2015-01-16 12:28:00

"Jubel, Kritik und eine Botschaft an Europa": Unser Kollege vor Ort


Wie berichtet die Presse über den Start der Papstreise auf den Philippinen?

„Wenn ich heute nichts als die Zeitungen von Manila zur Verfügung hätte, um mich zu informieren, dann würde ich darauf jetzt antworten: Die Philippinen sind das neue Zentrum der Welt. Und der Papst ist in dieser Welt der Anführer. So lautet hier, ganz ernsthaft, der Tenor der Zeitungen – wobei ein Blatt noch hinzufügt: ‚Früher inspirierte ja auch Obama viele Hoffnungen, aber das ist schon lange vorbei. Jetzt ist nur noch Franziskus ein echter globaler Führer.‘ Die Presse quillt über von Papst-Storys und Papst-Begeisterung; das zieht sich durch bis auf die ‚Lifestyle‘-Seite des ‚Philippine Daily Inquirer‘, wo dann Überschriften auftauchen wie ‚Warum du einen Papst Franziskus in deinem Leben brauchst‘. Oder: ‚Warum er dieselbe Wirkung hat wie die Beatles‘. ‚The People`s Pope‘, ‚Der Papst des Volkes‘, röhrt der ‚Philippine Star‘ auf Seite eins…“

Also alles nur Papst-Jubel? Keine kritischen Töne?

„Doch, die gibt es auch in der Presse, und zwar auf den Kommentarseiten. Da finden sich durchaus akzentuierte, brillante Analysen, die sich vom allgemeinen Gejubel deutlich abheben. ‚Wie kommt es, dass Asiens größtes katholisches Land ausgerechnet eines seiner korruptesten ist?‘, wird da zum Beispiel gefragt. Auch der ‚Philippine Star‘ spricht im gleichen, ernsten Ton von ‚dringend nötigem Wandel‘ – und er kritisiert, wie das auch viele Menschen auf den Straßen tun, die Sicherheitsvorkehrungen: ‚Völlige Paranoia‘.“

Sind die Sicherheitsvorkehrungen wirklich so massiv? Macht sich das auf den Straßen bemerkbar?

„Ja, und wie! Zum Beispiel bei der ersten Einfahrt des Papstes in die Hauptstadt. Die Polizei hatte stärkere Birnen in die Straßenlaternen schrauben lassen, das gab ein grelles Licht, bei dem die Elendsviertel links und rechts der Straße für den Papst gar nicht mehr sichtbar waren. Dazu Betonabsperrungen, überall Polizeiwagen mit Blaulicht, Militär. Hätten die Menschen nicht gejubelt, hätte das wie eine Szene aus einem Bürgerkrieg gewirkt. Straßenverkäufer, wie sie hier gang und gäbe sind, und Straßenkinder wurden – man kann fast sagen ‚aus dem Weg geräumt‘. Sicherheitsgründe, heißt es dann gleich; aber natürlich will die reiche, philippinische Elite, dass der Papst ein aufgeräumtes, schönes Land vorfindet und keine Elendsszenen.“

Wie steht es mit den Einsatzkräften?

„Von den insgesamt 18.000 Polizisten im Großraum namens ‚Metro Manila‘ sind nicht weniger als zwei Drittel für den Papstbesuch abgestellt, dazu kommen weitere 25.000 Sicherheitskräfte, die die Regierung bereitgestellt hat. Zusätzlich werden natürlich wichtige Einrichtungen in diesen Tagen speziell gegen Attentate gesichert, etwa die mächtige US-Botschaft in der Manila Bay. Da bleiben nicht viele Polizisten, um die hohe Alltagskriminalität hier im Zaum zu halten. Das führte dazu, dass Innenminister Manuel Roxas II. auf einer Pressekonferenz am Donnerstag alle Übeltäter warnte: Lasst euch bloß nicht einfallen, den Papstbesuch auszunutzen, um in der Zeit ungestört Einbrüche zu verüben! „Wenn Kriminelle Verbrechen verüben, während unsere Polizisten für die Sicherheit des Papstes sorgen, dann ist das eine doppelte Todsünde!“ Interessantes Zitat aus dem Mund eines Innenministers.“

Warum heißt der Innenminister denn Manuel Roxas ‚der Zweite‘?

„Aus demselben Grund, warum auch der Präsident der Philippinen Benigno Aquino III. heißt: Die Politiker hier kommen aus einer Elite, aus immer denselben Familien. Politik als eine Familienangelegenheit; man nennt die Kinder nach ihren berühmten Onkeln oder Vätern, die auch schon mal Präsident oder Minister waren. Im Fall von Präsident Aquino heißt das: Sein Vater war ein berühmter Oppositioneller, der sicher Präsident geworden wäre, hätte ihn der Diktator Marcos nicht 1983 ermorden lassen. Und seine Mutter war auch schon einmal Präsidentin: Corazon Aquino. In seiner Rede in Anwesenheit von Papst Franziskus (nota bene: einfach nur ‚Franziskus‘, nicht ‚Franziskus I.‘) hat Präsident Aquino übrigens gegen die Marcos-Dynastie kräftig ausgeteilt, die ja weiter politisch aktiv ist (Marcos jr. ist Gouverneur). Das stand einigermaßen im Gegensatz zu seinen sonstigen Flötentönen.

Wenn man so etwas sieht und hört, dann versteht man, warum einem sämtliche Filipinos sagen: Unser Hauptproblem sind unsere korrupten Politiker, die sich nicht um die Probleme des Landes kümmern. Die reiche Elite hierzulande – so stand das am Donnerstag in einem Zeitungskommentar – rollt im dicken Schlitten durch das Finanzviertel von Manila, und wenn da ein Habenichts mit seiner Fahrradrikscha im Weg steht, wird gleich ungeduldig auf die Hupe gedrückt. Wenn sich diese Haltung durch den Besuch des Papstes etwas ändert, wenn die statusfixierten Filipinos von ihm etwas Demut lernen, dann hat – so der Kommentar – diese Papstreise schon etwas gebracht.“

Eigentlich gilt die Papstreise ja nicht der Elite, sondern den Armen – speziell den Opfern des Taifuns von 2013.

„Ja, dazu reist Franziskus am Samstag auf die Insel Leyte, in die Städte Tacloban und Palo. Bei vielen Überlebenden des Taifuns herrscht große Verbitterung über das Verhalten der Behörden ihnen gegenüber und auch über die extremen Sicherheitsvorkehrungen. Ein Aktivist sagt das so: ‚Der Papst wird gar keine Taifun-Opfer treffen, sondern Abertausende von Polizisten, Soldaten und Holzbarrieren!‘ Viele Arme sind speziell aufgebracht darüber, dass große Unternehmen und Firmen Papstplakate mit ihrem Logo über die Insel verstreut haben – als käme Franziskus nicht speziell zu den Allerärmsten.“

Hat diese Papstreise eigentlich auch eine Botschaft an Europa?

„Nun, in gewisser Hinsicht ist es schon Botschaft genug, dass da der erste Papst aus Lateinamerika die große Asien-Charmeoffensive der Kirche durchführt – und dass Europa da per se gar nicht vorkommt. Natürlich darf Europa sich auch ein bisschen über die vollen Kirchen auf den Philippinen wundern, vielleicht auch etwas daraus lernen. Wobei man das aber auch nicht übertreiben darf: Nicht in allen Teilen von Europa leeren sich die Kirchen, und nicht alles ist Gold, was glänzt am philippinischen Katholizismus. Vieles am Glauben der Menschen hier ist tief gefühlt, vieles bleibt aber auch rein oberflächliche Praxis; übrigens gehen entscheidende Elemente der Volksfrömmigkeit der Philippinen auf vorspanische Zeiten zurück, also bevor das Christentum hierhin auf die Inseln kam!“

Gibt es sonst noch Elemente an diesem Papstbesuch, die Europas Katholiken hellhörig verfolgen sollten?

„Interessant ist aus meiner Sicht das, was der Papst beim Treffen mit Familien in Manila in Abweichung vom vorbereiteten Redetext gesagt hat. Er hat das Beharren von Papst Paul VI. auf der ‚Offenheit für das Leben‘ trotz aller Probleme durch das Bevölkerungswachstum gelobt, er hat ihn zum Zeugen für seine eigene Linie der ‚Barmherzigkeit im Einzelfall‘ gemacht, und er hat seine prophetische Weitsicht gelobt – fast hätte er in diesem Moment noch die berühmte Enzyklika ‚Humanae Vitae‘ erwähnt. Das alles sind klare Ansagen auch in Richtung Europa, vor allem mit Blick auf den synodalen Prozess zum kirchlichen Umgang mit Ehe und Familie.“

(rv 16.01.2015 sk)








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