2014-11-05 10:21:23

Kampf gegen Ebola in Westafrika auch „Vertrauenssache“


RealAudioMP3 Kirche und Hilfsorganisationen können die Ebola-Epidemie in Westafrika nur durch aktive Mithilfe der örtlichen Bevölkerung wirksam bekämpfen. „Wir können die Epidemie nur kontrollieren, wenn wir die Mitarbeit der Bevölkerung haben. Das heißt, wir müssen ihre Ängste, ihre Kultur, ihre Riten ernst nehmen“, sagt Klemens Ochel vom Missionsärztlichen Institut Würzburg, das weltweit Hilfsorganisationen bei ihrer Gesundheitsarbeit unterstützt.

Ochel nahm am Dienstagnachmittag in Rom an einer internationalen Konferenz von Caritas Internationalis zu Ebola teil. Im Auftrag von Misereor war er im Oktober in Liberia unterwegs. Die Lage ähnele einer Kriegssituation: Das Virus habe nicht nur „katastrophale Auswirkungen“ auf das wirtschaftliche Leben, sondern hinterlasse auch tiefe Spuren im Sozialen, so der Arzt im Interview mit Radio Vatikan.

„Die Angst vor Ansteckung führt dazu, dass das soziale Leben nicht mehr normal funktioniert, man vermeidet Kontakt. Normalerweise begrüßt man sich herzlich in Afrika, es gibt sogar besondere Riten des Händeschüttelns und der Umarmung. Das ist alles weg: Es gilt ,no touch’, niemanden mehr anfassen, niemanden mehr berühren. Und natürlich immer die Angst und Sorge: Ist mein Gegenüber vielleicht eine Kontaktperson?“

Aufgrund von Ebola stehen in Westafrika derzeit ganze Dörfer unter Quarantäne. In Liberias Hauptstadt Monrovia seien viele Schulen, Betriebe und Krankenhäuser seit Wochen geschlossen, auf dem Land lägen Feldarbeit und Handel so gut wie brach, berichtet Ochel. Viele Familien, die sich bisher allein versorgten, seien jetzt auf fremde Hilfe gewiesen:

„Man kann nicht mehr über die Dorf- oder Kreisgrenze hinweg seine Produkte vermarkten, und das bringt die Wirtschaft fast zum Erliegen. Man kann also nur versuchen, in seinem kleinen Garten das anzubauen, was man braucht. Die Lebensmittelversorgung ist dementsprechend bedrohlich. Vor allem die Familien, die in ihrer Bewegung eingeschränkt und isoliert sind, weil sie Kontakt (mit Infizierten, Anm. d. Red.) hatten, müssen von außen ernährt werden, sonst geht es nicht.“

Die aktuelle Statistik führt insgesamt 14.500 Infizierte und Verdachtsfälle in der Region auf. In Liberia sei die Hälfte dieser Fälle registriert worden, die andere Hälfte in Guinea und Sierra-Leone, berichtet Ochel. Besonders Menschen im Gesundheitsdienst würden Opfer von Ansteckungen: Gut sieben Prozent der insgesamt 7.000 Toten seien Ärzte und Krankenschwestern.

Kampf gegen Ebola: Anpassung religiöser Riten
Vor allem bei Todesfällen treffe das Berührungsverbot die Menschen massiv, berichtet der Arzt weiter. Wie sollen sie gebührend Abschied nehmen, wenn die verstorbenen Verwandten direkt abgeschirmt und unter Plastikplanen begraben werden? Durch die Ebola-Epidemie würden bei vielen Liberianern auch traumatische Erinnerungen aus dem Bürgerkrieg wieder wach, so Ochel. In dem gerade einmal zehn Jahre zurückliegenden Konflikt kam es u.a. zu Leichenschändungen.

„Natürlich möchte eine Familie wissen und sich versichern, dass jemand gestorben ist und nun anständig beerdigt wird (...), dass eben auch keine ,Kräfte oder Mächte von außen’ kommen und Leichen schänden. Stellen Sie sich vor, Sie würden Menschen in voller Infektionsschutzkleidung sehen, die einen lieben Angehörigen sozusagen aus dem Bett nehmen, in einen Sack packen und in ein Erdloch tun. Das wäre auch für uns eine so traumatisierende Erfahrung, mit der wir nur schwer umgehen könnten!“

Um auf diese Nöte der Menschen zu reagieren, habe die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Richtlinien für die Bestattung der Ebola-Toten erlassen, nach denen die Betroffenen aktiv in die Bestattung ihrer Angehörigen einzubeziehen seien, sagt Ochel:

„Man geht sogar so weit, ihnen Infektionsschutzkleidung zu geben, damit sie zum Abschied – zumindest einer – den Angehörigen noch berühren können.“

Eine andere Anpassung sei das Schaffen von Besuchsbereichen „mit Sicherheitsdistanz“ in Ebola-Behandlungszentren, in denen Familien infizierte Angehörige besuchen und „aus der Ferne“ unterstützen können, berichtet der Arzt weiter.

Fortschritte in Liberia: Aktive Fallsuche betreibenIn Liberia, wo die Epidemie am schlimmsten wütet, können inzwischen genügend Behandlungsplätze angeboten werden, so Ochel. Dennoch träten immer noch neue Fälle auf, deshalb müssten die Anstrengungen fortgeführt werden.
„Ein nächster notwendiger Schritt ist, dass aktive Fallsuche betrieben wird: Das heißt, für jeden Patienten, der in ein Untersuchungszentrum kommt, muss eine Untersuchung stattfinden, um mögliche Kontakte nachzuzeichnen und möglichst rasch neue Fälle zu identifizieren. Das ist bisher noch nicht gemacht worden.“

Doch auch wenn die Epidemie eingedämmt sei, werde es noch viel zu tun geben, prophezeit der Arzt. Es werde dann psychosoziale Betreuung brauchen, um die traumatischen Erfahrungen der Menschen aufzufangen. Auch die Ebola-Waisen wieder in ein normales Umfeld zu integrieren, werde wohl nicht leicht sein, fürchtet der Mediziner.

Caritas Internationalis: Vielfache Maßnahmen notwendigUm Ebola effektiv zu bekämpfen, setzen kirchliche Hilfsorganisationen neben medizinischer Versorgung und der Bereitstellung von Ressourcen auf Präventionsarbeit und eine Mobilisierung der örtlichen Bevölkerung. Das hat der Gesundheitsbeauftragte von Caritas Internationalis, Monsignor Robert Vitillo, am Dienstagnachmittag auf einer internationalen Konferenz am Sitz der Dachorganisation in Rom verdeutlicht, an der Gesundheitsexperten und – via Skype – Kirchen- und Caritasvertreter aus Sierra Leone, Liberia und Guinea teilnahmen.

Mehrere Experten lobten bei der Konferenz die aktive Mitarbeit der Bevölkerung im Kampf gegen das Virus. Ochel berichtete über zwei Ärzte, die in Monrovia tatkräftig das katholische St. Joseph’s Hospital wiederaufbauen. Die beiden Männer hätten das Virus selbst überlebt und widmeten sich nun dem Kampf gegen die Epidemie, erläuterte der Arzt. Die Caritas führt in Westafrika Präventions- und Aufklärungskampagnen durch und schult Menschen im Gesundheitsdienst im Umgang mit dem Virus. Dabei werden im Kampf gegen Ebola Netzwerke und Strukturen genutzt, die sich bereits im Kampf gegen AIDS in der Region bewährt haben.

(rv 04.11.2014 pr)








All the contents on this site are copyrighted ©.