessiert und auch Politikwissenschaften studiert. Für misch war klar, dass ich einen Beruf ergreifen wollte, indem ich auch Politik mitgestalte. Ich habe Lust daran gehabt, hinter die Kulissen zu schauen, ich wollte gerne mehr erfahren über politische Zusammenhänge und habe dann entschlossen, Journalistin zu werden. Ich wollte nicht nur erfahren, sondern gerne auch berichten, wollte weitertragen, Menschen informieren und wollte Missstände aufklären. Sozusagen ein ganz traditionelles Verständnis von Journalismus.”

Wir leben in einer sehr spannenden Zeit. Vieles bewegt sich, Vieles geht auch durcheinander. Wie geht damit eine mitten in der Medienwelt egangierte Journalistin wie Sie um?

“Ja, wie gehe ich damit um? Indem ich versuche, mich einzumischen. Ich glaube, Sie haben recht, wenn Sie sagen, wir leben in einer Welt, in der sich vieles vermengt. Das Internet, die elektronischen Medien haben natürlich dazu beigetragen, dass wir eine ungeheure Information-Flut haben, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Hier zu sortieren und wichtig von unwichtiig zu unterscheiden, ist schwierig. Ich sehe es als meine Aufgabe an als Journalistin hier sozusagen Hilfestellung zu leisten. Einen Pfad in diesem Dschungel der vielen konträren Meinungen und Auffassungen zu schlagen und den Zuschauer, den Leser an die Hand zu nehmen.”

Seit nunmehr fünf Jahren moderieren Sie zwei politische Fernseh-Magazine in der ARD. Welche Schwerpunkte setzen Sie in Ihremn Programmen, die mittlerweile – so heißt es – auch zeitgeschichtliche Bedeutung erlangt haben?

“Das Magazin “Kontraste” in der ARD, ein ganz traditionelles Magazin, das es seit über 40 Jahren im deutschen Fernsehen gibt, also ein Dynosaurier im besten Sinne, dieses Magazin hat sich während der Wendejahre in Deutschland sehr hervorgetan mit Berichterstattungen mit Vorgängen in der ehemaligen DDR. Es wurde sehr viel berichtet über den Widerstand, der da entstand vor 89. Der Fall der Mauer wurde mitbegleitet durch “Kontratse” und auch später in den Jahren danach war das Thema DDR-Vergangenheit und Stasi über viele Jahre hinweg ein großer Schwerpunkt in der Berichterstattung. In den letzten Jahren hat sich der Blick sehr geweitet, das Themenspektrum reicht von Rechtsradikalismus über Wirtschaftskrininalität. Korruption, unlauteren Wettbewerb, Missbrauch von Geldern, bis hin zu sozialen Themen. Wir berichten über Ereignisse wo wir ganz einfach Gedankenanstösse geben wollen.”

Ein respektabler Bogen von Berichterstattung. Sie haben als geschäftsführendes Vorstandsmitglied von “Reporter ohne Grenzen” am eigenen Leib erfahren, wie die Bedingungen für Journalisten in anderen Ländernn, insbesondere in Krisenregionen, aussehen. Welches besondere Ereignis war für Sie ausschlaggebend, sich für diese humanistische Organisation ehrenamtlich einzusetzen?

 

“Ich habe als Fernsehjournalistin fünf Jahre lang aus dem Nahen Osten berichtet. Ich habe damals in Jerusalem gelebt und bin viel in der arabischen Welt herumgereist und habe mit eigenen Augen gesehen, was es bedeutet, wenn Zensur stattfindet, was es heißt, wenn missliebige Chefredakteure verhaftet werden, was es bedeutet, wenn die Lizenz ohne weiteres entzogen wurde, wenn sie kritisch berichtet haben. Ausschlaggebend und für mich persönlich furchtbar und  wirklich nachhaltig erschütternd waren zwei Erlebnisse: der Tod zweier meiner Mitarbeiter in Situationen, in denen wir über kriegerische Auseinandersetzungen berichteten, einmal im Irak und einmal an der Grenze zwischen Israel und Libanon. Dort kane zwei meiner Mitarbeiter ums Leben auf sehr fragwürdige Weise. Die Umstände wurden nie richtig geklärt, die beiden waren als Pressemitarbeiter gekennzeichnet mit Western, auch das Auto trug das Logo “Presse”. Wir mußten die Vermutung haben, dass es hier gezielte Angriffe gegeben hat, das wurde nie untersucht. Und als ich nach Deutschland zurück kam, habe ich gesagt: das kann so nicht stehen bleiben. Das sind Dinge, die untersucht gehören und in die Öffentlichkeit gehören. Ich möchte dazu beitragen, dass so etwas nicht weiter passiert und begann mich bei “Reporter ohne Grenzen” zu engagieren. “

Um unser Gespräch  auf die Aktutalität zu lenken: die Pressefreiheit wird immer wieder neu bedroht. Letztes erschütterndes Beispiel ist die Attacke, der zwölffache Mord in der Pariser Redaktion des Satireblattes “Charlie Hebdo”. Ist die absolute Meinungsfreiheit zu einem Problem geworden?

“Die Meinungsfreiheit selbst ist nicht zu einem Problem geworden. Im Gegenteil. Die Meinugsfreiheit ist ein verbrieftes, universelles Recht, garantiert vom Artikel 19, der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen. Ein Recht, das auf der ganzen Welt gelten sollte – glauben wir von “Reporter ohne Grenzen” – glauben viele Menschen in Deutschland, glaubt die  Demokratie. Das ist ein Grundpfeiler der Demokratie: die Meinungs- und Pressefreiheit. Dieser Angriff auf die Pressefreiheit beim Anschlag in Paris hat gezeigt: In dem Moment, indem religiöse Fanatiker erkennen, dass sie es mit einem starken Gegner zu tun haben, nämlich mit einer Meinung, die sich bltzschnell um den Erdball verbreiten kann, und Menschen mobilisieren kann. Ich glaube, wir haben hier gesehen, dass  sich die Menschen in Westeuropa in einer unfassbaren Welle von Solidarität zusammengetan haben und genau das gezeigt haben: Nein wir lassen uns das Recht über Meinungsfreiheit nicht nehmen, lassen uns nicht einschüchtern durch solche Anschläge.”

Der Vatikan hat zu der Affäre in Paris ein großes Wort gesprochen: neben der bedingungslosen Verurteilung sagte der stellvertretende Pressesprecher des Papstes,  Religionsfreiheit und Pressefreiheit seien gleichzustellen. Diese Töne sind zwar nicht neu, aber sie lassen aufhorchen….

“Ja, das ist ein wichtiges Wort. Wir haben ja in der Vergangenheit erlebt, dass es Abwägungen gegeben hat und auch geben muss. Eine wichtige Abwägung, die immer wieder getroffen wird, ist die zwischen Freiheit und Sicherheit, eine andere Diskussionslinie ist die zwischen Freiheit der Meinung und Freiheit der Religion. Ich glaube, dass wir noch nicht am Ende dieser Diskussion sind, ich glaube, dass in Deutschland gerade jetzt hier noch einmal diese grundsätzliche Frage gesellschaftlich diskutuert werden muss, wieviel Freiheit darf die Religion haben, wieviel Freiheit darf die Meinung demgegenüber haben. Ich finde es gut, dass darüber offen diskutiert wird. “

*Wären Sie mit der folgenden Überlegung zu diesem Thema einverstanden? Die persönliche Betroffenheit darf nie Maßstab dafür sein, was gesagt, gezeichnet und geschrieben werden darf oder nicht? Mit anderen Worten: wo liegen hier die Grenzen auf diesem Gebiet nezw. Die Grenzen der Toleranz?

“Auch daS ist eine Frage. die im Journalismus immer wieder diskutiert wird. Es gibt einen anderen Spruch eines sehr populären, verstorbenen Fersehmoderators, Hans-Joachim Friedrich: Man darf sich niemals gemein machen mit der Meinung anderer, als Journalist. Das heißt: dieses Postulat”  Unabhängigkeit”  wurde über viele Jahre hin hochgehalten im Journalismus und galt als Ideal. Ich bin mir nicht sicher, ob das überhaupt jemals eimzulösen sein wird. Ein Journlist ist  kein - unabhängig von seiner Person und von seinen persönlichen Gefühlen und Gedanken  agierendes Wesen, ein Journalist ist ein Mensch, der wie jeder andere Auffassungen und Gefühle und Emotionen hat zu bestimmten Thjemen. Das läßt sich nicht wegdiskutieren. Es ist völlig klar, wenn ich als Journalist Ereignisse einordne, dann tue ich das immer auch.notwendigerweise vor dem Hintergrund meiner persönlichen Sozialisierung vor dem Hintergrund meines Kontextes, in dem ich mich gesellschaftlich bewege und im Zusammenhang mit der Redaktion in der ich stehe. Ich kann mich nicht hundertprozentig unabhängig machen. Aber, jetzt kommt das Entscheidende: ich glaaube, dass ein Journalist immer, immer daran gehalten sein muss, sich der Verantwortung klar zu sein, dessen, was er schreibt, dessen was er veröffentlicht, Das gilt auch für Karikaturisten..” 

Frau Frohloff, Sie können auf eine erfolgreiche Laufbahn als Fernsehjournalistin und Moderatorin zurück und nach vorne blicken. Nochmals kurz in Stichworten: Auslandskorrespondentin in Israel und der arabischen Welt, Chefmoderatorin bei Sat 1. Seit 2009 moderieren Sie di politischen Magazine “Klartext” und “Kontraste” in der Ard. Sie sind Vorstandsmitglied bei der angesehenen Organisation “Reporter ohne Grenzen”,  und Sie sind verheiratet und Mutter von 2 Kindern.  Die weitverbreitete Meinung, daß Eheschließung und Familiengründung Frauen daran hindern, Karriere zu machen, ist also falsch……

“(Lacht) Ja… so ganz einfach läßt sich das, glaube ich, nicht sagen. Es ist sehr, sehr schwierig für Frauen in Westeuropa, den Beruf und die Familie unter einen Hut zu bringen. Nach wie vor. Das hat sehr viel mit dem gesellschaftlichen Kontext zu tun. Nach wie vor gilt ein Beruf mehr, als die Mutterrolle oder die Aufgabe einen Haushalt zu managen. Das har etwas mit Wertigkeit zu tun, mit sozialer  Anerkennung dieser Arbeit,  Mutter und Hausfrau sein. Das ist etwas, was sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte hoffentlich noch ändern wird und öffnen wird. Das ist das eine. Das andere ist: ich glaube, dass es möglich ist, als berufstätige Frau gleichermaßen den Aufgaben und seinen eigenen Ansprüchen als Mutter und als Hausfrau und Ehefrau gerecht zu werden, aber nach wie vor ist es so, dass in Familien, in denen besser verdient wird, es sehr viel einfacher ist, Kinder und KArriere unter einen Hut zu bekommen. Denn dann ist es sehr viel einfacher eine Kinderbetreuung zu organisieren und das ist ja ganz oft das Hauptproblem. Die berufstätigen Mütter wissen oft nicht wo sie ihre Kinder betreuen lassen können, das ist in Deutschland noch schwieriger als zum Beispiel in Frankreich und in anderen Staaten. Sodass dies eine soziale Differenz ist zwischen Familien mit einem höheren oder mit einem niedrigeren Einkommen. Auch da muss sich, glaube ich, noch einiges ändern.”

Das war ein Gespräch mit Astrid Frohloff. Hauptberuflich engagiert und erfolgreich im TV-Journalismus, als Reporterin und Moderatorin engagiert bei angesehenen  Polit-Magazinen in der Ard, ehrenamtlich engagiert als geschäftsführende Vorstandsvorsitzende in der humanistisch geprägten Organisation “Reporter ohne Grenzen” und  privat engagiert in ihrer Familie und bei ihren Kindern.

 

Aldo Parmeggiani








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