Hochrangige Vertreter
der christlichen Gemeinschaften in Ägypten haben diese Woche Österreich besucht und
konnten ihre Einschätzung der Lage in der Region - seit dem Amtsantritt des gewählten
Präsidenten Abdel Fattah el-Sisi am 8. Juni und der ISIS-Offensive im Irak – darlegen.
Am Dienstag empfing Kardinal Christoph Schönborn das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen
Kirche, Papst-Patriarch Tawadros II. Tawadros hatte zuvor die Gemeinden in Finnland
und Norwegen besucht und dort u.a. mit Regierungsvertretern gesprochen. Ebenfalls
in Österreich war der koptisch-katholische Bischof von Assiut, Kyrillos Kamal William.
Er forderte eine Trennung von Staat und Religion in seiner Heimat. Eine Entwicklung
wie im Irak befürchtet er nicht.
Der Weg zu einem gerechten Staat und langfristigem
Frieden in Ägypten bleibe steinig und gehe politisch nur über eine Umsetzung der Verfassung,
so Bischof William im Gespräch mit „Kathpress“. William war auf Einladung des Hilfswerks
„Kirche in Not“ in Wien. „Wir wollen keine Privilegien für Christen, sondern den vollen
Respekt der Religionsfreiheit sowie von Menschen- und Bürgerrechten“, sagte der Bischof.
Es
scheine - so William -, dass der Totalitarismus überwunden ist: „Die Ägypter hoffen
wieder und haben Vertrauen in den Staat zurückgewonnen.“ Die Erwartungen seien dennoch
„gedämpft“. Was vor allem fehle, sei der politische Wille zur Umsetzung der Verfassung.
Viele
Hürden und Blasphemie-Vorwürfe Nachdem die Muslimbrüder laut dem Bischof
ein „muslimisches Kalifat Ägypten“ angestrebt hätten, gehe es nun um die Errichtung
eines „zivilen Staates“ mit Trennung von Politik und Religion – „den Ausdruck säkular
mögen viele Muslime nicht, da sie es mit ungläubig gleichsetzen“. Viele der 80 Millionen
Einwohner des Landes seien enorm benachteiligt und deshalb für Fanatismus empfänglich.
Benachteiligt seien aber auch die zehn Millionen Christen, die „Bürger zweiter Klasse“
seien. Schon seit 60 Jahren, bis heute, werde in Moscheen, Kindergärten, Schulen und
Medien gegen sie Hetze betrieben.
Die Diskriminierung zeigt sich für William
in den Blasphemie-Vorwürfen. „Während Salafisten offen gegen Christen hetzen dürfen,
bekommt es ein 16-Jähriger mit der Justiz zu tun, wenn er sich in der Schule gegen
den Islam äußert.“ Zudem säßen auch in Ägypten - wie im Sudan - Menschen im Gefängnis,
da sie vom Islam zum Christentum konvertiert seien. Enorme Hürden mit jahrelangen
Behördenverfahren gebe es für die Errichtung von Kirchen und kirchlichen Gebäuden.
In den Geschichtsbüchern werde die jahrhundertelange koptische Epoche des Landes einfach
ignoriert.
Die Situation spitzte sich im Vorjahr unter den Muslimbrüdern zu,
als Dutzende Kirchen im Land von Extremisten zerstört und viele bei Anschlägen ums
Leben kamen. Die Reaktion seien Initiativen der Versöhnung gewesen. - Bischof William:
„Bei uns in Assiut luden wir am 14. August des Vorjahres in die zerstörte Franziskanerkirche
zu einem gemeinsamen Gebet für die Täter, auf Transparenten stand groß 'Wir verzeihen!'.
Es gab gemeinsame Gebete der christlichen Kirchen, zu denen auch Muslime eingeladen
waren.“
Zukunft sehe er vor allem im laufenden Dialog mit moderaten Muslime,
so der Bischof. In jeder Provinz versuche man inzwischen, über regelmäßige Treffen
konfessionelle Konflikte zu verhindern und Probleme friedlich zu lösen, was ein „großer
Gewinn“ sei. Erreicht wurde etwa, dass beim islamischen Freitagsgebet seit Juni nur
noch moderate Muslime predigen. Zudem gebe es regelmäßige gemeinsame Friedensgebete.
Katholische
Kirche gegen Todesstrafe Klare Worte fand der Bischof von Assiut für die
vor kurzem bestätigte Todesstrafe für 183 Muslimbrüder. Seine Kirche sei „gegen die
Todesstrafe“, wenngleich sie keinen Einfluss auf das politische Geschehen habe. Wie
William bemerkte, werde das Urteil jedoch nur in den wenigsten Fällen vollstreckt
werden, seien doch die meisten Betroffenen außer Landes.
Eine Gefahr der Ausbreitung
der momentanen Krise im Irak auf sein Land sehe er nicht: „Alle ägyptischen Muslime
sind Sunniten, zudem hat das Land die stärkste Armee im Nahen Osten und ist sehr nationalistisch
geprägt, wodurch es keine Trennungsgefahr gibt. Ägypten ist nicht der Irak“, so William.
Obwohl
eine kleine Minderheit, seien die Katholiken in Ägypten durch ihr Sozialengagement
„sehr präsent“ und würden wie das „Salz der Erde“ wirken, so William, der die 170
kirchlichen Privatschulen hervorhob: „Die meisten Schüler sind Muslime, doch werden
die Schulen für die Qualität der Erziehung geschätzt.“ Ähnlich groß sei das öffentliche
Vertrauen in die Krankenhäuser oder Entwicklungsprojekte der Kirche. Inständig würden
die Kirchenvertreter die Christen dazu aufrufen, das Land nicht zu verlassen - trotz
der Wirtschaftsmisere. Die Produktion sei „bei Null“, und auch der für das Land so
wichtige Tourismus liege danieder.
Tawadros: Bildung wichtig Papst-Patriarch
Tawadros schlug Medienberichten zufolge in Finnland in die gleiche Kerbe. Er traf
dort Staatspräsident Sauli Niinistro, Parlamentarier, lutherische und orthodoxe Bischöfe
sowie die ägyptische Gemeinde des Landes. In Norwegen stand u.a. ein Empfang bei Regierungsvertretern
und König Harald auf dem Programm.
Ägypten brauche „gute Bildung und Gerechtigkeit“,
so der Nachfolger des Heiligen Markus gegenüber norwegischen Ministern, die er um
die Unterstützung der neuen ägyptischen Regierung bat. Norwegen habe die zweitälteste
Verfassung, Ägypten hingegen die jüngste – „und der zweite Schritt war die Wahl des
Präsidenten, für den sich 97 Prozent ausgesprochen haben. Er steht jetzt für Hoffnung
in Ägypten“, erklärte Tawadros laut dem arabischsprachigem Online-Nachrichtenportal
„El-Balad“.