Österreich: „Wir sind nicht in eigener Mission unterwegs“
Der Salzburger Erzbischof
Franz Lackner hat an diesem Sonntag zum Fest Peter und Paul das Pallium aus den Händen
von Papst Franziskus empfangen. Im Gespräch mit Gudrun Sailer reflektiert der österreichische
Erzbischof über das Bischofsamt, die bevorstehende Familiensynode, die Fußball-WM
und zunächst über die Predigt des Papstes bei der Verleihung der Pallien; Franziskus
riet den neuen Erzbischöfen, sich nicht mit unnützem Gerede aufzuhalten, die Angst
abzulegen und Jesus treu zu sein.
„Diese Predigt hat mich in meinem Innersten
zutiefst getroffen. Ich war zuweilen zu Tränen gerührt. Erstens die einfache Sprache,
die Papst Franziskus hat. Inhaltlich fast wie blauäugig fragend: Wovor habt ihr Angst?
Ich denke, die Kirche wurde in den letzten Jahrzehnten gerüttelt und geschüttelt,
und es ist Ängstlichkeit eingekehrt, da denke ich zuerst an die Bischöfe. Dass wir
das Evangelium nur noch zaudernd und zögernd den Menschen zu sagen trauen: leg die
Angst ab! Dann das große Vertrauen in Christus zu haben – in Jesus Christus. Wir sind
nicht in eigener Mission unterwegs. Was ich an Botschaft zu sagen habe in schönen
und schweren Zeiten, muss ich nicht von meiner Festplatte herunterladen. Sondern das
will durch mich hindurchklingen – das Vertrauen, dass der Herr uns nicht alleinlässt,
dass er uns zurüstet und dass in Stunden, wo wir nicht wissen, was wir sagen sollen,
es uns eingegeben wird. Das sind Zusagen, die uns gemacht worden sind für unseren
Dienst am Volk Gottes. Und dann dieser Aufruf: folge mir nach! Das hat mich berührt,
gerade zu diesem Anlass.“
Sprechen wir über die beiden bevorstehenden Bischofssynoden
zur Familienseelsorge: Sie sehen gute Chancen für eine Weiterentwicklung der kirchlichen
Praxis im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Wie kann die aussehen?
„Gerade
unter diesem Papst fühle ich eine neue Freiheit, über die Grenzen des eigenen Verstehens
und des eigenen Kulturkreises hinaus zu hoffen. Ich kenne das Problem und werde damit
oft konfrontiert. Ich habe in meiner neuen Erzdiözese schon 14 Pfarren visitiert in
den letzten fünf Monaten. Ich hoffe - weil der Papst neuen Schwung bringt. Ich weiß
nicht, wohin das geht, aber ich weiß, es geht. Mit Gott und wenn wir durchsichtig
auf Gott hin, wenn uns die Menschen, die uns anvertraut sind, wirklich eine Herzensangelegenheit
sind, wenn wir bereit sind, mit ihnen zu gehen, Freud und Leid zu teilen, dann wird
da etwas gehen. Positiv ist ja, dass auch einmal Leute befragt worden sind. Ich war
heute in der Kongregation für die Synode, es sind Unmengen an Material, das da verarbeitet
werden muss. Dass da gar nichts geht, glaube ich einfach nicht. Vielleicht ist es
so, dass die Hilfe oder der Schritt weiter von irgendwoher kommt, von woher wir es
nicht erwarten. Ich habe große Hoffnung, aber ich sage nicht, die Hoffnung muss so
oder so sein. Ich könnte mir vorstellen, dass es zu einer Einsicht kommt, dass uns
ein Weg aufgezeigt wird, den man bisher auch gehen hätte können, aber vielleicht so
nicht gesehen hat.“
Sie waren heute auch in der Bischofskongregation, natürlich
dürfen Sie uns nicht verraten, was genau Sie dort besprochen haben. Aber es ist kein
Geheimnis, dass die Gläubigen in Österreich auf eine wichtige Bischofsernennung warten,
nämlich in Graz, das zur Kirchenprovinz Salzburg gehört und wo Sie bis zu Ihrem Amtsantritt
in Salzburg Weihbischof waren. Können Sie absehen, wann mit einer römischen Entscheidung
für Graz zu rechnen ist?
„Das war nicht Gegenstand des Besuches, wann es
endlich so weit ist, das würde ich auch nicht fragen. So etwas fragt man nicht. Es
gehört dazu, wenn ein Bischof nach Rom kommt, dass er Kongregationen besucht, ich
war bei der Bildungskongregation, weil ich Universitätsprofessoren habe, die ernannt
werden sollen und das Nihil Obstat einzuholen ist. Ich war in der Bischofssynode und
in der Bischofskongregation. Ich habe dem Heiligen Vater schon beim Ad Limina Besuch
(im Jänner, Anm.) gesagt, ich bitte um einen guten Bischof für die Diözese Graz Seckau,
ich war dort elf Jahre Weihbischof. Das war mein Anliegen, das nach Rom zu tragen,
zu sagen, ich glaube, dass es auch gute Leute gibt, die gewählt werden können, aber
das ist nicht meine Aufgabe, Ratschläge zu erteilen, sondern wichtig ist mir, dass
man auch aus meinem Mund hört, dass es eine gute Lösung geben sollte.”
Papst
Franziskus hat ja schon öfter darüber gesprochen, wie ein Bischof nach seinem Herzen
beschaffen ist. Bescheiden, furchtlos, emsig, an der Seite der Herde, und gemeinsam
mit der Kirche ein Zeuge des Auferstandenen. Er soll dem Volk vorangehen, manchmal
mittendrin, manchmal aber auch hinter dem Volk her, das auch seinen Spürsinn hat.
Gleichzeitig, so der Papst, ist der Bischof mehr als die Summe seiner Tugenden. Es
muss eigentlich unendlich schwer sein, einen guten Bischof zu finden! Dauert es deswegen
so lang?
„Ich weiß es nicht, was die Gründe dafür sind. Wenn der Bischof
das alles erfüllen soll, ist das eine Überforderung und so groß, dass man sofort merkt,
allein kann ich das nicht. Ich denke, dass mit der Aufgabe auch die Gnade einhergeht.
Man soll sich nicht fürchten, natürlich werden gewisse Voraussetzungen gegeben sein
müssen, dass jemand in ein solches Amt berufen wird. Aber dass er meint, das sind
Fähigkeiten, die in erster Linie von mir geleistet werden müssen, das glaube ich ist
nicht so. Sondern der Bischof muss – und das habe ich immer wieder gemerkt – auch
ein Ringender sein, ein Suchender, ein immer neu Aufbrechender. Das hat uns Franziskus
immer wieder gesagt, und das ist sehr wohltuend. Der Bischof darf auch fallen, mir
ist hundertmal lieber eine Kirche, die ein bisschen verbeult ist, das gehört auch
dazu, ohne dass man die Sünden von vornherein heiligspricht. Aber das ist auch alles
entlastend, das muss ich ehrlich sagen. Ich fühle zum Beispiel, wenn ich daran denke,
was ich alles können sollte und was ich tun muss und was nicht passieren darf, dann
fühle ich mich überfordert, aber zugleich mit einer großen Freiheit. Die Freiheit
zu sagen, so lieber Gott, jetzt kannst nur noch Du.“
Sie sind in der österreichischen
Bischofskonferenz für Sport zuständig und selber begeisterter Fußballer. Papst Franziskus
muss ja bei der WM in Brasilien neutral bleiben, aber sie müssen es nicht, die Österreicher
spielen ja nicht mit. Welcher Nationalmannschaft wünschen Sie den WM-Sieg?
„Ich
habe mir nicht viele Spiele anschauen können. Ich bin eigentlich ein Brasilien-Fan,
der Fußball hat mir immer gut gefallen, aber das was ich bisher gesehen habe – da
haben sie diese Leichtigkeit, das Spielerische, die Flüssigkeit ein wenig verloren.
Sie sind fast europäisch geworden – das stört mich ein wenig. Naja – Brasilien wird’s
werden…!“