Fall des Eisernen Vorhangs vor 25 Jahren: Viel zu wenig erzählte Geschichten
Unser Buchtipp:
Zeugen für Gott – Glauben in kommunistischer Zeit. Band 1.
An die Mauer
erinnern sich viele, an das System, die Politik, auch an den Fall des Eisernen Vorhangs
vor genau 25 Jahren. Wie die Menschen aber in der Zeit davor gelebt und ihren Glauben
praktiziert haben, das gerät immer mehr in Vergessenheit. Um zu erinnern, hat das
Hilfswerk Renovabis ein Buch in Auftrag gegeben, das die Erinnerung wachhalten soll.
Pater Bernd Hagenkord hat mit dem Leiter des Hilfswerks, Jesuitenpater Stefan Dartmann,
gesprochen.
Pater Dartmann, Ihr Name steht nicht als Herausgeber auf dem
Buch, aber Sie haben einen Artikel verfasst, ‚Zur Idee dieser Publikation’. Was ist
denn die Idee dieses Buches?
„Die Idee ist, ein Glaubenszeugnis zu geben
und denen ein Gesicht zu geben, die in Mittel- und Osteuropa während der langen Zeit
des Kommunismus gelebt haben, gelitten haben, teilweise auch gestorben sind, bei denen
aber die Gefahr besteht, dass wir viele von ihnen einfach vergessen.“
Der
Anlass ist natürlich das 25-Jahre-Gedenken zum Fall des Eisernen Vorhangs, kommt das
Gedenken an die Religion dabei Ihrer Meinung nach etwas zu kurz?
„Also,
was die Initiativen zu diesen ganzen Vorgängen angeht, da fallen ja häufig die Namen
Johannes Paul II. und so weiter, da hat die Religion sicherlich eine wichtige Rolle
gespielt. Und auch in den Umbrüchen, die in Deutschland gerade in diesen Tagen sehr
stark bedacht worden sind, da wird die Rolle der Kirche immer wieder betont. Aber
wenn es darum geht, auf die Zeit vorher zu schauen, wo Kirche überhaupt nicht vorkommen
durfte, da gibt es eben nur diese Untergrundgeschichte, und die wird meines Erachtens
viel zu wenig erzählt. Das ist auch eine Gefahr, die ich in den Ländern selber beobachtet
habe, dass die ältere Generation mit ihren Erfahrungen aus verständlichen Gründen
nicht hausieren geht, dass die jüngere Generation da aber auch nicht das angemessene
Interesse zeigt an der Geschichte der Kirche im eigenen Land. Das wollen wir mit diesem
Buch ein wenig stimulieren.“
Was sind das für Menschen, von denen da erzählt
wird?
„Wir haben uns im Kreis der Verantwortlichen ganz bewusst auf ein
weites Spektrum geeinigt. Es geht um katholische, orthodoxe und evangelische Menschen,
es geht um viele Priester und Bischöfe, häufig deswegen, weil da die Dokumentation
besser erhalten ist. Es geht aber auch um Laien, es geht um Ordensleute, es geht um
Leute, die Verfolgung überlebt haben, es geht um Leute, die in der Verfolgung umgekommen
sind, und es geht auch um die Nachwachsenden, die das noch so eben mitbekommen haben,
aber heute ganz andere Leben leben.“
Auf dem Titel des Buches befindet sich
eine stilisierte Europakarte, die von Worten gebildet wird: Berufsverbot, überwacht,
verfolgt, unfrei, Haft und so weiter. Ist das nicht eine zu negative Perspektive,
auf diese Geschichten zu schauen?
„Das könnte man sagen, aber es nimmt
diese Aspekte auf, die vielleicht heute als erste in den Blick kommen. Aber da steht
eben auch ein kleines Wort wie ‚Glaubenszeugnis’ dahinter. Das Wort ‚Zeugnis’ kommt
immer wieder. Und das ist dann eher positiv zu sehen. Es geht darum zu zeigen, wie
angesichts dieser sehr negativen Wirklichkeit Menschen ihren Glauben bezeugt haben.“
Da
steht noch ein anderes Wort auf dem Titel, nämlich Band 1. Eine Fortsetzung ist also
geplant.
„Ja, wir haben einen zweiten Band in Planung, wir hatten sogar
ursprünglich einmal gedacht, für jedes einzelne Land einen Band herauszugeben. Wir
haben aber gemerkt, dass wir uns daran wohl übernehmen würden und dass das Material
für die Länder sehr ungleich vorhanden ist.“
Thomas Bremer und Burkhard
Haneke: Zeugen für Gott. Glauben in kommunistischer Zeit. Band 1. Das Buch ist im
Verlag Aschendorff erschienen und kostet knapp 20 Euro.