Papst Franziskus hat am Mittwochabend privat eine bekannte Aktivistin aus seiner argentinischen
Heimat empfangen. Es war die Vorsitzende der „Großmütter von der Plaza de Mayo“, Estela
de Carlotto. Sie suchte den Papst in einem Seitenraum der Audienzhalle im Vatikan
auf. De Carlotto war von ihrem Enkel Ignacio Guido Montoya Carlotto begleitet, dessen
wahre Identität sich erst im August dieses Jahres herausgestellt hat. Auch noch andere
Familienmitglieder waren zu dem Treffen, das auf Einladung von Franziskus zustande
kam, erschienen, darunter die drei Kinder von Estela de Carlotto.
Die „Großmütter
von der Plaza de Mayo“ bemühen sich seit Jahrzehnten, Enkelkinder wiederzufinden,
die ihren Familien während der argentinischen Militärdiktatur (1976-1983) weggenommen
und in anderen Familien aufgezogen wurden – meist ohne ihre wahre Herkunft zu kennen.
Ignacio Guido Montoya Carlotto zum Beispiel wurde geboren, als seine Mutter – eine
Dissidentin – in Haft war, und vom Regime einem anderen Ehepaar gegeben. Die Begegnung
im Vatikan verlief herzlich und emotional; die Familienmitglieder überreichten dem
Papst verschiedene Geschenke, darunter einen Poncho und eine Skulptur. Der wiedergefundene
Enkel schenkte dem Papst eine CD mit selbst komponierter Musik.
Franziskus
hatte Estela de Carlotto schon im April letzten Jahres empfangen, kurz nach seiner
Wahl zum Papst. Die Beziehungen zwischen der argentinischen Kirche und den „Großmüttern
von der Plaza de Mayo“ waren jahrzehntelang gespannt, jetzt bessern sie sich. Die
Bischöfe fordern nunmehr alle Pfarreien dazu auf, die Kirchenbücher für die Recherchen
nach einstmals verschwundenen Kindern offenzulegen. Das ist eine Abkehr vom bisherigen
Kurs der Kirche. Schätzungen gehen von ungefähr 500 noch ungeklärten Fällen aus.
Frau
de Carlotto ist Gründerin des Großmütter-Verbands und in Argentinien keineswegs unumstritten.
Gerade unter Kirchenleuten werfen viele ihr eine zu große Nähe zu Präsidentin Cristina
Kirchner vor. Als der heutige Papst noch Erzbischof von Buenos Aires war, galt sein
Verhältnis zu den Kirchners - also zu der heutigen Präsidentin und ihrem Mann und
Vorgänger Nestor Kirchner - als gespannt. Das Verhältnis hat sich aber seit der Papstwahl
offenbar verbessert; auch Frau Kirchner wurde unlängst vom Papst zu einer privaten
Begegnung in den Vatikan eingeladen. Das war bereits das vierte Treffen zwischen Franziskus
und der Präsidentin seit der Papstwahl vom März 2013.