Hintergrund: Die Rolle der Märtyrer für die Identität
Papst Franziskus
hat an diesem Samstag 124 Koreanerinnen und Koreaner selig gesprochen, alle Märtyrer
während der vielen Verfolgungen in den 200 Jahren des Bestehens der Kirche im Land,
darunter die ersten, die überhaupt das Martyrium erlitten. Diese Märtyrer haben eine
ganz besondere Rolle für die Identität der Christen dort, wie unser Korrespondent
Pater Bernd Hagenkord berichtet.
Es sind Gelehrte und Töpfer, Beamte und
Katecheten, Menschen aus der Ober- und aus der Unterschicht, Bürgermeister und Ärzte,
Zölibatäre und Witwen, und auch ein Priester ist dabei: Offiziell heißen sie „Paul
Yun Ji-chung und 123 Gefährten“, aber es sind 124 Einzelschicksale, die etwas notdürftig
in eine Zahl zusammen gefasst sind.
„Vor 230 Jahren wurden sie als nationale
Verführer verhaftet und enthauptet. Und jetzt werden sie im Zentrum der Hauptstadt
Seoul verehrt. Das ist ein Wunder.“ So sieht es Jesuitenpater Joseph Kim Jong-hae,
Studentenpfarrer an der Universität des Jesuitenordens in Seoul, Songang, der Universität,
die auch Papst Franziskus am Freitagabend besucht hat. „Sahak“ sei die Religion, bösartig
und lasterhaft, das gesellschaftliche System zerstörend, so hieß es vor 200 Jahren
im streng konfuzianischen Korea.
Heute äußere sich die Verehrung für diese
Märtyrer vor allem in Engagement, dem sich Einbringen als Gläubige in gesellschaftliche
Konflikte, in der Vergangenheit in die Demokratisierung des Landes und heute in andere
Konflikte, sagt der Seelsorger. Auch für die junge Generation von Studenten, die etwa
die Militärdiktatur nur aus Erzählungen kennen, sei das die Form des Christseins:
Engagement in schwierigen Situationen. Damals waren es kreative Gläubige, die die
Religion erst in die eigene Kultur übersetzen mussten.
Rütteln am
historischen Mythos Pater Joseph rüttelt aber an dem historischen Mythos,
das es eine selbstgegründete Kirche sei, allein durch das Interesse von gelehrten
Laien entstanden.
„Die Jesuiten, die in China gearbeitet haben, hatten
großen Einfluss auf die Leute, die die katholische Kirche über Bücher kennen gelernt
haben und deswegen nach China gekommen sind. Auch wenn die Missionare nicht persönlich
gekommen sind, war doch der Einfluss der Missionare in Ostasien sehr groß.“
Das
gelte für Japan und für China, und deswegen auch für den Einfluss auf Korea, so Pater
Joseph. Schon vor der ersten Taufe eines Koreaners 1784 habe es Kontakte mit der Kirche
in Japan gegeben, Dokumente darüber gebe es in den Vatikanischen Museen, die müssten
aber noch erforscht werden.
Das nimmt aber nichts weg von der Tatsache,
dass die ersten Christen Jahrzehnte lang ohne Priester, das heißt auch ohne Struktur
überlebt haben, verfolgt in die Berge zurück gezogen.
„Wenn man die Kirche
als hierarchisches System denkt, dann war das noch keine Kirche. Aber wenn man sagt,
Kirche ist eine Gruppe, in der Glaube bekannt und Gott gemeinsam verehret wird, dann
war es schon eine Kirche.“
Mit Namen genannt wird Paul Yun Ji-chung,
weil er der erste war, der adlige Gelehrte wurde 1791 getötet. Danach gab es immer
wieder Verfolgungswellen gegen die kleine Kirche, besonders grausam 1802, 1840 und
1868. Aus jeder dieser Wellen sind viele Märtyrer nun Selige der Kirche. Und wie Papst
Franziskus am Freitag beim Treffen mit Jugendlichen angekündigt hat: Die nächsten,
kambodschanischen Märtyrer dürften bald folgen.
Aus Seoul, Pater Bernd Hagenkord
für Radio Vatikan.