2014-12-06 11:20:00

„Erfahrungsgesättigte Theologie“: Marianne Schlosser, Theologin im Vatikan



Papst Franziskus freut sich über den Beitrag von Frauen zur Theologie. Das sagte er am Freitag zu den Angehörigen der Internationalen Theologischen Kommission, die an der Glaubenskongregation angesiedelt ist. Die Theologinnen könnten „zu aller Nutzen bestimmte bisher unerforschte Aspekte des unergründlichen Geheimnisses Christi entdecken“, sagte Franziskus. Dem rund zwei Dutzend Köpfe umfassenden Beratungsgremium gehören nach der jüngsten Ernennungsrunde fünf Frauen an, unter ihnen die aus Bayern stammende Marianne Schlosser, die an der Universität Wien Spiritualität lehrt. Gudrun Sailer führte kurz nach Marianne Schlossers Berufung an die Kommission ein Interview mit der Theologin.                                              

Was erhoffen Sie sich von Ihrem zukünftigen Wirken in der Internationalen Theologischen Kommission?

„Diese Kommission geht auf die Initiative der ersten großen Bischofssynode zurück, die nach dem Zweiten Vatikanum stattgefunden hat. Da wollte man ganz bewusst aus der Perspektive verschiedener Sprachen, theologischer Schulen, Kulturen, Kontinente auch die Nähe zwischen Lehramt und wissenschaftlicher Theologie fördern. Also, ich möchte dazu gerne einen Beitrag leisten, soweit ich das kann. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit so vielen verschiedenen fähigen Kollegen. Ich weiß auch von der Verantwortung und der Arbeit, die eine solche Aufgabe mit sich bringt. Aber ich will versuchen dieses Vertrauen, das da in einen gesetzt wird, wenn man dazu berufen wird, auch zu rechtfertigen und mit Gottes Hilfe meinen Beitrag zu leisten.“

Welchen Ruf genießt die Kommission in der akademischen theologischen Landschaft fern von Rom?

„Wenn ich jetzt so zurückblicke auf die Gratulationen, die mir aus Kollegenkreisen gegeben worden sind, kann ich nur sagen, man ist stolz darauf, man freut sich über die Tatsache, dass jemand dazu berufen wird oder Mitglied wird. Wenn man einen Blick auf die Liste der inzwischen 27 Dokumente wirft, die von dieser Kommission in den letzten Jahren seit der Gründung veröffentlicht worden sind, dann lässt sich auch erahnen, wie wichtig die Aufgabe ist. Vielleicht ist das manchmal nicht so bekannt, obwohl diese Dokumente über das Internet in verschiedenen Sprachen zugänglich sind: dass es da beispielsweise um das Wesen der wissenschaftlichen Theologie geht, um die menschliche Person, um das Verständnis von Glaubenssinn, um Fragen der Eschatologie, also um sehr grundlegende Fragen, die auch der Glaubenskongregation und dem Heiligen Stuhl, so ist ja die Aufgabe definiert, helfen sollen, Lehrfragen, die von größerem Gewicht sind, theologisch vorab zu klären, und deren Tätigkeit auch zu unterstützen.“

Papst Franziskus hat bereits mehrmals gesagt, was fehlt, sei eine echte Theologie der Frau. Der Kontext war - zumindest in einem Fall - die Rolle der Frau in der Kirche. Wie haben Sie - als Theologin - diesen Ruf des Papstes nach einer Theologie der Frau verstanden?

„Ich würde sagen, dass man das zweifach verstehen kann. Zum einen als eine inhaltliche Vertiefung, wie Sie es gerade angesprochen haben. Eine Reflexion über das Frausein im Licht des christlichen Glaubens, etwa wenn Papst Franziskus einmal formuliert hat, dass die Jungfrau und Gottesmutter Maria für das, was die Kirche ist, zentraler sei als die Apostel. So verstanden würde eine Theologie der Frau die Bemühungen von Johannes Paul II. aufgreifen, die in dem Schreiben „Mulieris dignitatem“ (Über die Würde der Frau) einen Kulminationspunkt erreicht haben. Man kann auch eine zweite Hinsicht in Betracht ziehen: nach dem besonderen Beitrag von Frauen für die Glaubenslehre, die Glaubensvermittlung fragen, und auch da gibt es natürlich Vorreiter, wie Joseph Kardinal Ratzinger, der mit höchster Wertschätzung von Frauentheologie gesprochen hat. Als Benedikt XVI. hat er bekanntlich eine Reihe von Katechesen gerade dem Beitrag von Frauen für die Theologie gewidmet und dabei betont, dass man diesen Beitrag, obwohl es sich nicht um akademische Theologie handelt, nicht einfach als bloß „erbaulich“ zur Seite wischen kann. Schon vorher gibt es Meilensteine der Anerkennung, etwa die formelle Erhebung von zwei Frauen zu Kirchenlehrerinnen um die Zeit, als die Kommission gegründet worden ist, 1970, durch Papst Paul VI. Das ist wiederum eine Bestätigung einer langen Wirksamkeit von Frauentheologie. Ich würde aber auch dazusagen, die Größe der Frauen, die wie etwa Katharina von Siena, Gertrud die Große oder Teresa von Avila, gesamtkirchlich rezipiert worden sind, die besteht nicht zuletzt darin, dass sie eben von Männern und Frauen gleichermaßen rezipiert worden sind.“

Wenn wir über Ihren eigenen Fachbereich sprechen, die Theologie der Spiritualität, welche Zugänge ließen sich da für das Thema Theologie der Frau schaufeln?

„Ich hab mich selber mit einigen dieser Frauen auch wissenschaftlich befasst, gerade mit Katharina, mit Teresa, mit Edith Stein, auch mit Klara von Assisi. Ich denke, in dieser Theologie von Frauen – und ich möchte jetzt auch ein bisschen vorsichtig sein, weil es sich da nicht um ein Alleinstellungsmerkmal handelt, als wäre das bei Männern nicht der Fall – gibt es doch inhaltlich und formal erkennbare Schwerpunkte. Diese Art von Theologie ist, weil sie vielleicht weniger im akademischen Raum betrieben wurde, im gewissen Sinn „erfahrungsgesättigter“, manchmal vielleicht auch „konkreter“. Jede Theologie ist Nachsinnen über Gottes Wort oder über seine Offenbarung, um zu einem tieferen Verstehen zu gelangen; und tieferes Verstehen bedeutet auch, eine tiefere Beziehung zu finden. Aber die erste Antwort auf das Wort Gottes, das man hört, ist nicht das Nachdenken theoretischer Art, sondern es ist das Gebet. Und in der Theologie der großen Frauen der Kirchengeschichte, ob sie jetzt zu Kirchenlehrerinnen erklärt worden sind oder nicht, wird gerade dieser Zusammenhang sehr deutlich: Rede über Gott wurzelt in der Rede zu Gott.

Gebet und Betrachtung, „Suche nach dem Angesicht Gottes“, ist vollzogener Glaube – und das ist der Wurzelboden dieser Frauentheologie. Und das meine ich, könnte auch inspirierend sein. Papst Franziskus würde vielleicht sagen, ein Weckruf für alle Theologie und sicher auch für die Arbeit dieser Kommission. Eben dass Wissenschaft und Gebet, theologische Reflexion und geistliches Leben nicht zu trennen sind. Weil eben gute Theologie mehr ist als nach bestimmten Regeln betriebene Wissenschaft. Das ist sie auch – ich sag ja auch „mehr“ und nicht „weniger“. Mehr, weil sie Glaubenseinsicht sein will, also Einsicht in den Glauben, und damit auch eine tiefere Beziehung zu Gott auch bei anderen Menschen wecken will.“

 

(rv 06.12.2014 gs)

 








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