Großbritannien: Schottland-Referendum als Demokratie-Lackmustest
Mehr als vier Millionen
schottische Bürger dürfen am Donnerstag über die Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien
abstimmen. Laut Schätzungen vom späten Dienstagabend liegen die Gegner der Unabhängigkeit
derzeit knapp vor den Befürwortern. Katholiken sind in beiden Lagern zu finden. Radio
Vatikan hat mit dem schottischen Bischof John Keenan von Paisley über die Stimmung
wenige Stunden vor der historischen Abstimmung gesprochen.
„Im Land herrscht
eine hochnervöse Spannung. 90 Prozent der Bevölkerung haben sich für das Referendum
registriert und alle sind sehr nervös. Was immer auch passieren wird, so eine Situation
hat Schottland noch nie gesehen.“
Befürworter und Gegner der Unabhängigkeit
sind laut Beobachtern in denselben politischen Lagern, religiösen Gruppen und sogar
Familien zu finden. Bischof Keenan sieht dies positiv: Beim Referendum vom 18. September
sei jeder Bürger dazu aufgerufen, eine Position zu finden - es sei in gewisser Weise
ein Lackmustest für die Demokratie, was freilich auch mit Risiken verbunden sei.
„In einem bestimmten Sinn ist es positiv, dass das Land sich da aufteilt. Es
zeigt, dass die Menschen nachdenken, dass sie nicht einfach beeinflusst werden von
ihrer Familie und den Freunden, jeder denkt selber nach. Zugleich gibt es auch eine
Unruhe, dass diese Teilung sich zum Negativen wendet – denn wenn jemand eine andere
Position hat, heißt es ja nicht, er sei eine ,schlechte’ Person o.ä. Wir wollen garantieren,
dass die Meinung eines jeden Bürgers dann auch akzeptiert wird.“
„Dankbar
für eine faire und demokratische Debatte in Schottland“
Auch der Erzbischof
von Saint Andrews und Edinburgh hatte die politische Debatte im Vorfeld der Wahl gelobt,
die alle Bürger einbezogen habe: Überall werde diskutiert und debattiert, „zum ersten
Mal seit Generationen“ setzten sich die Schotten ernsthaft mit der Frage auseinander
- mit Leidenschaft und ohne Gewalt, lobte Leo Cushley gegenüber Radio Vatikan. Für
Bischof Keenan hat die beherzte und faire Debatte gezeigt, dass man in London wie
in Edinburgh auf den demokratischen Sinn der Bürger zählen kann:
„Wir können
wirklich dankbar sein in Großbritannien, dass wir nicht nur eine relative, finanzielle
Sicherheit vorweisen können, sondern auch eine soziale Sicherheit und Stabilität.
Es gibt Bürger, die in der Debatte engagiert sind, aber die nie denken würden, dass
Meinungsverschiedenheiten Ursache von Gewalt sein können. Darüber sollten wir dankbar
sein.“