Österreich: Einsiedelei des heiligen Wolfgang freigelegt
Eine lange verschüttete
Klause unterhalb der Wallfahrtskirche am Falkenstein bei St. Gilgen (Salzburg) haben
österreichische Archäologen freigelegt. Das Besondere daran: Hier soll der heilige
Wolfgang (ca. 924 - 994) fünf Jahre als Eremit gewohnt haben. Die zahlreichen Funde
offenbaren viel über das Leben in der Einsiedelei und der Pilger im Spätmittelalter,
legten die Forschungsleiter dreier Ludwig-Boltzmann-Institute am Donnerstag in einer
Pressekonferenz in Wien dar. Der nahegelegene Ort St. Wolfgang, der zu Fuß nur über
den Falkenstein erreichbar ist, war damals mit bis zu 200.000 Pilgern pro Jahr nach
Rom, Santiago und Aachen die viertgrößte Wallfahrtsstätte Europas.
Der heilige
Wolfgang zählt zu den bekanntesten Heiligen. Der in Schwaben geborene Benediktinermönch
wurde 43-jährig in Einsiedeln zum Priester geweiht, war zunächst Missionar in Ungarn,
dann lange Jahre Bischof von Regensburg, wo er als Reformator galt. Er starb auf einer
Reise in Pupping (Oberösterreich), wurde in der Klosterkirche von St. Emmeran in Regensburg
bestattet und 1052 von Papst Leo IX. heiliggesprochen. Der Legende nach war er ab
976 Einsiedler am Abersee - der später nach ihm in „Wolfgangssee“ umbenannt wurde,
wo er in einer Höhle am Falkenstein, an der Stelle der heutigen Kapelle, ein strenges
Leben geführt haben soll.
Einsiedler überwachten Pilgerzug Schon
2009 hatten Archäologen auf der Lichtung unterhalb des Falkenstein-Kirchleins die
im Boden verborgenen Fundamente einer Klause entdeckt, von der zuvor historische Abbildungen
berichteten. Per Radarmessungen wurde der genaue Grabungsort bestimmt und Schicht
für Schicht der Erde abgetragen. „Die Klause, in der jeweils zwei Einsiedler die Saison
verbrachten, wurde zur besseren Kontrolle des Pilgerzuges errichtet“, erklärte Wolfgang
Neubauer, Leiter des LBI für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie,
gegenüber der Nachrichtenagentur kathpress.
Überrascht sei man von der Bandbreite
der Fundgegenstände gewesen, die von Hausrat, Speiseresten über Münzen - die älteste
von 1624 - und Devotionalien bis hin zu Tabakpfeifen, Knöpfen, Gürtelschnallen, Teilen
eines Kachelofens und Maultrommeln reicht. Das Leben in der Einsiedelei dürfte laut
Neubauer weniger hart gewesen sein als ursprünglich vermutet: „Viele Pilger haben
den Brüdern Spenden mitgebracht oder unterstützten sie mit Lebensmitteln.“
Als
„Bombengeschäft“ bezeichnen die Forscher den Verkauf von kleinen Äxten aus Eisen und
Buntmetall, den „Wolfgangihackerl“, die einst vielleicht direkt am Falkenstein produziert
wurden. Hingegen belegen Quecksilberfunde in den Latrinen der Klause laut der LBI-Lungengefäßforscherin
Andrea Olschewski die Medikation von Syphilis, die in der frühen Neuzeit durch die
koloniale Seefahrt entstanden und bald zur Volksseuche geworden war.
Quelle
sprudelt noch immer Bestätigt wurde die Existenz einer Quelle, die der
heilige Wolfgang der Legende nach für einen dürstenden Gefährten mit seinem Stab aus
dem Fels geschlagen haben soll. „Es gibt diese sehr mystische Quelle tatsächlich -
als ein natürliches Phänomen in dem Karstgebiet, wo Quellen plötzlich auftauchen und
verschwinden“, berichtete Neubauer. Direkt in der Klause sei die Quelle über einen
Zugang im Keller als Heilwasser in „Wolfgangiflascherl“ abgefüllt und verkauft wurde.
Dass die 150 Jahre lang verschlossene, nun wieder freigelegte Quelle auch weiterhin
Zugang zur Oberfläche hat, bezeugen laut dem Archäologen die im Wasser vorgefundenen
Saitenwürmer.
Aus bisher ungeklärten Gründen wurde die Einsiedelei zwischen
1860 und 1880 aufgelassen und abgetragen, später durch eine Jagd-Hütte mit Holzstadel
ersetzt. Mit Hilfe der Radardaten, einem digitalen Geländemodell und einer Analyse
der verfügbaren Schrift- und Bildquellen wurde die Klause und ihre Umgebung nun -
vorerst virtuell - rekonstruiert. „Wenn es Finanzmittel gibt, wollen wir sie in ihrer
ursprünglichen Form und an diesem legendären Ort wieder aufstellen“, hofft Neubauer.
Nach wie vor sei das Pilgerwesen in St. Wolfgang aktiv – „viele kommen, besonders
aus dem süddeutschen Raum“, so der Archäologe. Der Falkenstein mit seiner Kapelle
und dem „Schliefstein“ sei dabei für Fußwallfahrer nach wie vor ein Fixpunkt im Programm.