Der chaldäisch-katholische Erzbischof der nordirakischen Stadt Erbil, Bashar Warda,
wirft der irakischen Regierung vor, den Christen auf der Flucht vor den Milizen des
‚Islamischen Staats’ nicht geholfen zu haben. „Die Regierung in Bagdad hat nichts,
absolut nichts getan, um den 120.000 Christen zu helfen, die vor den Terroristen geflohen
sind“, sagte Warda am Sonntag zum internationalen katholischen Hilfswerk ‚Kirche in
Not’. Warda berichtete weiter, die vertriebenen Christen seien heute noch mehr um
ihre Zukunft besorgt als bei ihrer Ankunft in Erbil vor zwei Monaten.
Die
meisten hätten in seiner Diözese und der Region rund um die Stadt Dohuk Zuflucht gefunden,
nachdem sie im August aus ihren Häusern in Mossul und den Dörfern der Ninive-Ebene
vertrieben worden waren. Als die Milizen des ‚Islamischen Staats’ vorgerückt waren,
hätten sie all ihren Besitz zurücklassen müssen. „Unsere muslimischen Führer haben
es versäumt, die Gewalt, die im Namen des Islam verübt worden ist, uneingeschränkt
zu verurteilen“, kritisierte der Erzbischof. „Das hat dazu geführt, dass alle Christen
aus ihrer uralten biblischen Heimat vertrieben wurden.“ Nachdem es wiederholt dazu
gekommen war, dass langjährige muslimische Nachbarn die Häuser von Christen sofort
nach deren Flucht geplündert hatten, fühlten sich die Christen nun von ihren Landsleuten
„verraten“. Warda wörtlich: „Ein Vertriebener aus Mossul hat mir erzählt, dass sein
Nachbar ihn angerufen und damit geprahlt habe, sein Haus geplündert und die Hälfte
des gestohlenen Besitzes an den 'IS' gespendet zu haben – wie kann man da über eine
Rückkehr nachdenken? Wie soll man mit solchen Menschen noch zusammenleben?“
Es
sei daher immer wahrscheinlicher, dass die vertriebenen Christen den Irak für immer
verlassen wollten. „Die traurige Wahrheit ist, dass die Christen keinerlei Unterstützung
von der irakischen Zentralregierung erhalten haben“, betonte Warda. Das sei insbesondere
bemerkenswert, als die Regierung sonst die erste Stelle gewesen sei, die die Verantwortung
für Flüchtlinge übernommen habe. „Ich klage diese Zentralregierung an, dass sie ihre
Verpflichtungen gegenüber dem Volk nicht erfüllt hat. Denn sie hat für die Flüchtlinge
viel Hilfe von der internationalen Gemeinschaft erhalten. Bei den Christen vor Ort
ist aber davon nichts angekommen“, unterstrich der Erzbischof. Und weiter: „Bagdad
hilft nur vertriebenen Muslimen, aber keinen Christen.“ Die kurdische Regionalregierung
in Erbil habe darüber hinaus von Beginn der Krise an klargestellt, dass sie keine
finanzielle Hilfe anbieten könne, da die Hilfsgelder aus Bagdad seit dem 1. Januar
2014 eingestellt worden seien.