2015-01-17 08:24:00

Tacloban: Die nicht gehaltene Predigt


Es war eine Messe im Gedenken an die Opfer des Taifuns Haiyan (Yolanda auf den Philippinen), Papst Franziskus wollte danken und gedenken. „Hier wurde der stärkste Sturm, der je auf der Erde verzeichnet wurde, von der stärksten Kraft des Universums überwunden: von der Liebe Gottes,“ wollte er in seiner Predigt sagen, sein vorbereiteter Redetext sprach von der Hoffnung auf Auferstehung, der Traurigkeit über den Verlust die niemals weggeht und über die Augen des Glaubens und der Hoffnung. Die Messe war aber nicht nur eine Trauermesse, der Papst feierte sie auch als Dank, wie er ausführte, Dank für Gott für seine Hilfe in Zeiten der Not. Dank ging auch an die viele Hilfe, die geleistet wurde, während und auch nach der Katastrophe. Aber Papst Franziskus verwies auch darauf, dass die Not längst noch nicht vorbei sei: „ Ich bitte die Verantwortungsträger der Regierungen, die internationalen Behörden, die Wohltäter und die Menschen guten Willens, nicht aufzugeben. Es gibt noch vieles zu tun. Auch wenn die Schlagzeilen gewechselt haben, hält die Not weiter an.“ Und eine zweite bittere Note fügte er laut Redetext an, die Leidtragenden hätten nicht nur Hilfe erfahren, sondern auch Geschäftemacherei, Plünderung und das Ausbleiben von Reaktionen auf das Drama. Schnell waren im November 2013 Vorwürfe laut geworden, dass etwa gespendeter Reis woanders weiterverkauft worden sei und niemals bei den Notleidenden angekommen sei.

Aber Predigttext blieb Predigttext, bei der Messe sprach Papst Franziskus frei.

An dieser Stelle dokumentieren wir zum Nachlesen die Predigt, die der Papst vorbereitet hatte.

 

Welch tröstliche Worte haben wir da gerade gehört! Noch einmal ist uns gesagt worden, dass Jesus Christus der Sohn Gottes, unser Retter, unser Hoherpriester ist, der uns Erbarmen, Gnade und Hilfe in all unseren Nöten bringt (vgl. Hebr 4,14-16). Er heilt unsere Wunden, vergibt unsere Sünden, und er ruft uns – wie einst den heiligen Matthäus (vgl. Mk 2,14), seine Jünger zu sein. Lasst uns ihn preisen für seine Liebe, sein Erbarmen und sein Mitleid. Lasst uns unseren großen Gott preisen!

Ich danke Jesus, dem Herrn, dass wir heute Morgen zusammen sein können. Ich bin gekommen, um bei euch zu sein, in dieser Stadt, die vor vierzehn Monaten vom Taifun Yolanda verwüstet wurde. Ich bringe euch die Liebe eines Vaters, die Gebete der ganzen Kirche und das Versprechen, dass ihr bei eurem weiteren Wiederaufbau nicht vergessen seid. Hier wurde der stärkste Sturm, der je auf der Erde verzeichnet wurde, von der stärksten Kraft des Universums überwunden: von der Liebe Gottes. Wir sind heute Morgen hier, um Zeugnis zu geben von dieser Liebe, von ihrer Macht, Tod und Verwüstung in Leben und Gemeinschaft zu verwandeln. Die Auferstehung Christi, die wir in dieser Messe feiern, ist unsere Hoffnung und eine Wirklichkeit, die wir gerade jetzt erfahren. Und wir wissen, dass der Auferstehung immer das Kreuz vorangeht – das Kreuz, das ihr im Glauben, mit Würde und mit gottgegebener Kraft getragen habt.

Wir versammeln uns vor allem, um zu beten für die, welche umgekommen sind, für die noch Vermissten und für die Verletzten. Wir tragen die Seelen der Toten – unsere Mütter, Väter, Söhne und Töchter, Familien, Freunde und Nachbarn – hinauf zu Gott. Wir können zuversichtlich sein, dass sie beim Eintritt in Gottes Gegenwart Erbarmen und Frieden gefunden haben (vgl. Hebr 4,16). Es bleibt viel Traurigkeit über ihr Fehlen. Für euch, die ihr sie kanntet und liebtet – und immer noch liebt – ist der Schmerz über ihren Verlust real. Doch lasst uns mit den Augen des Glaubens in die Zukunft blicken. Unsere Traurigkeit ist ein Same, der einst Frucht tragen wird in der Freude, die unser Herr denen verheißen hat, die auf sein Wort vertrauen: „Selig ihr Trauernden, denn ihr werdet getröstet werden“ (vgl. Mt 5,4).

Wir sind heute Morgen auch zusammengekommen, um Gott zu danken für seine Hilfe in Zeiten der Not. Gott ist in diesen sehr schwierigen Monaten eure Kraft gewesen. Es hat viele Todesopfer, viel Leiden und Verwüstung gegeben. Und doch sind wir noch fähig, uns zu versammeln und ihm zu danken. Wir wissen, dass er für uns sorgt, dass wir in Jesus, seinem Sohn, einen Hohenpriester haben, der mit uns mitfühlen kann (vgl. Hebr 4,15), der mit uns leidet. Gottes Mit-leid, sein Leiden mit uns verleiht unseren Anstrengungen ewigen Sinn und Wert. Euer Wunsch, ihm für jede Gnade und jeden Segen zu danken, auch wenn ihr so viel verloren habt, ist nicht nur ein Triumph der Belastbarkeit und Stärke des philippinischen Volkes; er ist auch ein Zeichen der Güte Gottes, seiner Nähe, seiner Zärtlichkeit und seiner rettenden Macht.

Wir danken dem allmächtigen Gott auch für so vieles, das in diesen Monaten beispielloser Not an Hilfe, Wiederaufbau und Unterstützung geleistet wurde. Ich denke an erster Stelle an die, welche die große Zahl der obdachlosen Familien, älteren Menschen und Jugendlichen aufgenommen und beherbergt haben. Wie schwer ist es, das eigene Haus und die Lebensgrundlage zu verlassen! Wir danken denen, die für die Obdachlosen, die Verwaisten und die Mittellosen gesorgt haben. Priester und Ordensleute haben so viel gegeben, wie sie nur konnten. Denen unter euch, die Menschen auf der Suche nach Sicherheit in Kirchen, Konventen und Pfarrhäusern beherbergt und beköstigt haben und die weiter denen beistehen, die noch zu kämpfen haben, danke ich. Ihr seid ein Schatz für die Kirche. Ihr seid der Stolz eurer Nation. Jedem von euch danke ich persönlich. Denn was ihr dem Geringsten der Brüder und Schwestern Christi getan habt, das habt ihr ihm getan (vgl. Mt 25,40).

In dieser Messe wollen wir Gott auch danken für die guten Männer und Frauen, die als Rettungs- und Hilfskräfte gedient haben. Wir danken ihm für die vielen Menschen rund um die Welt, die großzügig ihre Zeit, ihr Geld und ihre Güter zur Verfügung stellten. Länder, Organisationen und Einzelne von allen Enden der Erde räumten den Notleidenden den Vorrang ein; das ist ein Beispiel, das nachgeahmt werden sollte. Ich bitte die Verantwortungsträger der Regierungen, die internationalen Behörden, die Wohltäter und die Menschen guten Willens, nicht aufzugeben. Es gibt noch vieles zu tun. Auch wenn die Schlagzeilen gewechselt haben, hält die Not weiter an.

Die heutige erste Lesung aus dem Hebräerbrief mahnt uns, an unserem Bekenntnis festzuhalten, in unserem Glauben durchzuhalten und uns voll Zuversicht dem Thron der Gnade Gottes zu nähern (vgl. Hebr 4,16). Diese Worte haben an diesem Ort einen besonderen Klang. Mitten in großem Leiden habt ihr niemals aufgehört, den Sieg des Kreuzes, den Triumph der Liebe Gottes zu bekennen. Ihr habt gesehen, wie sich die Macht dieser Liebe in der Großherzigkeit so vieler Menschen und in so vielen kleinen Wundern der Güte offenbarte. Doch in der Geschäftemacherei, der Plünderung und im Ausbleiben von Reaktionen auf dieses große menschliche Drama habt ihr auch so viele tragische Zeichen jenes Übels gesehen, von dem Christus uns in seinem Kommen befreit hat. Lasst uns beten, dass auch dies uns zu größerem Vertrauen auf Gottes Gnade führt, Sünde und Egoismus zu überwinden. Lasst uns besonders darum beten, dass es jeden sensibler macht für den Schrei unserer Brüder und Schwestern in Not. Lasst uns beten, dass es zur Ablehnung aller Formen von Ungerechtigkeit und Korruption führt, die durch den Diebstahl an den Armen die Gesellschaft an ihren Wurzeln vergiften.

Liebe Brüder und Schwestern, während dieser ganzen Prüfung habt ihr die Gnade Gottes in besonderer Weise durch die Gegenwart und die liebevolle Fürsorge der seligen Jungfrau Maria, Unserer Lieben Frau von der Immerwährenden Hilfe, gespürt. Sie ist unsere Mutter. Möge sie euch helfen, im Glauben und in der Hoffnung durchzuhalten und allen Notleidenden entgegenzukommen. Und gemeinsam mit den heiligen Lorenzo Ruiz und Pedro Calungsdod sowie allen Heiligen möge sie weiter Gottes Erbarmen und sein liebevolles Mitleid für dieses Land und für das ganze geschätzte philippinische Volk erflehen. Amen. 

 

(rv 17.01.2015 ord)








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