Fall Meriam: „Konflikte“ in der sudanesischen Führung?
Hintergrund des „Hin
und Her“ im Fall Meriam Yahya Ibrahim Ishag ist ein Konflikt in der sudanesischen
Führung. Das ist die Einschätzung des Fachmanns für den Nahen Osten und für Islamisches
Recht bei der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Max Klingenberg.
Am Montagnachmittag war noch über die Freilassung der orthodoxen Christin aus der
Todeszelle berichtet worden; einen Tag später ging die Nachricht ihrer Wieder-Festnahme
durch die internationalen Medien. Droht der Frau damit wieder der Tod? Meriam war
nach ihrer ersten Festnahme zum Tode verurteilt worden, weil sie als Tochter eines
muslimischen Vaters einen Christen geheiratet hatte. Klingenberg erklärt die dramatische
Entwicklung im Gespräch mit Radio Vatikan so:
„Der Hintergrund dafür ist
wohl ein Konflikt innerhalb der sudanesischen Führung. Auf der einen Seite möchte
sie dieses Urteil vollstrecken, denn sie halten es für richtig. Den Islam zu verlassen,
ist nach Auffassung dieser Leute ein todeswürdiges Verbrechen. Und sie wollen sie
ja nicht laufenlassen. Sie wollen sie nicht freilassen, obwohl das völkerrechtlich
das Einzige wäre, was zulässig ist. Der Sudan hat völkerrechtliche Verträge unterschrieben
und bricht sie permanent mit dem Verweis auf das islamische Recht. Das Ganze ist aus
der PR-Sicht für die sudanesische Regierung natürlich ein Desaster, weil offensichtlich
ist, dass der Sudan eigentlich genauso weiter machen wollte wie bisher.“
Ishag
war im christlich-orthodoxen Glauben erzogen worden, wird aber von sudanesischen Behörden
wegen ihres muslimischen Vaters als Muslimin betrachtet. Das Todesurteil gegen die
Frau sei nicht willkürlich, sondern auf Grundlage des islamischen Rechtes ausgesprochen
worden, erläutert Klingenberg. Dass die Christin kurzzeitig freigelassen wurde, ist
wohl dem großen internationalen Druck zuzuschreiben, den der Fall weltweit auslöste.
Dieser Druck müsse nun aufrechterhalten werden, so Klingenberg:
„Die IGFM
ist überzeugt, dass wenn der Druck weiter so stark aufrecht erhalten wird, Meriam
und ihr Mann sowie ihre Kinder tatsächlich frei gelassen werden und auch ausreisen
dürfen. Vorausgesetzt, der Druck bleibt so intensiv. Was sich aber in absehbarer Zeit
nicht ohne Weiteres ändern wird, ist das Grundproblem: Die eigentliche Tragik liegt
darin, dass die Welt auf das Schicksal eines Menschen schaut. Es ist gut, dass die
Welt hinschaut, aber sie übersieht dabei das tiefer liegende Problem, nämlich dass
mit dem Verweis auf religiöses Recht, auf die Scharia, Menschenrechte einfach außer
Kraft gesetzt und gebrochen werden.“
Die Scharia – also das religiöse Gesetz
des Islam – gelte im ganzen Sudan als bestimmendes Regelwerk, so der Experte. Fälle
wie der der Christin Ishag seien weltweit kein Einzelfall. Klingenberg:
„Das
passiert nicht nur im Sudan, das passiert in vielen Ländern, auch in Ländern, die
Alliierte des Westens sind. Zum Beispiel gilt das für Saudi-Arabien oder Pakistan.
Urteile wie das gegen Meriam sind in vielen Ländern jederzeit möglich. Das muss sich
ändern! Die IGFM ist überzeugt, dass westliche Staaten wie Deutschland oder die Europäische
Union vehement Vertragserfüllung von diesen Staaten einfordern müssen. Das ist keine
Spielerei. Menschenrechte sind festgelegt worden in zwischenstaatlichen Verträgen.“
Seit
Meriam Yahya Ibrahim Ishag am Dienstag zusammen mit ihrem Ehemann und ihren beiden
Kindern am Flughafen von Khartum festgenommen wurde, steht wieder völlig offen, wie
es für sie und ihre Familie weitergeht. Dem Kampf für ihre Freilassung sollten sich
international nicht nur Regierungen, sondern auch Bürger einsetzten, appelliert Klingenberg
im Interview mit Radio Vatikan:
„Es ist scheinbar so, dass normale Radiohörer
machtlos sind. Aber wenn es eine ausreichende Zahl von Briefen oder Anrufen oder von
Unterschriften bei Petitionen gibt, dann wird das wahrgenommen, auch von menschenrechtsverletzenden
Regimes wie beispielsweise im Sudan. Solange dieser Druck aufrecht erhalten wird,
solange gibt es Hoffnung für einer Lösung dieser konkreten Fälle, und auch für viele
weitere Fälle.“