2014-08-26 13:53:50

D: Sterbehilfedebatte im Bundestag - es geht um die Unantastbarkeit der Würde


RealAudioMP3 Der deutsche Bundestag will im Herbst zum Beginn der neuen Legislaturperiode über einen Gesetzesentwurf zur aktiven Sterbehilfe abstimmen. Traditionell besteht bei solchen ethischen Grenzfragen im Bundestag kein Fraktionszwang. Das heißt, alle Abgeordneten dürfen unabhängig von ihrer jeweiligen Parteilinie abstimmen. Der Augsburger Weihbischof, Anton Losinger, sprach sich in einem Interview mit dem Domradio für ein Verbot der aktiven Sterbehilfe aus. Ein Beitrag von Katharina Pfadenhauer.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich festgelegt - sie wünsche eine „sehr restriktive Regelung jedweder Sterbehilfe", das sagte sie den Kieler Nachrichten. Ihr Gesundheitsminister Hermann Gröhe fordert in einem Gesetzentwurf das Verbot jeder aktiven Sterbehilfe. Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger, der unter anderem Mitglied im Deutschen Ethikrat ist, spricht sich in einem Interview mit dem Domradio ebenfalls für eine solche Regelung aus.

„Voll und ganz stehe ich hinter dieser Position. Ich meine auch, dass es mit dem Gesetzentwurf zum Verbot der organisierten, aktiven Sterbehilfe im Bundestag um eine Weichenstellung ganz grundsätzlicher Art geht. Nämlich sozusagen um das Kronsilber einer Demokratie und eines Rechtsstaates, wo die Unantastbarkeit der Würde und des Lebensrechts des Menschen in jeder Lebensphase garantiert sein muss“.

Wenn im September die parlamentarische Sommerpause endet, wird Angela Merkel allerdings nur eine von 631 Abgeordneten sein, die über die aktive Sterbehilfe abstimmen wird. Das neue Gesetz soll aus der Mitte des Bundestages kommen. Aus diesem Grund wird der sogenannte Fraktionszwang aufgehoben. Das bedeutet, dass die Abgeordneten nicht im Sinne einer bereits vorab festgelegten Parteilinie abstimmen müssen, sondern dies frei nach ihren eigenen ethischen Überzeugungen tun können. Im Bundestag gibt es durchaus Gegenpositionen zu jener der Bundeskanzlerin. Die Bundesfraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, beispielsweise befürwortet eine gemeinnützige Sterbehilfe, gerade in Fällen, in denen keinen Ausweg am Horizont erscheint. Haben diese Positionen nicht auch eine Berechtigung?

„Wir haben im Deutschen Ethikrat auch schon einmal gefragt, warum erbitten Menschen für sich aktive Sterbehilfe. Die Antworten waren zwei Angst generierte Phänomene. Nämlich erstens die Angst vor großen Schmerzen und zweitens die Angst vor dem Pflegefall. Gegen beides hätten wir [im Sinne auch der Empfehlungen der Kirche und auch im Sinne des Engagements im Sozialbereich, wie wir es immer wieder leisten,] zwei gute Antworten. Das erste in der Tat die palliativmedizinische Versorgung, Schmerzmedizin, Ausbildung der Ärzte und Förderung dieses Wissenschaftszweiges, um Menschen diese Angst vor Schmerzen zu nehmen. Und das zweite wäre das Hospiz. Damit Menschen in dieser letzten Phase ihres Lebens, die vielleicht auch die wichtigste für sie persönlich sein kann, in einer behüteten, freien Umgebung liebevoll begleitet werden dürfen.“

Gerade die palliativmedizinische Versorgung sei nach Meinung des Augsburger Weihbischofs eine der ganz großen Errungenschaften hinsichtlich des Umgangs mit sterbenden Menschen. Die Gefahr, dass eine palliativmedizinische Versorgung unter Umstänen auch das leid der patienten verlängert werden könne, sei zwar gegeben. Jedoch würde oft übersehen, wie individuell diese Phase, in der das Leben eines Menschen zu Ende geht, ist.

„Dass unter Umständen eine erfolgreiche palliative Medizin, eine Schmerzmedizin, vielleicht sogar eine lebensverlängernde Wirkung haben kann, weil der Schmerzdruck von einem solchen Menschen physiologisch genommen werden kann - das ist in der Tat eine interessante medizinische These, die noch nicht geklärt ist. Unter Umständen ist es aber auch so, dass Schmerzmeditation eine mögliche lebensverkürzende Wirkung auf einen Patienten haben kann. Auch dieses ist im Sinne der Ethik der Kirche erlaubt und richtig.“

Was aus Sicht der Kirche ethisch und moralisch nicht tragbar sei, sei jede Form der kommerziellen Sterbehilfe. „Ein Geschäft mit dem Tod anderer Menschen darf es nicht geben“, so der Augsburger Weihbischof. Und genau darum geht es auch in der nun neu entbrannten Debatte um die Sterbehilfe: Eine Gesetzeslücke, nach der die aktive Sterbehilfe in Deutschland zwar verboten ist, nicht aber ein sogenannter assistierter Suizid. Nach aktuell geltender Rechtslage in Deutschland ist demnach das Töten auf Verlangen zwar verboten, jedoch dürfe ein Arzt oder ein Verwandter einen Sterbewilligen dabei unterstützt, sich selbst zu töten. Diese Regelung habe dazu geführt, dass sich Organisationen darauf spezialisierten, den assistierten Suizid kommerziell anzubieten. Derzeit sieht es so aus, als wären sich die Abgeordneten quer durch die Fraktionen des Bundestages uneinig sind:

„Ich denke, dass es wahrscheinlich wohl mehrere Gruppenanträge geben wird. Ich denke, dass auch eine gewisse innere Betroffenheit von Menschen, die andere Menschen in einer Schmerzsituation sehen, bei manchem der Abgeordneten vorherrschen wird. Ich würde mich einer ganz klaren Empfehlung anschließen, die auch dem entspricht, was die Bundeskanzlerin mit der restriktiven Haltung fordert und was auch der Gröhe-Entwurf beinhalten“.

(domradio 26.08.2014 kp)








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