Was gab das doch für
einen Aufschrei, als die Sixtinische Kapelle 1994 restauriert wurde! Michelangelos
Deckenfresken kamen Journalisten und Experten in aller Welt verstörend hell vor, bis
heute trauern viele dem feierlichen Halbdämmer aus der Zeit vor der Restaurierung
nach.
„Wie könnte man die wütende Polemik vergessen, die dieses große Unternehmen
begleitete? Heute aber bringt keiner mehr Zweifel vor, und alle erkennen an, dass
das ein in wissenschaftlicher und technischer Hinsicht beispielgebender Eingriff war!“
Das
sagte der Direktor der Vatikanischen Museen, Antonio Paolucci, an diesem Donnerstag
vor der Presse im Vatikan. Um dann hinzuzusetzen:
„Vielleicht war das die
wichtigste und gelungenste Restaurierung des ganzen 20. Jahrhunderts! Aber so läuft
das eben – erst gibt es Protest, Ärger, Widerspruch, und dann bringt die Zeit, die
ein Gentleman ist, die Wahrheit ans Licht.“
Warum der ‚Professore’ an den
alten Streit von damals rührt? Weil er Ähnliches durchführt wie seine Vorgänger vor
zwanzig Jahren. Keine Restaurierung der Fresken, aber eine völlig neue Illuminierung
und ein neues, ausgeklügeltes Belüftungssystem.
„Dieser Oktober 2014 ist
ein Datum, an das man sich erinnern sollte! Die Sixtinische Kapelle hat neuen Atem
und neues Licht. So lautet auch der Titel eines internationalen Kongresses am Monatsende,
der die Arbeiten an der ‚cappella magna’ der katholischen Kirche im Detail vorstellen
wird. Dabei wird auch der derzeitige Erhaltungszustand der Fresken des Michelangelo
genau untersucht werden. 2014 jährt sich der Tod Michelangelos zum 450. Male; wir
hätten dazu eine Ausstellung oder eine Serie von Konferenzen organisieren können,
aber wir wollten lieber etwas Dauerhaftes schaffen, und das ist die Sicherung seiner
Meisterwerke vor Temperaturschwankungen und seine neue, korrekte Beleuchtung.“
„Kein
Spot auf Michelangelo“
Eine amerikanische und eine deutsche Firma kamen
dabei zum Zug: Für’s Klima „Carrier“, für die Lampen „Osram“. Beide haben den Auftrag
als Ehrensache begriffen und kostenlos gearbeitet, wie Paolucci lobt.
„Wir
haben drei Jahre mühsamer Kleinarbeit gebraucht, um ans Ziel zu kommen. Ich hoffe,
dass alle verstehen werden, wie nötig die Arbeiten waren: Die Sixtinische Kapelle
wird jedes Jahr von fast sechs Millionen Menschen besucht, manchmal kommen mehr als
20.000 an einem einzigen Tag! Darum brauchten wir einen radikalen Eingriff, der für
Luftaustausch sorgt und dafür, dass kein Staub auffliegt, dass Temperatur und Feuchtigkeit
stabil bleiben.“
Die Apparatur, die 1994 eingebaut worden war, ist nach
Paoluccis Angaben nur für ein Viertel des heutigen Besucherstroms angelegt gewesen.
„Ähnlich verhält es sich mit der Ausleuchtung. Wir brauchten eine leichte
und dennoch totale Ausleuchtung, die die komplexe ikonographische, stilistische, historische
Wirklichkeit der Sixtina respektiert. Kein Spot auf Michelangelo, sondern etwas, das
einem die Zeit zum ruhigen, objektiven Betrachten aller Details gibt.“
2.500
Quadratmeter Fläche hat Michelangelo in der Renaissancekapelle des Apostolischen Palastes
mit Fresken bedeckt; doch auch andere große Künstler hinterließen hier Fresken. Die
Sixtina sei die „Kapelle der Welt“, ruft Paolucci. Er sei „stolz darauf, dass wir
Michelangelo auf die, wie uns scheint, bestmögliche Weise geehrt haben“.