2014-08-15 08:24:19

Das Fährunglück vom 16. April 2014: Eine nationale Katastrophe


RealAudioMP3 Kaum ein Ereignis wühlt die Gesellschaft und Politik Koreas derzeit so auf wie die Tragödie des Fährschiffs Sewol vom 16. April dieses Jahres. 292, nach anderen Zählungen 302 Menschen kamen ums Leben oder werden vermisst, die meisten von ihnen Kinder auf einem Ausflug. Papst Franziskus hat an diesem Freitag vor der Messe eine Gruppe von Vertretern der Familien der Opfer empfangen und das Holzkreuz gesegnet, mit denen sie im Land auf Mahn-Pilgerschaft sind. Nach der Messe griff er das Desaster im Angelus-Gebet auf und sprach den Angehörigen seinen Beistand aus.

Es ist schwer von außen zu ermessen, wie tief der Schock über die Tragödie und die anschließende Aufdeckung von Korruption und Versagen in der Gesellschaft sitzt, berichtet unser Korrespondent Pater Bernd Hagenkord aus Korea.

Die Geschichte ist gruselig: Vor der Küste Südkoreas, im Südwesten, war das Schiff Mitte April erst in Schieflache geraten und dann gekentert. Andere Schiffe waren wegen des schlechten Wetters gar nicht erst ausgelaufen. Der Kapitän Lee Joon-seok und seine Besatzung hatten das Schiff verlassen, noch bevor alle Menschen gerettet waren. Den Kindern an Bord war gesagt worden, in den Kabinen zu bleiben, aus denen sie dann nachdem das Schiff kenterte nicht mehr entkommen konnten. Nach dem Unglück waren Marine und andere Rettungskräfte schnell am Ort, aber ohne den Befehl etwas zu tun. Und so taten sie zu wenig, um mehr Menschen zu retten. Nach dem Unglück kamen Bestechungen an den Tag, Politiker und Beamte hatten sich bezahlen lassen, um die notwendigen und teuren Sicherheitschecks zu umgehen.

Auch nicht direkt beteiligten Menschen ist der Zorn über die gesamte Tragödie anzumerken. Niemanden lässt es kalt. „Das ist nicht einfach ein Unfall, das ist ein gesellschaftlicher, ein System- Unfall.“ Pater Thomas Lee Kyou-song ist Dekan der Graduate School of Theology an der katholischen Sogang Universität in Seoul.

„Das war nicht einfach ein Unfall, er ist wegen der Korruption im politischem System, um wirtschaftlichen System und innerhalb der Beamtenschaft geschehen.“

Das Parlament versprach schnell einen Untersuchungsausschuss per Spezialgesetz einzusetzen, 3,5 Millionen Unterschriften aus dem Volk forderten auch genau dies. Aber bis heute ist nichts geschehen, die Parteien blockieren sich über technische Details, vor allem die Regierungspartei stemme sich gegen das Gesetz und den Ausschuss. Dagegen protestieren die Familien der Opfer in einem Hungerstreik, auch auf dem Platz, auf dem der Papst am Samstag die Messe feiern wird. Erst am Montag hatte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Peter Kang U-il - in dessen Bistumsgebiet im Südwesten das Unglück auch geschehen ist - betont, dass die Kirche selbstverständlich nicht die Räumung der Zelte und der Hungerstreikenden für die Papstmesse wolle, die Menschen seien eingeladen, mit dem Papst die Messe zu feiern.
Der Schock sei auch deswegen so groß, weil man jetzt sehe, welchen Preis der wirtschaftliche Aufschwung Koreas in den letzten Jahren und Jahrzehnten fordere, so Pater Lee.

„Wenn die Gesetze kompliziert sind, wollen die Firmen nicht investieren. Deswegen sollen die Gesetze einfach gemacht werden oder die Bestimmungen vereinfacht werden, damit die Firmen besser und mehr investieren können. Das ist das Ziel.“

Deswegen brauche es zwei Dinge, die sich gegenseitig bedingen, so Pater Lee: Trost für die Eltern und Angehörigen und Gesetze, die aufklären und die Korruption bekämpfen. Die hungerstreikenden Eltern wollten keine Entschädigung, sie wollten genau das: Das Sondergesetzt um dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder geschehe. Sie wollten ein Bewusstsein für die Gefahren von Korruption und ihre Folgen schaffen. Aber die Politik sperre sich, so Pater Lee Kyou-song. „Wir wollen wach werden, aber die Politiker wollen unsere Augen irgendwohin ablenken. Das glaube ich.“

Weitere Hintergründe:
Nach dem Unglück versprach die Präsidentin Park Geun-hye eine harte Bestrafung, als ob das eine politische und keine juristische Angelegenheit sei. Der Premierminister reichte seinen Rücktritt ein, der auch angenommen wurde, aber weil es keinen Nachfolger gibt amtiert er bis heute. In diesen Tagen findet ein Gedenkmarsch quer durch das Land statt. Yu Gyeong-geun, ein Sprecher der Familien, betont in Zeitungen in diesen Tagen immer wieder, wie sehr sie sich von der Politik verraten fühlen, keines der vollmundigen Versprechen sei gehalten worden.

Die Besitzerfamilie der Firma des Schiffs ist ebenfalls ins Zwielicht geraten, der Patron Yoo Byung-un - gleichzeitig Chef einer sich als christlich bezeichnenden Sekte - wurde steckbrieflich gesucht, bis man seine Leiche Monate nach seinem Tod fand. Erst vorgestern wurde auch sein Sohn verhaftet.

(rv 15.08.2014 ord)







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