2014-10-31 10:18:50

Reformationsgedenken: Mehr als nur Spaltung


RealAudioMP3 Eine Geschichte der Spaltung, aber auch eine Geschichte des Wandels: Zum Reformationsgedenktag an diesem Freitag erinnert der österreichische evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker daran, dass die Reformation ein „europaweiter Aufbruch, an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten“ gewesen sei. Bünker sprach beim traditionellen Reformationsempfang seiner Kirche am Mittwochabend in Wien.

„Reformation meint immer mehr: Sie ist mehr als nur eine Reform hier und da und dort. Sie war ein Aufbruch weit über die Grenzen der Kirche hinaus. Und sie war ein Aufbruch weit über das 16. Jahrhundert hinaus, mit Auswirkungen bis heute. Deshalb bedeutet das Reformationsjubiläum nie, dass sich evangelische Kirchen selbst feiern, sondern es bedeutet immer diesen Aufbruch in die Welt.“

Wenn 2017 der 500. Jahrestag des Thesenanschlags durch Martin Luther an der Schlosskirche von Wittenberg als Startschuss der Reformation begangen wird, dann dürfe nicht allein die Trennung betont werden. Weil die Reformation alle betroffen habe, brauche es auch im Gedenken ein Miteinander, so Bünker.

„Dieses Miteinander gilt natürlich auch der Ökumene, und da vor allem der römisch-katholischen Kirche, die wie wir durch die Reformation hindurch gegangen ist und durch das 16. Jahrhundert auch entscheidend geprägt wurde. Ich denke, wir sollten nicht aufhören zu arbeiten und uns dafür einzusetzen, dass wir 2017 da und dort auch gemeinsam feiern können.“

Bislang sehen Vertreter der katholischen Kirche die Vorstellung eher kritisch, die Spaltung ‚feiern’ zu wollen. Gedenken ja - aber da sei auch zuviel kaputt gegangen und noch nicht genügend Gemeinsamkeit geschaffen, um wirklich eine einzige Feier daraus werden zu lassen.

Haben die Kirchen zur Entchristlichung Europas beigetragen?

Der gemeinsame Blick auf die Reformation täte aber allen christlichen Kirchen in Europa gut. Das betont der Wiener katholische Theologe Paul Zulehner.

„Man könnte jetzt zum Reformationsjubiläum nicht nur rückblickend fragen, was Luther an Reformen vielleicht vorweg genommen hat; diese Frage könnte man auf der religiös-theologischen Ebene stellen. Ich glaube aber auch, dass man auf der Ebene der Entwicklung Europas insgesamt fragen sollte, ob die Kirchen nicht selber zur Entchristlichung Europas einen fatalen Beitrag geleistet haben. Man muss fragen, ob sie selber schuld daran sind, dass es in allen religionssoziologischen Forschungen heißt, dass die Religion boomt, dass es in der Welt keine Säkularisierung gibt und dass nur Europa der Sonderfall ist. Warum ist Europa der Sonderfall?“

Einen Grund gibt Zulehner selber an: „Wir zahlen einen wahnsinnigen Preis für die Aufladung der Reformationsgeschichte mit Gewalt.“ Durch die Spaltung und gegenseitige Beschuldigungen hätten beide Kirchen dazu beigetragen, dass viele Menschen nicht mehr an Gott glauben können, weil bis heute Reformation mit Krieg und Gewalt assoziiert werde: Auch das sei ein Thema für das Reformationsgedenken.

Auf die Notwendigkeit, diese schwierigen Kapitel beim Gedenken mit einzubeziehen, wies auch Bischof Bünker in seiner Rede hin.

„Es ist wichtig, dass wir nichts Belastendes aus der Geschichte unter den Teppich kehren! Auch nicht die Schattenseiten, die es ja ohne weiteres gegeben hat, ich denke da zum Beispiel an die judenfeindlichen Äußerungen Martin Luthers. Aber der Blick richtet sich nicht nur zurück, er richtet sich nach vorn. Wir wollen für 2017 einladen unter der Überschrift ‚Erinnern für die Zukunft’, denn die Zukunft ist das, was uns beschäftigt.“

Die Reformation ist eine Weltbürgerin

Bünker, der auch Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) ist, betont besonders den Beitrag der Kirchen der Reformation für Europa. Die Bewegung des 16. Jahrhunderts habe immer schon eine weitere Dimension gehabt, „Die Reformation ist eine Weltbürgerin", so der Bischof wörtlich. Die befreiende Erfahrung des wiederentdeckten Evangeliums habe zu einer Neubestimmung im Verhältnis des Menschen zu Gott, zu sich selbst und zu den Mitmenschen geführt. Das könne und müsse auch heute konkret benannt werden:

„Evangelisch in Europa heißt immer auch evangelisch für Europa: für das Zusammenleben in der Vielfalt der Kulturen, der Ethnien, der Religionen, auf der Grundlage der gleichen Rechte für alle. Und es ist auch dieser reformatorische Impuls, der uns dafür eintreten lässt, dass die gleichen Rechte für alle auch für die Religionsgemeinschaften in Österreich gelten sollen und gelten müssen.“

Gerade das zunehmend säkulare Europa brauche das öffentliche Wirken der Kirchen und Religionen, so der Bischof in seiner Rede in der Akademie der Wissenschaften.

(kap/rv 31.10.2014 ord)









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