2014-07-30 12:45:09

D: Breites Bündnis gegen Antisemitismus


RealAudioMP3 Jüdische Gläubige und Einrichtungen in der Bundesrepublik sehen sich immer stärker mit antisemitischer Gewalt konfrontiert. In Wuppertal wurde eine Synagoge mit Brandsätzen beworfen, in Frankfurt drohte ein Unbekannter mit der Ermordung von Juden. Nach dem versuchten Brandanschlag auf die Wuppertaler Synagoge haben am frühen Dienstagabend nach Angaben der Polizei mehrere hundert Menschen an einer friedlichen Solidaritäts-Kundgebung vor dem jüdischen Gotteshaus teilgenommen. Der Kirchenkreis Wuppertal äußerte sich „entsetzt über den Brandanschlag und die Schändung der Synagoge“. Die Angst vor Anschlägen werde immer größer und man müsse über einen besseren Schutz nachdenken, erklärte der Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal, Leonid Goldberg, am Rande der Solidaritätskundgebung.
Graumann: „Das macht uns alle fassungslos“
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, verurteilte den Brandanschlag. „Die Nachricht über den Anschlag auf die Wuppertaler Synagoge macht uns alle fassungslos“, sagte Graumann der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ in der Mittwochsausgabe.

Bundestagsvizepräsident Peter Hintze sprach in Berlin von einem „absoluten moralischen Tiefpunkt“. Der Brandanschlag sei „ein feiger und bösartiger Angriff auf das friedliche Zusammenleben“. Es sei ein Gründungsgedanke der Bundesrepublik, dass nie wieder Synagogen brennen dürfen. „Die Wachsamkeit aller Bürger ist gefordert um jeden Funken des Extremismus sofort zu löschen“, so Hintze.

Die frühere Zentralrats-Präsidentin Charlotte Knobloch sagte, falls die Synagoge in Wuppertal nicht ausreichend geschützt gewesen sei, wäre dies sehr bedenklich. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern forderte die Bundesländer auf, die Sicherheitsmaßnahmen auf das höchste Niveau hochzuschrauben.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat den Brandanschlag auf die Wuppertaler Synagoge scharf verurteilt. „Wer Gotteshäuser angreift, ob Synagogen, Kirchen oder Moscheen, führt Krieg gegen unseren Rechtsstaat, gegen Deutschland und gegen alle Religionen“, sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ in der Mittwochsausgabe. Die Muslime würden alles dafür tun, dass sich die Demokratie gegen diese Kräfte wehrhaft erweise.

Der Anschlag auf die Bergische Synagoge in Wuppertal-Barmen wurde von drei Männern verübt, wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag mitteilten. Die Täter warfen mehrere Molotowcocktails in den Eingangsbereich des jüdischen Gotteshauses. Die direkt an der Synagoge gefundenen Brandbeschleuniger hätten jedoch nicht gebrannt, sagte der für die Ermittlungen zuständige Oberstaatsanwalt Hans-Joachim Kiskel in Wuppertal dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Polizei nahm einen 18-jährigen Mann als Tatverdächtigen fest. Nach den weiteren beiden mutmaßlichen Tätern wurde nach Polizeiangaben vom Dienstagabend noch gefahndet. Die Synagoge soll jetzt rund um die Uhr kontrolliert werden.

NRW-Innenminister: „Feige und hinterhältige Tat“

NRW-Innenminister Ralf Jäger bezeichnete den Anschlag als „eine feige und hinterhältige Tat". Gewalt und Antisemitismus seien durch nichts zu rechtfertigen“, erklärte Jäger in Düsseldorf. Die Polizei gehe entschlossen gegen antisemitische Hetze und Gewalttaten vor, unterstrich der Minister.

Wuppertals Oberbürgermeister Peter Jung rief zur Solidarität mit der jüdischen Gemeinde auf. „Wir sind zutiefst beschämt über den feigen Brandanschlag auf unsere Bergische Synagoge in Wuppertal“, erklärte er. Auch die Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz verurteilte den Brandanschlag.

Der für Wuppertal zuständige Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp sagte im Kölner domradio, der Anschlag sei eine verabscheuungswürdige Tat. „Von welcher Seite auch immer eine solche Saat des Unfriedens gesät wurde - alle Menschen guten Willens sind jetzt aufgerufen zusammen zu stehen, damit sie nicht aufgeht.“

Seit Beginn der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen vor drei Wochen kam es in ganz Deutschland verstärkt zu Angriffen auf jüdische Einrichtungen und Friedhöfen. In der vergangenen Woche wurden an der Alten Synagoge in Essen 14 Menschen vorläufig festgenommen, die offenbar einen Angriff auf das jüdische Gotteshaus geplant hatten. In den NRW-Städten Detmold und Herne wurden Denkmäler für die in der NS-Zeit dort zerstörten Synagogen geschändet. In Frankfurt drohte ein Unbekannter mit der Ermordung von Juden, sollte seinen Verwandten im Gazastreifen etwas zustoßen. Bei israelkritischen Demonstrationen im Zusammenhang mit dem Gaza-Konflikt wurden zudem antisemitische Parolen laut.

Die jüdische Kultusgemeinde Wuppertal hat nach eigenen Angaben über 2.000 Mitglieder. Auf dem Gelände der 1938 von den Nationalsozialisten zerstörten alten Synagoge befindet sich seit 1994 eine Gedenkstätte. 2002 wurde in Anwesenheit des damaligen Zentralratspräsidenten Paul Spiegel und des damaligen israelischen Staatspräsidenten Moshe Katzav die „Neue Bergische Synagoge“ eingeweiht.

Münchner Kundgebung gegen Antisemitismus

Vertreter von Politik und Kirchen haben am Dienstagabend auch in München gegen Antisemitismus demonstriert. Aufgerufen zu der Kundgebung unter dem Motto „Wehret den Anfängen!“ hatte die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern. Im Namen des Parlaments wandte sich Bayerns Landtagspräsidentin Barbara Stamm gegen jeglichen aufkeimenden Judenhass. Der Münchner Weihbischof Wolfgang Bischof betonte: „Wo wir zulassen, dass Achtung und unbedingter Respekt vor der uneingeschränkten Würde des Menschen missachtet werden, da geben wir die Grundlage unseres Staates auf.“

Die Präsidentin der Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch, hatte zuvor bereits erklärt, dass die Bürger das Land nicht dem radikalen Mob auf der Straße überlassen dürften. Die Zivilgesellschaft müsse dem ein Signal des Widerstandes entgegensetzen. Aus Bayern müsse ein Zeichen in die Republik und in die ganze Welt gehen. Es gelte zu beweisen, dass Antisemitismus in Deutschland in jeder Form geächtet werde.

Stamm nannte es perfide, antisemitische Hetze unter dem Deckmantel der Kritik an Israel zu betreiben. „Wer vor Synagogen demonstriert, um angeblich die israelische Politik anzuprangern, der entlarvt sich selbst.“ Die CSU-Politikerin betonte, den Anfängen Einhalt gebieten zu wollen. Das Unrecht, das Böse komme immer auf leisen Sohlen angeschlichen. „Das wissen wir in Deutschland aus bitterer Erfahrung.“

Auch der Weihbischof erinnerte an die Zeit des Nationalsozialismus, der Menschen das Recht auf Leben abgesprochen habe. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes hätten aus dieser Erfahrung heraus in der unteilbaren Würde eines jeden Menschen die Grundlage des Gemeinwesens gesehen. Diese Würde könne niemandem abgesprochen werden. Zugleich wandte sich Bischof an die Verantwortlichen in den Kriegsgebieten und schloss sich dem Appell von Papst Franziskus an: „Haltet endlich ein und habt den Mut zum Frieden!“

Foto: Synagonge in Wuppertal, welche mit Molotowcocktails attackiert wurde.

(dr/kna 30.07.2014 mg)








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