Die Predigt zum Hochfest Mariä Aufnahme in den Himmel
Die Predigt des Papstes in der Heiligen Messe zum Hochfest Mariä Aufnahme in den
Himmel, gehalten im südkoreanischen Daejeon im Fußballstadion „World Cup Stadion“
am 15. August 2014. Es handelt sich um eine offizielle deutsche Übersetzung.
Liebe
Brüder und Schwestern in Christus,
in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche feiern
wir die Aufnahme der Gottesmutter mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels.
Die Himmelfahrt Marias zeigt uns unsere eigene Bestimmung als Adoptivkinder Gottes
und Glieder des Leibes Christi. Wie Maria, unsere Mutter, sind wir berufen, vollkommen
an dem Sieg des Herrn über Sünde und Tod teilzuhaben und mit ihm in seinem ewigen
Königreich zu herrschen.
Das „große Zeichen“, das uns in der heutigen ersten
Lesung vor Augen geführt wird – eine Frau, mit der Sonne bekleidet und mit Sternen
gekrönt (vgl. Offb 12,1) – lädt uns ein, Maria zu betrachten, wie sie in Herrlichkeit
neben ihrem göttlichen Sohn thront. Es lädt uns auch ein, die Zukunft zu erkennen,
die der auferstandene Herr gerade jetzt vor uns auftut. Die Koreaner feiern dieses
Fest traditionell im Licht ihrer historischen Erfahrung, indem sie in der Geschichte
ihrer Nation und im Leben ihres Volkes die liebevolle Fürsprache der Jungfrau Maria
sehen.
In der zweiten Lesung von heute hörten wir, wie der heilige Paulus
uns sagt, dass Christus der neue Adam ist, dessen Gehorsam gegenüber dem Willen des
Vaters das Reich der Sünde und der Knechtschaft umgestürzt und das Reich des Lebens
und der Freiheit errichtet hat (vgl. 1 Kor 15,24-25). Wahre Freiheit finden
wir, wenn wir den Willen des Vaters liebevoll annehmen. Von Maria, die von Gnade erfüllt
ist, lernen wir, dass christliche Freiheit mehr ist als die Befreiung von der Sünde.
Es ist die Freiheit zu einer neuen, geistlichen Weise, die irdischen Wirklichkeiten
zu sehen. Es ist die Freiheit, Gott und unsere Brüder und Schwestern mit reinem Herzen
zu lieben und ein Leben in freudiger Hoffnung auf das Kommen des Reiches Christi zu
leben.
Heute wenden wir uns bei der Verehrung Marias, der Himmelskönigin, an
sie auch als Mutter der Kirche in Korea. Wir bitten sie uns zu helfen, der königlichen
Freiheit, die wir am Tag unserer Taufe empfingen, treu zu sein, unsere Bemühungen
zu leiten, die Welt im Einklang mit Gottes Plan zu verwandeln, und die Kirche in diesem
Land zu befähigen, immer vollkommener Sauerteig seines Reiches inmitten der koreanischen
Gesellschaft zu sein. Mögen die Christen dieser Nation eine großherzige Kraft für
die geistige Erneuerung in allen Gesellschaftsschichten sein. Mögen sie die Verlockung
eines Materialismus, der echte geistige und kulturelle Werte erstickt, und den Geist
des uneingeschränkten Wettbewerbs, der Egoismus und Unfrieden erzeugt, bekämpfen.
Mögen sie auch unmenschliche Wirtschaftsmodelle, die neue Formen von Armut schaffen
und Arbeiter an den Rand drängen, sowie die Kultur des Todes verwerfen, die das Bild
Gottes, des Gottes des Lebens, entstellt und die Würde jedes Menschen – ob Mann, Frau
oder Kind – verletzt.
Als koreanische Katholiken, Erben einer edlen Tradition,
seid ihr berufen, diese Erbschaft zu pflegen und sie an die kommenden Generationen
weiterzugeben. Das erfordert von jedem eine erneute Umkehr zum Wort Gottes und eine
leidenschaftliche Sorge für die Armen, die Notleidenden und die Schutzlosen in unserer
Gesellschaft.
In der Feier dieses Festes verbinden wir uns mit der Kirche auf
der ganzen Welt im Blick auf Maria als unsere Mutter der Hoffnung. Ihr Lobgesang erinnert
uns daran, dass Gott die Verheißungen seines Erbarmens niemals vergisst (vgl. Lk
1,54-55). Maria ist diejenige, die Segen empfängt, weil sie „geglaubt hat, dass sich
erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). In ihr haben sich alle Verheißungen
Gottes als vertrauenswürdig erwiesen. In der Herrlichkeit thronend, zeigt sie uns,
dass unsere Hoffnung verlässlich ist; auch jetzt reicht sie als „sicherer und fester
Anker der Seele“ (Hebr 6,19) dorthin, wo Jesus in der Herrlichkeit wohnt.
Diese
Hoffnung, liebe Brüder und Schwestern, die Hoffnung, die aus dem Evangelium hervorgeht,
ist das Gegenmittel gegen den Geist der Hoffnungslosigkeit, der wie ein Krebs zu wuchern
scheint in Gesellschaften, die äußerlich wohlhabend sind, aber oft innere Traurigkeit
und Leere erfahren. Von wie vielen unserer Jugendlichen hat diese Hoffnungslosigkeit
ihren Tribut gefordert! Mögen sie, die jungen Menschen, die uns in diesen Tagen mit
ihrer Freude und ihrem Vertrauen umgeben, niemals ihrer Hoffnung beraubt werden!
Wenden
wir uns an die Jungfrau Maria und erflehen wir von ihr die Gnade, uns der Freiheit
der Kinder Gottes zu erfreuen, diese Freiheit im Dienst für unsere Brüder und Schwestern
sinnvoll zu nutzen und zu leben und zu arbeiten als Träger der Hoffnung, die ihre
Erfüllung in jenem ewigen Reich finden wird, wo herrschen bedeutet zu dienen. Amen.