Papst hofft auf mehr diplomatische Beziehungen mit Asien
Dialog war das Stichwort
der Papstrede vor Bischöfen Asiens am Sonntag im südkoreanischen Haemi, 150 Kilometer
südwestlich von Seoul. Franziskus gab bei der Gelegenheit seiner Hoffnung Ausdruck,
dass sich Länder ohne Botschafteraustausch mit dem Heiligen Stuhl - wie zum Beispiel
Vietnam oder China - einem Dialog öffnen würden. Die Namen einzelner Länder nannte
der Papst jedoch nicht; die Papstworte waren vielmehr eine offene Einladung.
Es
waren wohl, politisch gesehen, die bisher klarsten Worte, die Franziskus auf seiner
ersten Reise nach Asien fand: Vor rund 70 Bischöfen des Kontinentes appellierte der
Papst am Heiligtum von Haemi am Sonntag an asiatische Länder ohne diplomatische Beziehungen
zum Heiligen Stuhl. Darunter fallen etwa China und Vietnam. Auch zum Nordteil Koreas
besteht kein diplomatischer Kontakt.
„Wie der heilige Johannes Paul II.
zu Recht erkannte, gründet unsere Verpflichtung zum Dialog schon in der Logik der
Inkarnation: In Jesus ist Gott selbst einer von uns geworden, hat das Leben mit uns
geteilt und in unserer Sprache zu uns gesprochen (vgl. Ecclesia in Asia, 29). In diesem
Geist der Offenheit anderen gegenüber hoffe ich ernstlich, dass jene Länder eures
Kontinents, mit denen der Heilige Stuhl noch keine vollständigen Beziehungen unterhält,
nicht zögern, einen Dialog zum Wohl aller voranzutreiben.“
„Echter Dialog“
müsse menschliche Offenheit zur Grundlage haben, führte Franziskus aus. Das Wissen
um die eigene, christliche Identität müsse dabei von „Einfühlungsvermögen“ und einem
„Geist der Offenheit“ dem anderen gegenüber begleitet sein, erinnerte er.
„Diese
Fähigkeit zur Einfühlung ermöglicht einen wahren menschlichen Dialog, in dem Worte,
Ideen und Fragen aus einer Erfahrung von Brüderlichkeit und gemeinsam erlebter Menschlichkeit
hervorgehen. Sie führt zu einer echten Begegnung, in der man von Herz zu Herz spricht.
Wir werden durch die Weisheit der anderen bereichert und öffnen uns, um gemeinsam
den Weg zu größerem Verständnis, mehr Freundschaft und Solidarität zu gehen.“
Dialog
sei „ein wesentlicher Bestandteil der kirchlichen Sendung“ in Asien, betonte Franziskus,
der sich hier auf das Apostolische Schreiben Papst Johannes Paul II. „Ecclesia in
Asia“ (vgl. Ecclesia in Asia, 29) bezog. Und Worte Papst Benedikt XVI. aufgreifend
betonte er, die Kirche wachse nicht durch Proselytismus, sondern weil sie Menschen
anziehe. Auf dem asiatischen Kontinent sei bei Verkündigung der Frohen Botschaft ein
besonderes Geschick vonnöten:
„In diesem weiten Kontinent, in dem eine große
Vielfalt an Kulturen beheimatet ist, ist die Kirche gerufen, in ihrem Zeugnis für
das Evangelium beweglich und kreativ zu sein durch Dialog und Offenheit allen gegenüber.“
Das
Bewusstsein für die eigene religiöse Identität sei wesentlich, um Ziel und Sendung
des christlichen Auftrages im kulturell vielfältigen Asien nicht aus den Augen zu
verlieren, unterstrich der Papst vor Kirchenvertretern aus allen Teilen des Kontinentes:
„Wenn wir frei, offen und fruchtbringend mit anderen zu reden haben, müssen
wir uns klar sein, wer wir sind, was Gott für uns getan hat und was er von uns verlangt.
Und wenn unsere Kommunikation kein Monolog sein soll, müssen Geist und Herz sich öffnen,
um Einzelne und Kulturen anzunehmen.“
Weitere Herausforderungen in diesem
Dialog „mit Geist und Herz“ liegen für den Papst in der Gesellschaft selbst: Ein „trügerischer“
Relativismus bringe feste Bezüge ins Wanken und stürze Menschen in „Verwirrung und
Verzweiflung“:
„Es ist eine Versuchung, die heutzutage auch christliche
Gemeinschaften befällt und die Menschen vergessen lässt, dass es in einer Welt schneller
und desorientierender Veränderungen ,viel Unwandelbares‘ gibt, das ,seinen letzten
Grund in Christus hat, der derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit‘ (Gaudium et
spes, 10; vgl. Hebr 13,8). Ich spreche hier nicht bloß vom Relativismus als einer
Denkweise, sondern von jenem alltäglichen praktischen Relativismus, der fast unmerklich
unser Identitätsgefühl untergräbt.“
Auch Kirchenvertreter seien vor der
allgemeinen „Oberflächlichkeit“ nicht gefeit, die in der schnelllebigen Gesellschaft
um sich greife. Angesichts einer Kultur der scheinbar unzähligen Möglichkeiten werde
das wirklich Wichtige oftmals vergessen, so Franziskus, der hier ein Beispiel nannte:
„Für
die Diener der Kirche kann sich das auch bemerkbar machen in einem Entzücken über
Pastoralprogramme und -theorien auf Kosten einer direkten, fruchtbaren Begegnung mit
unseren Gläubigen, besonders mit den Jugendlichen, die eine solide Katechese und eine
gesunde geistliche Führung brauchen. Ohne eine Verankerung in Christus können die
Wahrheiten, aufgrund derer wir unser Leben gestalten, allmählich dahinschwinden, die
Übung der Tugenden in der Form erstarren, und der Dialog kann zu einer Art Verhandlung
herabgesetzt oder auf eine Einigung über die Uneinigkeit reduziert werden.“
Weiter
ermahnte Franziskus die Bischöfe, sich nicht „hinter leichten Antworten, vorgebildeten
Formeln, Regeln und Vorschriften zu verstecken“. Der Glaube sei von Natur aus nicht
„mit sich selbst beschäftigt“; er müsse in die Welt hinausgetragen werden, Verständnis
suchen und das Leben prägen, so Franziskus. Glaubensstärke und Einfachheit seien hier
Kennzeichen des Christseins. Der Papst forderte hier seine Zuhörer zur Gewissenserforschung
auf:
„Leuchtet die christliche Identität eurer Teilkirchen in euren Programmen
für Katechese und Jugendpastoral auf, in eurem Dienst an den Armen und an denen, die
am Rande unserer Wohlstandsgesellschaften dahinvegetieren, wie auch in euren Bemühungen,
Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben zu wecken?“
Ausgehend vom
Ort der Festung von Haemi, wo im 19. Jahrhundert zahlreiche Christen gefangengehalten
und getötet worden waren, erinnerte der Papst an die vielen „Märtyrer ohne Namen“,
die er als „Heilige ohne Namen“ bezeichnete. Die Kirche tue gut daran, sich an diese
einfachen und mutigen Glaubenszeugen zu erinnern, so Franziskus.
Asien
„zentral“ für die Zukunft der Kirche Kardinal Oswald Gracias, Vorsitzender
der Föderation Asiatischer Bischofskonferenzen, nannte Asien in seinem Grußwort „zentral
für die Zukunft der Welt und für die Zukunft der Kirche“. 60 Prozent der Weltbevölkerung
lebten in Asien; der Kontinent sei ein demografisch jung. Zwar seien Asiaten „religiös
von Natur aus“, mittlerweile griffen aber auch Säkularismus und materielles Denken
Raum, erodierten traditionelle Familienwerte und verbreite sich Individualismus, so
der indische Kardinal.