Die Entführung christlicher Frauen und Mädchen durch die Kämpfer der Islamistengruppe
„Boko Haram“ ist in Nigeria seit längerem eine gängige Praxis der Demütigung und Eroberung.
Die Christinnen werden zum Übertritt zum Islam gezwungen und im Anschluss daran zwangsverheiratet
beziehungsweise vergewaltigt. Seit einiger Zeit dokumentiert die Menschenrechtsorganisation
Human Rights Watch die Einzelheiten dieser Form von Gewalt gegen Frauen, indem sie
Geflüchtete interviewt. In der nun vorliegenden Video-Zusammenstellung von Human Rights
Watch tragen die freigekommenen Frauen aus Scham falsche Namen und verbergen ihre
Gesichter.
Hadiza, entführt im November 2013:
„Ich war zu Hause
beim Kochen, da hörten wir Schüsse. Wir versuchten zu fliehen, aber wir rannten ihnen
geradezu in die Arme. Sie haben uns umzingelt und uns gefragt, wohin wir gehen. Und
sie sagten: Da wir euch jetzt gefangen haben, werden wir euch zum Islam bekehren.“
Die Aktivistin Mausi Segun ist bei Human Rights Watch für Nigeria zuständig.
Sie erklärt:
„Lange vor der Entführung der 200 Mädchen aus Chibok und
der Kampagne „Bring back our girls“, die darauf folgte, hatten wir schon unter der
Hand davon gehört, dass Boko Haram Mädchen und Frauen entführen soll; aber es gab
da eine Kultur des Schweigens. Man sprach nicht gerne darüber. Und so haben wir uns
dazu entschlossen, Belege für die Verbrechen von Boko Haram zu sammeln.“
Gloria,
entführt im April 2014:
„Sie befahlen den muslimischen Mädchen unter uns,
auf die eine Seite zu gehen. Wir vier christlichen Mädchen mussten auf die andere
Seite. Die Musliminnen haben sie freigelassen.“
Hauwa, entführt im September
2013:
„Ich musste sie bei ihren Einsätzen begleiten, normalerweise trug
ich die Munition. Während sie schossen, sagten sie, ich solle mich hinlegen. Als ich
zum ersten Mal einen Mann erschießen sollte, zitterte ich am ganzen Leib und fiel
um. Sie zwangen mich wieder aufzustehen und dabei zuzusehen, wie sie den zweiten Mann
erschossen. Da dachte ich, wie es wäre, wenn ich mich einfach selbst erschieße. Sie
hatten uns ja gezeigt, wie man schießt.“
Gloria:
„Dort gab
es ganz viele Frauen. Manche waren schon verheiratet worden mit Kämpfern. Andere wurden
gezwungen zu konvertieren und dann zu heiraten.“
Hadiza:
„Sie
sagten, du wirst jetzt konvertieren, unter Eid. Nach Hause wirst du nicht zurückkehren,
wir werden dich verheiraten, du bist ja noch jung. Wir waren nicht einverstanden mit
dem Religionswechsel, wir fühlten uns nicht wohl. Aber die Kämpfer sagten, wenn ihr
euch weiterhin so daneben benehmt, erschießen wir euch und werfen eure Leichen in
den Fluss.“
Gloria, mit ihrer kleinen Tochter auf dem Arm:
„Einer
von ihnen vergewaltigte mich. Ich bat ihn, wegzugehen, ich hatte ja mein Baby. Aber
er wollte nicht hören und befahl mir, das Kind wegzulegen. So legte ich sie auf den
Boden.“
Hauwa:
„Als ich dachte, sie würden mich jetzt gleich
verheiraten, täuschte ich Magenschmerzen vor. Da dachten sie, ich hätte vielleicht
AIDS, und schickten mich ins Krankenhaus, um mich testen zu lassen. So kam ich aus
diesem Lager raus und rannte davon.“
Die freigekommenen Frauen sind nach
ihrer Flucht zum Teil tief traumatisiert, erklärt die Aktivistin Segun.
„Diese
Frauen brauchen Gerechtigkeit für die Verbrechen, deren Opfer sie wurden. Sie brauchen
Informationen über den Zugang zu medizinischer und auch psychologischer Versorgung,
die ihnen hilft, hinwegzukommen über das, was sie erlebt haben.“
Hauwa:
„Als
ich nach meiner Entführung wieder nach Hause kam, sagten mir die Leute, ich solle
nicht auf dieser Entführung herumreiten. Ich träume oft davon, weil ich so traurig
darüber bin, meine Religion verleugnet zu haben, anstatt den Missbrauch der Kämpfer
zu ertragen. Mir geht das auch nach, wenn ich wach bin.“
Gloria:
„Als
wir nach Hause gingen, warnten sie uns, nicht mit Medien über sie zu sprechen. Sie
sagten, wenn ihr das tut, werden wir euch finden und mit euch verhandeln.“