2014-12-19 11:36:00

Das geht nur in Italien: Komiker mit Zehn-Gebote-Show


„Wetten dass“ ist tot – die „Zehn Gebote“ leben. Jedenfalls im italienischen Fernsehen RAI: Dort hat der Dekalog gerade, an zwei Abenden, einen Publikumserfolg eingefahren wie Gottschalks „Wetten dass“ in seinen besten Samstagabend-Zeiten: Insgesamt zwanzig Millionen Menschen, darunter offenbar auch der Papst, haben zugeguckt, das sind stolze 38 Prozent. Wahrscheinlich liegt der Erfolg der „Zehn Gebote“ weniger an Gott als am Komiker Roberto Benigni, im deutschsprachigen Raum vor allem bekannt wegen seines Oscar-gekrönten Films ‚La vita è bella’, ‚Das Leben ist schön’. Benigni hat in freier Rede insgesamt vier Stunden lang über die Gebote gesprochen, immer zwischen Ernst und Witz. Bei uns kommentieren das drei Priester: der Bibelwissenschaftler Germano Galvagno, der römische Jesuit Gaetano Piccolo und der Waldenser-Pastor Paolo Ricca, an dessen Texten sich der Komiker inspiriert hat.

 

„Ich ging von vornherein davon aus, dass das gutgehen würde“, sagt der Bibelwissenschaftler Galvagno, „Benigni kann sowas. Ich habe festgestellt, dass er sich sehr gut vorbereitet hat, und dazu kam dann seine ‚ars poetica’, wie er alles präsentiert und auch das Studiopublikum einbezogen hat.“

 

‚Du sollst nicht stehlen’ – das sei „ein Gebot Gottes extra für uns Italiener, da hat Gott an uns gedacht“, witzelte Benigni, der früher auch schon mal in ähnlicher Form Dantes ‚Göttliche Komödie’ interpretiert hat. ‚Du sollst nicht ehebrechen’ – hier lief Benigni zu seiner Höchstform auf, dieses Gebot sei in seiner Kindheit meistens übersetzt worden mit ‚Du sollst nichts Unkeusches tun’, und der Priester habe damals ihn und seine zwölf-, 13-jährigen Freunde angesehen und nur gesagt: „Wie oft?“ – „Oh Gott“, hätten sie daraufhin gedacht, „der weiß das...“

 

„Also, keiner will das Genie und das Talent Benignis bezweifeln“, kommentiert Jesuitenpater Piccolo, ein Philosophie-Dozent, „und es ist sicher sein großes Verdienst, bei bester Sendezeit von spirituellem Leben gesprochen zu haben. Was mich etwas skeptisch stimmt, ist, dass die Kirche in seiner Show als eine Organisation erschien, die gewissermaßen absichtlich die biblischen Texte entstellt oder bestimmte Aspekte des Dekalogs für ihre Zwecke ausgeschlachtet hätte. Natürlich wird man damit dem biblischen Befund oder der Interpretation der Gebote durch Paulus nicht gerecht. Sowas darf man vielleicht von Benigni nicht verlangen, aber der Eindruck ist dann doch, dass die Gebote eine Art Ausdruck einer weltlichen Religiosität seien. Das scheint mir die, verständliche, Grenze der Show. Also, das war eine akzeptable Sache, an der man aber doch dies und das kritisieren kann.“

 

Nicht kritisieren wollen die Geistlichen, dass da die Bibel zu Primetime-Ehren kam: Selbst bei der RAI hatte keiner damit gerechnet, dass Benignis Bibelshow mehr Zuschauer einsammeln würde als das Weltmeisterschaftsspiel Italien-Uruguay.

 

„Ich glaube, damit ist allen gedient“, sagt der Bibelwissenschaftler Galvagno. „Da wurde von Gott gesprochen, von der Seele, der Freiheit, dem Leben, aber nicht auf belastende oder langweilige Art und Weise. Natürlich braucht es dazu ein besonderes künstlerisches Vermögen, aber Benigni hat in dieser Hinsicht Glaubwürdigkeit und auch den Mut, große Themen anzugehen. Es kann Italien im Moment ganz gut tun, mal größere Horizonte zu sehen als immer nur die Probleme, die es gibt.“

 

Vor der zweiten Sendung hat offenbar Papst Franziskus den römischen Schauspieler angerufen und ihm zu seinen Sendungen gratuliert. Vatikan-Erzbischof Rino Fisichella, der den neuen Päpstlichen Rat für Neuevangelisierung leitet, nennt Benignis Show ein gelungenes Beispiel für Neuevangelisierung. Und das sieht auch der Waldenserpastor Paolo Ricca so.

 

„Ja, absolut – das war Neuevangelisierung von höchster Qualität. Benigni hat die Gebote im Licht des Evangeliums gelesen, also als einen Segen für die Menschheit, einen Segen für die Einzelnen, die sie in die Praxis umsetzen wollen; einen Segen für alle, die glauben und sich Gott anvertrauen; einen Segen für alle, auch die Nichtglaubenden, die aber würdig leben wollen, die nicht nur für sich leben wollen, sondern auch für die anderen. Benigni hat den Zehn Geboten ihre wahre Natur wiedergegeben: als Wegweiser, als Straßenschilder.“

 

Fazit: So säkularisiert kann Italien noch nicht sein, wenn die „Zehn Gebote“ einen solchen TV-Erfolg einfahren. Wetten, dass?

 

(rv 19.12.2014 sk)








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