Ukraine: Caritaspräsident über Propaganda und Gegenpropaganda
Durchatmen in der
Ostukraine: Eine Feuerpause ist vereinbart. Sollte sie halten, ist sie dennoch nur
der Beginn vom Ende der politischen Krise zwischen Kiew und Moskau, betonen internationale
Beobachter. Einig sind sich alle darüber, dass ein offener Krieg zwischen Russland
und der Ukraine eine Katstrophe für Europa wäre, die es unbedingt zu verhindern gilt.
Mit der Ukraine beschäftigte sich in diesen Tagen auch der Kongress des katholischen
Osteuropa-Hilfswerks Renovabis, der am Freitag zu Ende ging. Das Schwerpunktland wurde
ausgewählt, lange bevor sich die Krise mit Russland abzeichnete – doch sprachen die
Kongressteilnehmer naturgemäß viel über das Thema der Stunde. Unser Redaktionsleiter
Pater Bernd Hagenkord war in Freising dabei und sprach mit dem Präsidenten der Caritas
Ukraine, Andreij Waskowicz, über die medialen Hintergründe des ausufernden Konflikts
zwischen Russland und der Ukraine, der Hunderttausende in die Flucht schlug.
Herr
Waskowicz, Sie haben gerade in Ihrem Statement die Frage aufgeworfen der verschiedenen
Ebenen von Kommunikation und Propaganda. Vielleicht können Sie das kurz erläutern?
„Wenn
wir uns die Propaganda anschauen, die wir heute in Russland wahrnehmen, betrachte
ich das als eine Entmündigung der Bürger. Nach dieser Berieselung mit Falschinformationen
sehen sie nicht mehr die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Optionen zu wählen. Sie
unterstützen ihre Regierung, weil sie keine Alternativen sehen. Durch diese Beobachtung
verändere ich meine Einstellung zu dem Geschehen im Zweiten Weltkrieg und der Naziherrschaft,
wo man immer wieder von den Mitläufern gesprochen hat, die das Regime aktiv unterstützt
haben. Ich glaube, dass auch damals teilweise dieses Phänomen stattgefunden hat, das
wir heute in Russland beobachten, wo die Menschen durch Propaganda verblendet wurden
und eigentlich keine Entscheidungsmöglichkeiten mehr hatten. Und das ist ein großes
Problem.“
Wie reagiert die Medienlandschaft in der Ukraine darauf?
Mit Gegenpropaganda?
„Das Phänomen der Gegenpropaganda haben wir noch
nicht feststellen können als eine gezielte Gleichschaltung der Medien. Wir sehen,
dass die Ukraine versucht auf diese Art der Propaganda, die ja auch Auswirkung hat
auf die Ostukraine, dadurch zu reagieren, dass man Meinungsvielfalt herstellt.“
Sie
haben auch davon gesprochen, dass die Haltung, mit der Hilfe geleistet wird, die Haltung
der Versöhnung sein muss. Das heißt, etwas, das letztlich auf das Überwinden dieser
Brüche, die da entstehen, hinzielt.
„Es ist gerade durch diese Polarisierung
unheimlich schwierig. Selbst wenn ich mit meinen Mitarbeitern spreche, die in den
Regionen arbeiten, wo die Konflikte bestehen und wo es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen
kommt, wo Gefechte stattfinden - ihnen zu erklären, dass es ganz, ganz wichtig ist,
dass man unvoreingenommen den Menschen hilft, auch den Menschen, die durch diese Propaganda
oftmals verblendet, etwas Falsches getan haben. Dass man versucht, durch diese Hilfe
einen Sinneswandel bei ihnen herbeizuführen. Die Kirche kann dazu beitragen, dass
die Menschen auch aus verschiedenen Religionen, mit verschiedenen politischen Vorstellungen,
aufeinander zugehen und miteinander ins Gespräch kommen. Und dass Vertrauen entsteht
zwischen diesen Menschen - das ist der erste Schritt zur Versöhnung.“