D: „Genauer zwischen Sterbehilfe und Suizid unterscheiden“
Die deutschen katholischen Bischöfe haben bei ihrer Herbst-Vollversammlung in Fulda
erneut ihre Haltung zur Sterbehilfe bekräftigt. Der Vorsitzende der Glaubenskommission
der Deutschen Bischofskonferenz ist Kardinal Karl Lehmann. Er sagte, die Linie der
Bischöfe sei immer schon das Verbot jeder Form organisierter Beihilfe zu Selbsttötung
gewesen. Die Diskussion in der deutschen Gesellschaft sei aber schwieriger geworden.
„Es scheint mir ein eigentümliches Paradox zu sein, dass wir in einer Zeit, wo wir
in dieser Hinsicht helfen können wie noch nie zuvor, uns zugleich so sehr Gedanken
darüber machen, wie wir uns am besten um die Ecke bringen. Da ist ein Widerspruch
da, den man aufarbeiten muss“, so Lehmann.
Wie weit geht Selbstbestimmung? Die
Deutsche Bischofskonferenz habe immer betont, dass sich das auch im Christentum dem
Menschen zukommende Recht auf Selbstbestimmung nicht auf das eigene Leben beziehen
könne, so Lehmann. Die Verfügung über die Existenz als solche sei dem Menschen entzogen.
Nach
Auffassung der Deutschen Bischofskonferenz bedürfen Sterbende der besonderen Fürsorge
und Zuwendung ihrer Mitmenschen. „Wer alt, krank oder hilflos ist, möchte nicht alleingelassen
werden. Vielerorts werden Sterbende umsichtig und mitfühlend betreut, etwa in Familien
und Hospizen“, so Kardinal Lehmann. „Aus Sorge um den Menschen setzen sich Christen
dafür ein, dass das Leben eines jeden Menschen – gerade auch in der Nähe des Todes
– bis zuletzt geschützt wird. Sie glauben daran, dass wir alles, was ist, Gott verdanken.
Gott hat den Menschen als sein Abbild geschaffen und ihm eine unantastbare Würde verliehen.
Diese Würde gründet nicht in seiner Leistung oder in dem Nutzen, den er für andere
hat. Die Würde des Menschen folgt daraus, dass Gott ihn bejaht. Aus dem Wissen um
Gottes Zuwendung und Liebe heraus darf und kann der Mensch auch im Leiden und im Sterben
sein Leben bejahen und seinen Tod aus Gottes Hand annehmen.“
Zur aktuellen
Diskussion um die Sterbehilfe stellte Kardinal Lehmann einen Flyer der Deutschen Bischofskonferenz
vor, der in verständlicher Sprache die Position der Bischofskonferenz zusammenfasst,
Begriffserklärungen enthält und mit einer umfänglichen Linkliste für das Internet
auf weiterführende Informations- und Hilfsangebote verweist.
Sterbehilfe
und Suizid besser unterscheiden
Kardinal Lehmann erinnerte daran, dass
derzeit Fachleute um klare rechtliche Regelungen ringen, die den Umgang mit dem Lebensende,
insbesondere die Frage nach der Hilfe bei der Selbsttötung betreffen: „Die katholische
Kirche spricht sich nachdrücklich gegen alle Formen der aktiven Sterbehilfe und der
Beihilfe zur Selbsttötung aus. Hilfe beim Sterben durch die sogenannte passive Sterbehilfe
- einschließlich der Therapie-Zieländerung - hingegen sind ethisch vertretbar.“ Mit
Blick auf die aktuelle Debatte erinnerte Kardinal Lehmann, dass diese von der weiten
Idee einer Selbstbestimmung zehre, welche die Option, sich unter definierten Voraussetzungen
töten zu lassen, mit umfasse:
„Sterbehilfe und Suizid müssen gewiss genauer
unterschieden werden. Die Sterbehilfe gleicht dem Suizid als eine Art ‚eigener‘ Tod
von fremder Hand. Tötung wird neu legitimiert. Sie ist eine Dienstleistung, die gewissermaßen
im Auftrag des Betroffenen geschieht. Im Grunde erlaubt aber der Staat eine Fremdtötung.
Damit sind auch oft gesellschaftliche Bedingungen impliziert, die erfüllt sein müssen
und immer auch ein Sozialnutzenkalkül enthalten. ‚Autonomie‘ und gesellschaftliches
Werturteil über Leben gehen untrennbar ineinander über.“
Daher sei eine Neubesinnung
auf das Thema notwendig: „Die Diskussionen über ‚aktive Sterbehilfe‘ bzw. ‚assistierten
Suizid‘ gehen von der radikalisierten Forderung nach Selbstbestimmung aus, die als
fundamentale Bestimmung des Menschseins gesehen wird. Wie in anderen Bereichen der
Bioethik ist dies eine ganz grundlegende Frage, ob der Mensch wirklich nach dem Muster
einer absoluten Autonomie verstanden werden kann. Man weist auf diese Grundfigur auch
darum hin, weil unsere pluralistische Gesellschaft eine solche Fülle ethischer, weltanschaulicher
und religiöser Entwürfe biete, dass keine gemeinsame Wertgrundlage brauchbar sei.
Am ehesten sei dies eben noch die genannte Selbstbestimmung.“
Ansätze
zu einer menschenwürdigen Kultur des Sterbens
Demgegenüber ermutigte
Kardinal Lehmann, die im christlichen Glauben vorhandenen, aber oft verschütteten
Zugänge zu einer notwendigerweise neuen Kultur des Sterbens zu nutzen: „Das Christentum
hat eine große Kultur des Sterbens über Jahrhunderte entwickelt. Sie passt nicht mehr
unmittelbar in die moderne Lebenswelt, aber ihre fundamentalen Kräfte sind auch nicht
einfach erledigt. Es liegt auf dieser Linie, wenn wir heute in Auseinandersetzung
mit der Sterbehilfe zwei zentrale Akzente setzen, nämlich die Palliativmedizin und
das Hospizwesen. Beides muss freilich in einem weiteren Rahmen gesehen werden.”
Mit
Blick auf die politische Debatte zum Thema, die aufgrund von Gesetzesvorlagen im Bundestag
zu erwarten sei, hätten die Bischöfe die Sterbehilfe auf die Tagesordnung der Vollversammlung
gesetzt. Das sagte im Anschluss an die Pressekonferenz der Sekretär der Bischofskonferenz,
Pater Hans Langendörfer. Eine Kirche, der es um den Menschen gehe, könne an so einer
Debatte nicht vorbei. Man wolle dabei aber nicht nur Bekanntes wie die übereinstimmende
Haltung der christlichen Kirchen zur Sterbehilfe einfach wiederholen, man wolle werben:
„Das ist eine Mitwirkung an einer gesellschaftlichen Meinungsbildung, in die wir mit
Positionen hinein gehen“, so Langendörfer gegenüber dem Kölner Domradio.