Vatikan: Gegen den „Islamischen Staat“ braucht es interreligiöse Allianzen
Um den Terror des „Islamischen Staates“ (IS) im Nahen Osten einzudämmen, braucht es
Allianzen zwischen Christen und Muslimen. Das hat der Ständige Beobachter des Heiligen
Stuhles bei der UNO in Genf, Erzbischof Silvano Maria Tomasi, bekräftigt. Tomasi nahm
in der vergangenen Woche an einer Krisensitzung im Vatikan zur Lage im Nahen Osten
teil, zu der auch alle Nuntien der Region gekommen waren. Im Interview mit Radio Vatikan
in Rom unterstreicht Tomasi, dass Gewalt im Einsatz gegen die Fundamentalisten das
letzte Mittel bleiben müsse:
„Der Heilige Vater sagt, dass wir uns in die
Richtung bewegen müssen, den Aggressor zu entwaffnen. Um dies zu tun, ist kein Krieg
notwendig, sondern man kann vor allem Sanktionen nutzen, den fundamentalistischen
Gruppen politische Unterstützung entziehen, nicht mit ihnen Handel betreiben und nicht
ihr Erdöl kaufen, was ihnen Geld verschafft, mit dem sie Waffen kaufen können. Vor
allem sollte man den Fluss von Waffen an diese Gruppen blockieren. Ein Gebrauch von
Gewalt gegen den IS darf nicht noch ein größeres Übel als das schaffen, das man beheben
will! Wir müssen mit viel Umsicht und Wachsamkeit vorgehen und nicht den Eindruck
erwecken, es handle sich um einen Krieg, in dem Einzelinteressen verteidigt werden.“
Die
Länder des Westens und die „Länder mit muslimischer Mehrheit“ im Nahen Osten müssten
gemeinsam gegen den Terror vorgehen, so Erzbischof Tomasi. Auf das bestehende Bündnis
gegen den IS unter Führung der USA, das bereits Einsätze gegen die Fundamentalisten
durchgeführt hat, ging er dabei nicht explizit ein. Für die muslimische Welt sei jetzt
der Zeitpunkt gekommen, sich solidarisch zu zeigen mit den verfolgten Minderheiten
und bedrängten Zivilisten in der Region, betonte der Vatikanvertreter:
„Es
ist eine Gelegenheit für sie, zu zeigen, dass aus Sicht der islamischen Tradition
Gewalt nicht durch Religion gerechtfertigt ist und dass es sich bei ihr um Missbrauch
und fundamentalistische Sichtweisen handelt, bei denen es vor allem um Ermächtigung
geht.“
Angesichts des Vormarschs der IS-Milizen auf die Kurdenbastion Kobane
in Nordsyrien hat der UNO-Beauftragte für Syrien, Staffan De Mistura, die internationale
Gemeinschaft zum Handeln aufgerufen. Die kurdische Seite rief derweil um Schutz und
humanitäre Hilfen für die an der Grenze zur Türkei gelegene Stadt mit kurdischer Mehrheit.
Die aktuelle „Destabilisierung ganzer Länder“ und „Produktion“ von Millionen
von Flüchtlingen und Vertriebenen in Syrien und im Irak stellten die internationale
Gemeinschaft vor „neue Fragen“, fuhr Tomasi im Interview mit Radio Vatikan fort. Eine
einfache Lösung gebe es dabei nicht, stellte er klar. Das geopolitische Gefüge in
der Region sei mehr als delikat:
„Der Weg, um Lösungen zu finden, ist sehr
komplex, denn die Art und Weise eines möglichen Eingriffes stößt auf die Komplexität
der politischen Lage: Es gibt Söldner, es gibt regionale Wettkämpfe um die Herrschaft
über die Region, es gibt globale Interessen großer internationaler Mächte, die unmittelbare
Interessen im Nahen Osten haben.“
Wesentlich für die leidende und geflohene
irakische und syrische Bevölkerung sei jetzt vor allem die humanitäre Hilfe, so Tomasi.
Der Winter stehe vor der Tür – darauf müsse man umgehend reagieren.