Jüdische Gläubige
und Einrichtungen in der Bundesrepublik sehen sich immer stärker mit antisemitischer
Gewalt konfrontiert. In Wuppertal wurde eine Synagoge mit Brandsätzen beworfen, in
Frankfurt drohte ein Unbekannter mit der Ermordung von Juden. Nach dem versuchten
Brandanschlag auf die Wuppertaler Synagoge haben am frühen Dienstagabend nach Angaben
der Polizei mehrere hundert Menschen an einer friedlichen Solidaritäts-Kundgebung
vor dem jüdischen Gotteshaus teilgenommen. Der Kirchenkreis Wuppertal äußerte sich
„entsetzt über den Brandanschlag und die Schändung der Synagoge“. Die Angst vor Anschlägen
werde immer größer und man müsse über einen besseren Schutz nachdenken, erklärte der
Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal, Leonid Goldberg, am Rande der
Solidaritätskundgebung. Graumann: „Das macht uns alle fassungslos“ Der
Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, verurteilte den
Brandanschlag. „Die Nachricht über den Anschlag auf die Wuppertaler Synagoge macht
uns alle fassungslos“, sagte Graumann der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen
Post“ in der Mittwochsausgabe.
Bundestagsvizepräsident Peter Hintze sprach
in Berlin von einem „absoluten moralischen Tiefpunkt“. Der Brandanschlag sei „ein
feiger und bösartiger Angriff auf das friedliche Zusammenleben“. Es sei ein Gründungsgedanke
der Bundesrepublik, dass nie wieder Synagogen brennen dürfen. „Die Wachsamkeit aller
Bürger ist gefordert um jeden Funken des Extremismus sofort zu löschen“, so Hintze.
Die
frühere Zentralrats-Präsidentin Charlotte Knobloch sagte, falls die Synagoge in Wuppertal
nicht ausreichend geschützt gewesen sei, wäre dies sehr bedenklich. Die Präsidentin
der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern forderte die Bundesländer
auf, die Sicherheitsmaßnahmen auf das höchste Niveau hochzuschrauben.
Der Zentralrat
der Muslime in Deutschland hat den Brandanschlag auf die Wuppertaler Synagoge scharf
verurteilt. „Wer Gotteshäuser angreift, ob Synagogen, Kirchen oder Moscheen, führt
Krieg gegen unseren Rechtsstaat, gegen Deutschland und gegen alle Religionen“, sagte
der Vorsitzende Aiman Mazyek der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ in
der Mittwochsausgabe. Die Muslime würden alles dafür tun, dass sich die Demokratie
gegen diese Kräfte wehrhaft erweise.
Der Anschlag auf die Bergische Synagoge
in Wuppertal-Barmen wurde von drei Männern verübt, wie Polizei und Staatsanwaltschaft
am Dienstag mitteilten. Die Täter warfen mehrere Molotowcocktails in den Eingangsbereich
des jüdischen Gotteshauses. Die direkt an der Synagoge gefundenen Brandbeschleuniger
hätten jedoch nicht gebrannt, sagte der für die Ermittlungen zuständige Oberstaatsanwalt
Hans-Joachim Kiskel in Wuppertal dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Polizei
nahm einen 18-jährigen Mann als Tatverdächtigen fest. Nach den weiteren beiden mutmaßlichen
Tätern wurde nach Polizeiangaben vom Dienstagabend noch gefahndet. Die Synagoge soll
jetzt rund um die Uhr kontrolliert werden.
NRW-Innenminister: „Feige und
hinterhältige Tat“
NRW-Innenminister Ralf Jäger bezeichnete den Anschlag
als „eine feige und hinterhältige Tat". Gewalt und Antisemitismus seien durch nichts
zu rechtfertigen“, erklärte Jäger in Düsseldorf. Die Polizei gehe entschlossen gegen
antisemitische Hetze und Gewalttaten vor, unterstrich der Minister.
Wuppertals
Oberbürgermeister Peter Jung rief zur Solidarität mit der jüdischen Gemeinde auf.
„Wir sind zutiefst beschämt über den feigen Brandanschlag auf unsere Bergische Synagoge
in Wuppertal“, erklärte er. Auch die Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz
verurteilte den Brandanschlag.
Der für Wuppertal zuständige Kölner Weihbischof
Dominikus Schwaderlapp sagte im Kölner domradio, der Anschlag sei eine verabscheuungswürdige
Tat. „Von welcher Seite auch immer eine solche Saat des Unfriedens gesät wurde - alle
Menschen guten Willens sind jetzt aufgerufen zusammen zu stehen, damit sie nicht aufgeht.“
Seit
Beginn der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der radikalislamischen
Hamas im Gazastreifen vor drei Wochen kam es in ganz Deutschland verstärkt zu Angriffen
auf jüdische Einrichtungen und Friedhöfen. In der vergangenen Woche wurden an der
Alten Synagoge in Essen 14 Menschen vorläufig festgenommen, die offenbar einen Angriff
auf das jüdische Gotteshaus geplant hatten. In den NRW-Städten Detmold und Herne wurden
Denkmäler für die in der NS-Zeit dort zerstörten Synagogen geschändet. In Frankfurt
drohte ein Unbekannter mit der Ermordung von Juden, sollte seinen Verwandten im Gazastreifen
etwas zustoßen. Bei israelkritischen Demonstrationen im Zusammenhang mit dem Gaza-Konflikt
wurden zudem antisemitische Parolen laut.
Die jüdische Kultusgemeinde Wuppertal
hat nach eigenen Angaben über 2.000 Mitglieder. Auf dem Gelände der 1938 von den Nationalsozialisten
zerstörten alten Synagoge befindet sich seit 1994 eine Gedenkstätte. 2002 wurde in
Anwesenheit des damaligen Zentralratspräsidenten Paul Spiegel und des damaligen israelischen
Staatspräsidenten Moshe Katzav die „Neue Bergische Synagoge“ eingeweiht.
Münchner
Kundgebung gegen Antisemitismus
Vertreter von Politik und Kirchen haben
am Dienstagabend auch in München gegen Antisemitismus demonstriert. Aufgerufen zu
der Kundgebung unter dem Motto „Wehret den Anfängen!“ hatte die Israelitische Kultusgemeinde
München und Oberbayern. Im Namen des Parlaments wandte sich Bayerns Landtagspräsidentin
Barbara Stamm gegen jeglichen aufkeimenden Judenhass. Der Münchner Weihbischof Wolfgang
Bischof betonte: „Wo wir zulassen, dass Achtung und unbedingter Respekt vor der uneingeschränkten
Würde des Menschen missachtet werden, da geben wir die Grundlage unseres Staates auf.“
Die
Präsidentin der Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch, hatte zuvor bereits erklärt, dass
die Bürger das Land nicht dem radikalen Mob auf der Straße überlassen dürften. Die
Zivilgesellschaft müsse dem ein Signal des Widerstandes entgegensetzen. Aus Bayern
müsse ein Zeichen in die Republik und in die ganze Welt gehen. Es gelte zu beweisen,
dass Antisemitismus in Deutschland in jeder Form geächtet werde.
Stamm nannte
es perfide, antisemitische Hetze unter dem Deckmantel der Kritik an Israel zu betreiben.
„Wer vor Synagogen demonstriert, um angeblich die israelische Politik anzuprangern,
der entlarvt sich selbst.“ Die CSU-Politikerin betonte, den Anfängen Einhalt gebieten
zu wollen. Das Unrecht, das Böse komme immer auf leisen Sohlen angeschlichen. „Das
wissen wir in Deutschland aus bitterer Erfahrung.“
Auch der Weihbischof erinnerte
an die Zeit des Nationalsozialismus, der Menschen das Recht auf Leben abgesprochen
habe. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes hätten aus dieser Erfahrung heraus in
der unteilbaren Würde eines jeden Menschen die Grundlage des Gemeinwesens gesehen.
Diese Würde könne niemandem abgesprochen werden. Zugleich wandte sich Bischof an die
Verantwortlichen in den Kriegsgebieten und schloss sich dem Appell von Papst Franziskus
an: „Haltet endlich ein und habt den Mut zum Frieden!“
Foto: Synagonge in
Wuppertal, welche mit Molotowcocktails attackiert wurde.