2014-10-29 13:07:41

Nigeria: Geflüchtete Christinnen erzählen


Die Entführung christlicher Frauen und Mädchen durch die Kämpfer der Islamistengruppe „Boko Haram“ ist in Nigeria seit längerem eine gängige Praxis der Demütigung und Eroberung. Die Christinnen werden zum Übertritt zum Islam gezwungen und im Anschluss daran zwangsverheiratet beziehungsweise vergewaltigt. Seit einiger Zeit dokumentiert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch die Einzelheiten dieser Form von Gewalt gegen Frauen, indem sie Geflüchtete interviewt. In der nun vorliegenden Video-Zusammenstellung von Human Rights Watch tragen die freigekommenen Frauen aus Scham falsche Namen und verbergen ihre Gesichter.

Hadiza, entführt im November 2013:

„Ich war zu Hause beim Kochen, da hörten wir Schüsse. Wir versuchten zu fliehen, aber wir rannten ihnen geradezu in die Arme. Sie haben uns umzingelt und uns gefragt, wohin wir gehen. Und sie sagten: Da wir euch jetzt gefangen haben, werden wir euch zum Islam bekehren.“

Die Aktivistin Mausi Segun ist bei Human Rights Watch für Nigeria zuständig. Sie erklärt:

„Lange vor der Entführung der 200 Mädchen aus Chibok und der Kampagne „Bring back our girls“, die darauf folgte, hatten wir schon unter der Hand davon gehört, dass Boko Haram Mädchen und Frauen entführen soll; aber es gab da eine Kultur des Schweigens. Man sprach nicht gerne darüber. Und so haben wir uns dazu entschlossen, Belege für die Verbrechen von Boko Haram zu sammeln.“

Gloria, entführt im April 2014:

„Sie befahlen den muslimischen Mädchen unter uns, auf die eine Seite zu gehen. Wir vier christlichen Mädchen mussten auf die andere Seite. Die Musliminnen haben sie freigelassen.“

Hauwa, entführt im September 2013:

„Ich musste sie bei ihren Einsätzen begleiten, normalerweise trug ich die Munition. Während sie schossen, sagten sie, ich solle mich hinlegen. Als ich zum ersten Mal einen Mann erschießen sollte, zitterte ich am ganzen Leib und fiel um. Sie zwangen mich wieder aufzustehen und dabei zuzusehen, wie sie den zweiten Mann erschossen. Da dachte ich, wie es wäre, wenn ich mich einfach selbst erschieße. Sie hatten uns ja gezeigt, wie man schießt.“

Gloria:

„Dort gab es ganz viele Frauen. Manche waren schon verheiratet worden mit Kämpfern. Andere wurden gezwungen zu konvertieren und dann zu heiraten.“

Hadiza:

„Sie sagten, du wirst jetzt konvertieren, unter Eid. Nach Hause wirst du nicht zurückkehren, wir werden dich verheiraten, du bist ja noch jung. Wir waren nicht einverstanden mit dem Religionswechsel, wir fühlten uns nicht wohl. Aber die Kämpfer sagten, wenn ihr euch weiterhin so daneben benehmt, erschießen wir euch und werfen eure Leichen in den Fluss.“

Gloria, mit ihrer kleinen Tochter auf dem Arm:

„Einer von ihnen vergewaltigte mich. Ich bat ihn, wegzugehen, ich hatte ja mein Baby. Aber er wollte nicht hören und befahl mir, das Kind wegzulegen. So legte ich sie auf den Boden.“

Hauwa:

„Als ich dachte, sie würden mich jetzt gleich verheiraten, täuschte ich Magenschmerzen vor. Da dachten sie, ich hätte vielleicht AIDS, und schickten mich ins Krankenhaus, um mich testen zu lassen. So kam ich aus diesem Lager raus und rannte davon.“

Die freigekommenen Frauen sind nach ihrer Flucht zum Teil tief traumatisiert, erklärt die Aktivistin Segun.

„Diese Frauen brauchen Gerechtigkeit für die Verbrechen, deren Opfer sie wurden. Sie brauchen Informationen über den Zugang zu medizinischer und auch psychologischer Versorgung, die ihnen hilft, hinwegzukommen über das, was sie erlebt haben.“

Hauwa:

„Als ich nach meiner Entführung wieder nach Hause kam, sagten mir die Leute, ich solle nicht auf dieser Entführung herumreiten. Ich träume oft davon, weil ich so traurig darüber bin, meine Religion verleugnet zu haben, anstatt den Missbrauch der Kämpfer zu ertragen. Mir geht das auch nach, wenn ich wach bin.“

Gloria:

„Als wir nach Hause gingen, warnten sie uns, nicht mit Medien über sie zu sprechen. Sie sagten, wenn ihr das tut, werden wir euch finden und mit euch verhandeln.“

(Human Rights Watch/rv 29.10.2014 gs)








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