2014-10-11 11:02:43

Kirchenrechtler: Neue Ansätze für wiederverheiratete Geschiedene


Das Thema wiederverheiratete Geschiedene ist zum Zwischenstand der laufenden außerordentlichen Synode das häufigste, das in der Aula zur Sprache kommt. Das berichtete unser Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord, der als deutscher Pressesprecher der Synode fungiert und sämtliche Wortmeldungen in der Aula mitverfolgt. Vorab galten die wiederverheirateten Geschiedenen, die von den Sakramenten ausgeschlossen sind, als das Luxusthema der Gläubigen in den reichen westlichen Ortskirchen. Doch zahllose Wortmeldungen in der Synode auch aus Lateinamerika, Asien und Afrika widmen sich Hagenkord zufolge diesem Thema, das, wie nun klar wird, ein schmerzlich empfundenes in allen Teilen der katholischen Welt ist.

Pater Markus Graulich in Rom hat neuere Forschungsergebnisse über das Thema zusammengetragen und sie jüngst zu einem Buch gebündelt: „Zwischen Jesu Wort und Norm. Kirchliches Handeln angesichts von Scheidung und Wiederheirat“. Graulich ist Professor für Kirchenrecht sowie Untersekretär im Päpstlichen Rat zur Interpretation von Gesetzestexten, in weltlichen Parallelen gesprochen also etwas wie der Staatssekretär im vatikanischen Justizministerium. In seinem Buch bleibt die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe unangetastet, doch weisen die Aufsätze elf verschiedener Autoren mögliche Auswege aus dem pastoralen Dilemma der in ziviler Zweitehe verheirateten Katholiken. Pater Graulich:

Aus dem Bereich der Moraltheologie gibt es Ansätze zu sagen, man bewertet auch die Beziehungsqualität. Wenn zum Beispiel die Nichtigkeit der ersten Ehe nicht zu erklären ist, die Ehe relativ schnell gescheitert ist und der Mann, die Frau in einer langdauernden Beziehung mit Kindern lebt, zivil verheiratet, dass man diese Beziehungsqualität oder die Authentizität in den Blick nimmt und sagt, das hat auch seine Bedeutung und muss berücksichtigt werden. Es gibt auch unterschiedliche Ansätze von Pastoraltheologie mit Einklang der Ethik, man übt da die Barmherzigkeit nach dem, wie man sich das orthodoxe Modell vorstellt, und lässt sie dann zu. Manchmal hat das den Eindruck der billigen Gnade – kommt doch alle zu mir oder so ähnlich: Ich glaube, das wird den Lebensrealitäten auch nicht gerecht.“

Die orthodoxe Schwesterkirche toleriert bei ihren Gläubigen nach einer gescheiterten Ehe bis zu zwei weitere Ehen mit Bußcharakter. Ein weiterer bemerkenswerter Ansatz zur Wiederzulassung zu den Sakramenten kommt aus der Kirchenrechtswissenschaft. Graulich:

„Ich habe es in meinem Beitrag versucht über das Rechtsinstitut der sogenannten Dissimulatio zu lösen, die im Einzelfall sozusagen von der kirchlichen Norm absieht, ohne sie aber deshalb in Frage zu stellen. Also man würde im Einzelfall sagen, diese konkrete Person darf wieder zu den Sakramenten gehen, ohne dass man diese Lebensweise gutheißt oder sich über diese Beziehung äußert.”

Das Thema, das in der Synodenaula am dritthäufigsten auftaucht (an zweiter Stelle kommt laut Hagenkord die Frage der Polygamie in Afrika zu Sprache), ist das der kirchlichen Verfahren zur Ehenichtigkeit, das mit dem der wiederverheirateten Geschiedenen zusammenhängt. Stellen die Kirchengerichte nämlich fest, dass die erste Ehe nie bestand, dann – und nur dann – steht einer weiteren kirchlichen Ehe nichts im Weg. Viele Sprecher und Sprecherinnen der Synode wünschen raschere und kürzere Ehenichtigkeitsverfahren. Pater Graulich erhebt an diesem Punkt Einspruch. Er urteilte als Richter am Berufungsgericht der römischen Rota in zahlreichen Nichtigkeitsverfahren und bezweifelt, dass ein schnelles Verfahren immer auch ein gerechtes Verfahren ist.

„Wir müssen im Prozess sicherstellen, dass sowohl beide Parteien gehört werden können als auch die Möglichkeit haben Beweise vorzulegen bzw. Zeugen zu benennen. Das dauert einfach seine Zeit. Das Gericht hat nur so und so viel Personal, manchmal sagen Zeugen Termine ab, undsoweiter. Die Dynamik eines Prozesses hängt von vielen Faktoren ab. Die Problematik, die ich sehe, ist dass man die Ausgewogenheit des kirchlichen Prozesses, die ihn bisher kennzeichnete, verliert.”

Die Ausgewogenheit des Ehenichtigkeitsverfahrens ist bisher dadurch sichergestellt, dass man einmal ein Richterkollegium hat, das entscheidet. Es ist mit drei Richtern besetzt. Danach geht jede Causa an die zweite Instanz – was Zeit kostet.

„Ein zweites Gericht schaut unabhängig vom ersten nochmal auf die Akten schaut. Es kann das Urteil bestätigen, aber auch revidieren, und in diesem Fall geht es in die dritte Instanz. Natürlich sind das lange Wege, aber wir müssen auch bedenken, nicht immer ist die Entscheidung in erster Instanz für die Nichtigkeit. Es kann auch passieren, dass das Gericht in erster Instanz sagt, nein, wir finden keine Gründe für die Nichtigkeit. Das Gericht in zweiter Instanz lädt dann neue Zeugen vor und kommt zu einem anderen Urteil, nämlich dass die Ehe nichtig war. Es ist nicht immer zum Nachteil der Parteien, dass die Sache nochmal angeschaut wird von jemanden, der einen ganz neutralen Blick hat und zunächst nur die Akten liest.”

Verschiedentlich kam auch der Vorwurf, es sei nicht zulässig, dass Richter in der zweiten Instanz allein aufgrund der Aktenlage entscheiden.

„Da sage ich aus meiner Erfahrung als Richter, es ist manchmal besser, die Person nicht zu kennen, um ein objektives und wirklich ausgewogenes Urteil zu haben. Denn auch wenn ich in Anhörungen die Personen kennenlerne, können sich Sympathien oder Antipathien entwickeln, die dann unbewusst in mein Urteil eingehen. Wenn man die Akten liest, kommt man oft zu einer objektiveren Einschätzung, als wenn man die Person kennt.“

(rv 11.10.2014 gs)








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