Die nun seit drei
Tagen eingehaltene Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas scheint zu halten. Jedoch
hat der Gaza-Krieg in der Bevölkerung viele neue Wunden hinterlassen. In einem Interview
mit Kathpress äußerte sich der Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem,
Markus Stephan Bugnayr, über die aktuelle Lage, Friedensperspektiven und Möglichkeiten
zur Hilfe.
Nach vier Wochen Gaza-Krieg und etlichen nicht eingehaltenen Waffenruhen
deuten Hinweise darauf, dass sich die aktuellen Auseinandersetzungen einem Ende annähern
könnten. Aufforderungen an die Menschen in Gaza, wieder in ihre Häuser zurückzukehren,
Aufhebungen von Straßensperren sowie ein Rückgang der Raketenabschüsse sprechen derzeit
für eine Entspannung der Lage. Dennoch: Die seit Dienstagmorgen geltende dreitägige
Waffenruhe auf Basis ägyptischer Vermittlungen erlaube bestenfalls eine Verschnaufspause,
keineswegs mache sie aber die Opfer des Krieges vergessen. Das betonte der Rektor
des Österreichischen Hospizes in Jerusalem, Markus Stephan Bugnayr.
„Ein
Waffenstillstand kann im besten Fall für den Moment dafür sorgen, dass die Menschen
wieder zur Normalität des Alltags ihres Lebens zurückkehren. Aber ein Waffenstillstand
wird nicht dabei helfen, vergessen zu machen, dass es 1800 Tote gab auf Palästinensischer
Seite, 7000 Verletzte, wenn man den Zahlen wirklich glauben darf“.
Auch
Jerusalem habe sich inzwischen in ein Pulverfass verwandelt, dass jederzeit explodieren
könne. Obwohl die Bewohner nicht direkt betroffen seien, beobachtet Bugnayr, dass
die Stimmung dort extrem angespannt ist. Die Bilder und Schreckensnachrichten aus
dem Gazastreifen würden für große Emotionalisierung sorgen, welche auch in Jerusalem
jeden Moment in Aggression und Gewalt umschlagen könne.
„Was sich hier
im restlichen Land, auch in arabischen gemeinden wie in Galiläa im Norden des Landes,
und vor allem auch in West- und Ostjerusalem, was sich hier gerade aufstaut an Frustration,
das schreit in gewisser Weise nach Entladung“.
„Ich weiß von Palästinensern,
die zur zeit Angst haben, die Straß0enbahn zu benützen, weil es vorkam, dass man palästinensische
Jugendliche verdroschen hat“.
Das Aufbrechen dieser Gewaltspirale sei dringend
nötig. Jedoch würde die allgemein sehr angespannten Lage zusätzlich durch eine gewisse
mediale Kriegsführung angeheizt, wobei sich laut Bugnayr beide Seiten kaum etwas schuldig
geblieben seien. Denn neben dem militärischen Kampf habe es auch einen Kampf auf medialer
Ebene gegeben, der nach wie vor ausgetragen werde.
„Wir hatten sehr, sehr
viele Bilder aus dem Gazastreifen, die offensichtlich gefälscht waren, um Emotionen
zu schüren. Die Saat für neuen Hass ist gesät“.
Bugnayr zufolge würde Israel
gut daran tun, den Einsatz im Gazastreifen zu beenden. Denn auch wenn die Zahl von
60 getöteten israelischen Soldaten keineswegs in Relation zu den Opfern auf palästinensischer
Seite stehe, sei dies für die israelische Gesellschaft ein schwerer Schock und die
israelische Regierung bliebe der Bevölkerung zunehmend Antworten auf viele offene
Fragen schuldig:
„Waren die Sicherheitsdienste nicht ausreichend vorbereitet,
ist der Einsatz aus dem Ruder gelaufen, war es wirklich notwendig, so viele Zivilisten
ums Leben kommen zu sehen. War das wirklich alles notwendig. Also es regt sich schon
auch Protest, es regt sich Kritik, es regt sich Widerstand.“
Sowohl auf
israelischer wie auf palästinensischer Seite habe es in letzter Zeit vermehrt Friedenskundgebungen
gegeben, was jedoch aufgrund der allgemeinen Panik und Hysterie der vergangenen Wochen
völlig untergegangen sei.
Im Gazastreifen fehle es unterdessen selbst am Grundlegendsten
und jeder noch so kleine Handgriff könne helfen, betont Bugnayr. Für die Kriegsbetroffenen
vor Ort leiste unter anderem die katholische Gemeinde im Gazastreifen, die dort Schulen
und einen Kindergarten für muslimische und christliche Kinder betreibt, viel an Ersthilfe.
Sie habe ihre Schulen und den Kindergarten für Flüchtlinge als Unterkunft geöffnet,
versorge diese und biete auch medizinische Versorgung an. Da viele Trinkwasserstrukturen
nicht mehr funktionieren und auch sauberes Leitungswasser fehlt, beteiligt sich die
katholische Gemeinde auch an einer Aktion, bei der Wasserflaschen im Westjordanland
gekauft und mit UN-Containern in den Gazastreifen gebracht werden.
„Wir
haben eine sehr offensichtliche Möglichkeit zu helfen innerhalb dieser Gemeinde, die
durch einen österreichischen Priester gegründet wurde. Und wenn wir unsere Kräfte
bündeln wollen, dann ist das, denke ich, die sinnvollste Möglichkeit“.