Mehr als 190.000
Tote sind das erschreckende bisherige Resultat des syrischen Bürgerkriegs. Das hat
eine Datenerhebung im Zeitraum von März 2011 bis Ende April 2014 des UNO-Menschenrechtsrates
ergeben. Viele der Toten seien Kinder. Die Zahl der Todesopfer habe sich verdoppelt,
sagte die UNO-Hochkommissarin Navi Pillay diesen Freitag in Genf. Die Dunkelziffer
sei jedoch um einiges höher, denn viele Todesopfer seien nicht registriert worden.
Pillay spricht von einer „internationalen Lähmung“ gegenüber einer nicht endenwollenden
Krise. In einem Gespräch mit Radio Vatikan erzählt der Apostolischen Nuntius in Damaskus,
Erzbischof Mario Zenari, dass Syrien vom internationalen Radar verschwunden
ist, der Vormarsch der Dschihadisten jedoch präsenter und beunruhigender sei als je
zuvor.
„Leider - Syrien steht nicht mehr in dem Scheinwerferlicht der Medien,
es ist sozusagen verschwunden vom Radar. Es ist nicht mehr Wert darüber zu berichten.
Die Menschen die hier sind – jeder, wirklich jeder von ihnen – sagen: ‚Wir, die hier
sind, wir haben diese Gräueltaten jeden Tag vor unseren Augen. ….und wir sprechen
nicht mehr darüber.‘ Durchschnittlich gibt es täglich 180 Todesfälle in Syrien, eine
Zahl, die uns nicht ruhig schlafen lassen sollte. Und leider ist Syrien vergessen
worden….“
Wie der Spiegel berichtet, verschärft sich die Gewaltherrschaft
der IS-Terroristen im Osten Syriens. Sie versuchten seit Tagen den Militärflughafen
Tabka in der syrischen Provinz Rakka zu besetzen. Sie ließen an verschiedenen Orten
mindestens 18 Menschen öffentlich töten und mehrere Opfer seien an zentralen Plätzen
gekreuzigt worden. Das berichtete auch die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
Die Extremisten hätten ihnen unter anderem vorgeworfen, das Assad-Regime unterstützt
zu haben.
“Die Dschihadisten sind etwa 40 km von Aleppo entfernt. Das beunruhigt
alle, die Christen, aber auch all die anderen, denn Syrien ist hauptsächlich ein islamisches
Land, aber ein moderates islamisches Land und die syrischen Moslems lehnen den Extremismus
ab. Auch die jungen Militanten, die sich den Kämpfern anschließen, tun dies nicht
aus Überzeugungen, sondern weil sie frustriert sind, dass die Ideale der Demokratie
und der Freiheit nicht realisiert werden können und die Situation zur Einbahnstraße
wird… Also gehen sie zu den Dschihadisten, weil die ihnen effizienter erscheinen und
sie oft eine wirtschaftliche Unterstützung erhalten.“
Für Zenari ist der
Vormarsch und die Verbreitung des islamischen Fundamentalismus nur deswegen möglich,
weil Syrien und der Irak verzweifelt genug sind, um sich darauf einzulassen. Die Krise
sei am Höhepunkt angekommen und somit ein Nährboden für Radikalismus.
„Fehlende
Lösungen, der anhaltende Konflikt – das nährt den extremistischen Boden. Es gibt
auch viele Europäer, die dieser Utopie eine utopische Gesellschaft aufzubauen, folgen,
weil die Reformversuche, die Staaten demokratischer und liberaler zu gestalten,
gescheitert sind. Und dann kommt es zu diesen Utopien. Täglich verlassen Christen
das Land.“
Die Patriarchen und die Bischöfe versuchen die Gläubigen zu
ermutigen, im Land zu bleiben, aber unter bestimmten Bedingungen gebe es eben keine
Möglichkeit dort zu bleiben, so der Nuntius. Vor allem, wenn es um das Leben und die
eigene Zukunft geht, sagt Zenari. Und hier seien es nicht nur die Christen, sondern
alle Menschen, die keine Arbeit mehr finden, ihr Haus verloren haben und sich unter
dem Bombenregen wiedergefunden haben – all diese Menschen müssen flüchten. Aktuell
ist Syrien im Zusammenhang mit Amerika und Israel in die Schlagzeilen geraten: Einerseits
erwägt nun die US-Regierung ihren Kampf gegen die IS-Miliz zu intensivieren und plant
laut Nachrichtenmeldungen neben dem Irak auch Luftschläge in Syrien. Andererseits
sind nach Angaben des israelischen Militärs auf den von Israel besetzten Golanhöhen
mehrere aus Syrien abgefeuerte Raketen eingeschlagen. Mindestens fünf Geschosse seien
an verschiedenen Orten der Golanhöhen niedergegangen, teilte die Armee mit. Diese
neuen Angriffe nährten die Sorge vor einer Ausweitung des Gaza-Konflikts. (rv
24.08.2014 no)