Papst an Volksbewegungen: „Kämpft gegen Ungleichheit!“
Der Begriff Solidarität
wird oft missverstanden; er bedeutet mehr als nur großzügig sein. Das sagte der Papst
an diesem Dienstagmittag im Vatikan. Er empfing die Teilnehmer des internationalen
Treffens von Volksbewegungen, das vom Päpstlichen Friedensrat organisiert worden war.
Franziskus sprach die Engagierten aus allen Teilen der Welt auf das Thema „Solidarität“
an:
„Das bedeutet, denken und aktiv werden für die Gemeinschaft und einstehen
für die Prioritäten des Lebens, anstatt all das tun, was nur die Inbesitznahme von
Gütern ist. Solidarität bedeutet auch, dafür zu kämpfen, dass es keine Ungleichheiten
und Armut oder Arbeitslosigkeit und Enteignungen gibt. Solidarität ist auch der Kampf
um soziale Rechte und um die Rechte von Arbeitern.“
Das Treffen im Vatikan
sei keine „Unterstützung für eine Ideologie“, so der Papst in seiner zum Teil frei
gehaltenen Rede. Und dennoch konnte der argentinische Papst seinen Gästen den Respekt
für ihren Einsatz nicht versagen.
„Ihr arbeitet ja nicht mit Ideen, sondern
mit der Realität, sozusagen. Wie ich schon oft gesagt habe: Ihr steht mit beiden Füßen
auf dem Boden, und habt die Hände bei der Arbeit. … Wir wollen, dass eure Stimme gehört
wird, was leider oft nicht der Fall ist!“
„Erde, Dach überm Kopf und Arbeit“,
so lautete der Titel des Treffens in Rom. Angesprochen wurde eine Vielfalt von Themen;
da ging es etwa um Beschäftigte in prekären Arbeitsverhältnissen, um die Rechte von
Migranten oder um die Belange von Kleinbauern und Landlosen.
„Probleme
beim Namen nennen“
„Es ist schon komisch, dass es in einer Welt
voller Ungerechtigkeiten so viele Euphemismen gibt. Wir nennen die Probleme nicht
mehr beim Namen, sondern suchen immer beschönigende Worte. Eine Person, die im Elend
lebt oder hungert, nennt man dann einfach ,Straßenmensch´. Das klingt schön, nicht
wahr? Doch hinter diesem Euphemismus steckt ein Verbrechen!“
Die
Existenz von Volksbewegungen zeigen nach den Worten von Papst Franziskus „die dringende
Notwendigkeit, unsere Demokratien zu revitalisieren“. Eine Gesellschaft, bei der die
„großen Mehrheiten“ nicht aktiv mitgestalten dürften, habe keine Zukunft, „und dieser
Protagonismus geht über die formellen Verfahren in einer Demokratie hinaus“. „Keine
Familie ohne Dach überm Kopf!“, rief der Papst: „Kein Bauer ohne Land! Kein Arbeiter
ohne Rechte! Kein Mensch ohne die Würde, die das Arbeiten verleiht!“ Die Arbeit der
Volksbewegungen sei „ein Segen für die Menschheit“.
An der Audienz im Vatikan
nahmen vor allem Vertreter von Basisorganisationen aus Lateinamerika teil, die über
die Nöte der Betroffenen und ihren Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit berichteten.
Die Konferenz von Montag bis Mittwoch kam auf Anregung von Papst Franziskus zustande.
Neben Basisorganisationen beteiligen sich auch Vertreter christlicher Gewerkschaften
an dem Treffen. Tagungsorte sind die Päpstliche Universität Salesianum und die Alte
Synodenaula im Vatikan. Bei der Papstaudienz war auch der bolivianische Präsident
Evo Morales dabei.