2014-06-21 10:53:39

Papst besucht Gefangene – „Nie wieder Opfer der Mafia!“


RealAudioMP3 „Der heilige Franziskus kam nicht bis Cassano“ – das sagte eine Frau, die in einer Bar des Städtchens an der Kasse sitzt, an diesem Samstag zu Journalisten. Als „Schlangennest“ soll Franz von Assisi das Städtchen Cassano allo Jonio bezeichnet haben, und tatsächlich sind es vor allem Mafia-Meldungen, die diese Ecke Kalabriens immer wieder mal in die Schlagzeilen bringen. Umso mehr freuen sich die Menschen über den Papstbesuch bei ihnen.

Gegen 7.30 Uhr ist Franziskus am Morgen per Hubschrauber aus dem Vatikan aufgebrochen; kurz nach 9.00 Uhr landete er in Castrovillari vor dem örtlichen Gefängnis. Hier sitzen u.a. Familienangehörige von Cocò ein: Das ist ein dreijähriger Junge, der vor ein paar Monaten von der örtlichen Mafia, der Ndrangheta, in einem Auto bei lebendigem Leib verbrannt wurde, zusammen mit seinem Großvater und dessen Freundin. Der dreifache Mord hat in ganz Italien Entsetzen ausgelöst. Papst Franziskus sprach im Gefängnis kurz mit den zwei Großmüttern und der Mutter des getöteten Kindes: „Nie wieder Gewalt gegen Kinder, nie wieder Opfer der Ndrangheta!“, sagte er zu ihnen. Er bete für den kleinen Cocò und für alle Kinder, die Furchtbares durchmachen müssten. Der Ortsbischof, der den Papst begleitete, sprach hinterher von einem sehr emotionalen Moment.

Ein weiterer Insasse des Gefängnisses, das der Papst besuchte, ist ein 27-jähriger Rumäne, der – so die Anklage – am 3. März den Priester Lazzaro Longobardi umgebracht hat. Am Nachmittag wollte der Papst auch kurz in der Kirche von Sibari beten, wo der Mord geschah und wo eine Stele an den getöteten Pfarrer erinnert.

„Gott ist ein Fachmann für Resozialisierung“


„Heiliger Vater, willkommen bei uns, und danke für diesen Moment, den Sie uns schenken!“, sagte einer der Häftlinge in einer kurzen Begrüßungsrede. Heute würden die Worte Jesu wahr, dass man den verlorenen Schafen nachgehen solle. Franziskus ermunterte in seiner kurzen Ansprache zu mehr Anstrengungen, um Straftäter wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Es reiche nicht, allein menschenwürdige Haftbedingungen in den Gefängnissen sicherzustellen. Diese müssten von „konkreten Bemühungen der Institutionen für eine erfolgreiche gesellschaftliche Wiedereingliederung“ der Straftäter ergänzt werden, so Franziskus. Andernfalls verkomme die Strafe zum „blossen Instrument der Bestrafung und sozialen Retourkutsche“. Das schade sowohl dem Betroffenen als auch der Gesellschaft selbst.

Italiens Gefängnisse sind chronisch überfüllt und bieten oft unzureichende Haftbedingungen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das Land dafür im vergangenen Jahr verurteilt. Er wolle „jedem Mann und jeder Frau in allen Teilen der Welt, die sich im Gefängnis befinden“, seine Nähe zum Ausdruck bringen, erklärte Franziskus.

Der Papst betonte vor den etwa zweihundert Häftlingen und Wächtern weiter, dass eine Resozialisierung von Straftätern nicht nur eine gesellschaftspolitische Frage sei, sondern auch eine religiöse Dimension habe. Es gehe in diesem Prozess auch um die Begegnung mit Gott, der imstande sei, menschliche Fehler zu verstehen und zu vergeben, so der Papst.

„Gott ist ein Fachmann für Resozialisierung. Er nimmt uns an die Hand und führt uns in die Gesellschaft zurück. Der Herr vergibt immer, begleitet immer, versteht immer; wir müssen uns einfach nur verstehen, vergeben, begleiten lassen! Ich wünsche jedem von euch, dass diese Zeit hinter Gittern keine verlorene Zeit ist, sondern eine wertvolle Zeit, in der ihr von Gott diese Gnade erbittet und erhaltet. Dadurch werdet ihr zunächst euch selbst, dann aber auch die Gesellschaft besser machen. Denn im Guten wie im Bösen beeinflussen unsere Taten die anderen und die ganze Menschheitsfamilie.“

(rv 21.06.2014 sk)








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