2014-06-25 14:24:08

Fall Meriam: „Konflikte“ in der sudanesischen Führung?



RealAudioMP3 Hintergrund des „Hin und Her“ im Fall Meriam Yahya Ibrahim Ishag ist ein Konflikt in der sudanesischen Führung. Das ist die Einschätzung des Fachmanns für den Nahen Osten und für Islamisches Recht bei der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Max Klingenberg. Am Montagnachmittag war noch über die Freilassung der orthodoxen Christin aus der Todeszelle berichtet worden; einen Tag später ging die Nachricht ihrer Wieder-Festnahme durch die internationalen Medien. Droht der Frau damit wieder der Tod? Meriam war nach ihrer ersten Festnahme zum Tode verurteilt worden, weil sie als Tochter eines muslimischen Vaters einen Christen geheiratet hatte. Klingenberg erklärt die dramatische Entwicklung im Gespräch mit Radio Vatikan so:

„Der Hintergrund dafür ist wohl ein Konflikt innerhalb der sudanesischen Führung. Auf der einen Seite möchte sie dieses Urteil vollstrecken, denn sie halten es für richtig. Den Islam zu verlassen, ist nach Auffassung dieser Leute ein todeswürdiges Verbrechen. Und sie wollen sie ja nicht laufenlassen. Sie wollen sie nicht freilassen, obwohl das völkerrechtlich das Einzige wäre, was zulässig ist. Der Sudan hat völkerrechtliche Verträge unterschrieben und bricht sie permanent mit dem Verweis auf das islamische Recht. Das Ganze ist aus der PR-Sicht für die sudanesische Regierung natürlich ein Desaster, weil offensichtlich ist, dass der Sudan eigentlich genauso weiter machen wollte wie bisher.“

Ishag war im christlich-orthodoxen Glauben erzogen worden, wird aber von sudanesischen Behörden wegen ihres muslimischen Vaters als Muslimin betrachtet. Das Todesurteil gegen die Frau sei nicht willkürlich, sondern auf Grundlage des islamischen Rechtes ausgesprochen worden, erläutert Klingenberg. Dass die Christin kurzzeitig freigelassen wurde, ist wohl dem großen internationalen Druck zuzuschreiben, den der Fall weltweit auslöste. Dieser Druck müsse nun aufrechterhalten werden, so Klingenberg:

„Die IGFM ist überzeugt, dass wenn der Druck weiter so stark aufrecht erhalten wird, Meriam und ihr Mann sowie ihre Kinder tatsächlich frei gelassen werden und auch ausreisen dürfen. Vorausgesetzt, der Druck bleibt so intensiv. Was sich aber in absehbarer Zeit nicht ohne Weiteres ändern wird, ist das Grundproblem: Die eigentliche Tragik liegt darin, dass die Welt auf das Schicksal eines Menschen schaut. Es ist gut, dass die Welt hinschaut, aber sie übersieht dabei das tiefer liegende Problem, nämlich dass mit dem Verweis auf religiöses Recht, auf die Scharia, Menschenrechte einfach außer Kraft gesetzt und gebrochen werden.“

Die Scharia – also das religiöse Gesetz des Islam – gelte im ganzen Sudan als bestimmendes Regelwerk, so der Experte. Fälle wie der der Christin Ishag seien weltweit kein Einzelfall. Klingenberg:

„Das passiert nicht nur im Sudan, das passiert in vielen Ländern, auch in Ländern, die Alliierte des Westens sind. Zum Beispiel gilt das für Saudi-Arabien oder Pakistan. Urteile wie das gegen Meriam sind in vielen Ländern jederzeit möglich. Das muss sich ändern! Die IGFM ist überzeugt, dass westliche Staaten wie Deutschland oder die Europäische Union vehement Vertragserfüllung von diesen Staaten einfordern müssen. Das ist keine Spielerei. Menschenrechte sind festgelegt worden in zwischenstaatlichen Verträgen.“

Seit Meriam Yahya Ibrahim Ishag am Dienstag zusammen mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern am Flughafen von Khartum festgenommen wurde, steht wieder völlig offen, wie es für sie und ihre Familie weitergeht. Dem Kampf für ihre Freilassung sollten sich international nicht nur Regierungen, sondern auch Bürger einsetzten, appelliert Klingenberg im Interview mit Radio Vatikan:

„Es ist scheinbar so, dass normale Radiohörer machtlos sind. Aber wenn es eine ausreichende Zahl von Briefen oder Anrufen oder von Unterschriften bei Petitionen gibt, dann wird das wahrgenommen, auch von menschenrechtsverletzenden Regimes wie beispielsweise im Sudan. Solange dieser Druck aufrecht erhalten wird, solange gibt es Hoffnung für einer Lösung dieser konkreten Fälle, und auch für viele weitere Fälle.“

(rv 25.06.2014 mg)








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