2014-09-27 09:22:12

„Anders als bei den Indianern...“


RealAudioMP3 Zeit und Ewigkeit – darüber sprechen in der italienischen Stadt Bologna seit Freitagabend Glaubende und Nichtglaubende. Der „Vorhof der Völker“, geleitet von Kurienkardinal Gianfranco Ravasi, sucht auf hohem Niveau das Gespräch mit Atheisten, Agnostikern, Nichtglaubenden. Was ist das, Zeit?, fragten wir also den belesenen Kardinal Ravasi.

„Anders als viele andere religiöse Systeme – etwa indianische Denksysteme, die gar nicht die Kategorie Zeit entwickelt haben, sondern nur die Kategorie Ewigkeit – kennt das christliche Denken eine Art Vernetzung zwischen Zeit und Ewigkeit. Gott ist nicht nur in den Himmel seiner Transzendenz gesperrt, er tritt ein in die Geschichte. Und darum ist die Ewigkeit schon bis zu einem gewissen Grad im Innern der Gegenwart anwesend. ‚Das Wort ist Fleisch geworden’: Das Wort, das bei Gott war, das Gott war, ist Fleisch geworden, also Geschichte, Menschsein, Zerbrechlichkeit.“

Zeit und Ewigkeit gehören also zusammen. Und das hat aus christlicher Sicht eine wichtige Folge für unser Gottesbild, so der Kardinal:

„Gott ist nicht weit weg oder abstrakt, der Christ braucht also, um ihn zu erreichen, nicht zu anderen Realitäten aufzubrechen, sondern kann im Innern des Heute leben – hier kommt jetzt die Moral ins Spiel –, weil Gott sich im Heute offenbart. Die Treue zum Heute ist also grundlegend. Und darum legt das Johannesevangelium großen Wert auf die ‚Stunde’: Die ‚Stunde’ Jesu ist der Moment, in dem sich Zeit und Ewigkeit überschneiden. Jeder unserer Momente kann in sich eine Offenbarung Gottes tragen – die gilt es zu erkennen. Auch wenn die große Krankheit unserer heutigen Gesellschaft, die Gleichgültigkeit, die Oberflächlichkeit uns daran hindert.“

Das hört sich, bis hierhin, ziemlich theoretisch an. Konkreter wird`s, wenn man Ravasi darauf anspricht, was sich viele Katholiken und Nichtkatholiken nach Darstellung der Medien von Papst Franziskus und der Kirche wünschen: nämlich einen Bruch mit der Vergangenheit, eine Anpassung der Kirche ans Heute.

„Die Kirche balanciert während ihres historischen Abenteuers immer auf einem schmalen Grat: Auf der einen Seite liegen die ewigen Prinzipien, die natürlich bleiben und bleiben müssen. Es sind übrigens sehr viel weniger, als viele behaupten! Auf der anderen Seite dürfen wir nicht vergessen, dass die Prinzipien um der Menschen willen da sind, und als solche werden sie sozusagen Fleisch und tragen die Last des Täglichen und der Geschichte. Die Kirche muss immer wieder von neuem dafür sorgen, dass diese Prinzipien herabsteigen, manchmal auch entstaubt werden; sie sollen ja Lichter sein, die den Weg der Geschichte hell machen. Darum: Änderungen, Variationen, immer neue Aufmerksamkeit für die Fragen, die sich die Menschheit ununterbrochen auf ihrem Weg durch die Jahrhunderte stellt.“

(rv 27.09.2014 sk)








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