2014-06-20 13:22:40

Libanon: Land der Flüchtlinge


RealAudioMP3 Anderthalb Millionen Syrer halten sich nach offiziellen Angaben als Flüchtlinge im Libanon auf. Das führt, wie der Malteser-International-Programmkoordinator für den Libanon sagt, zu einem traurigen Rekord. Conrad Hoyos zu Radio Vatikan:

Der Libanon ist das Land, wo es im Moment den höchsten Anteil an Flüchtlingen gibt. Sie müssen sich vorstellen: Das Land hat etwa viereinhalb Millionen normale Einwohner, wobei davon schon ein Teil Flüchtlinge sind, aber Flüchtlinge, die schon seit sechzig Jahren da sind, zum Beispiel die Palästinenser. Jetzt sind aktuell sind etwa 1,5 Millionen Flüchtlinge dazugekommen. Das heisst: Etwa zwanzig Prozent der jetzigen Bevölkerung sind Flüchtlinge!

Die libanesische Regierung hat eine „No camp-policy“ eingeführt, womit sie offizielle und organisierte Flüchtlingslager verhindern will. Die Flüchtlinge siedeln sich daher an den verschiedensten Stellen im Land an, teilweise in Garagen und in leerstehenden Häusern, doch in den meisten Fällen bauen sie sich ihre Unterkünfte aus Plastikplanen und Holz - aus den Materialien also, die eben gerade zur Verfügung stehen. Conrad Hoyos konnte sich einen Eindruck von der problematischen Lage machen.

Ich bin letzte Woche aus dem Libanon wiedergekommen, nachdem ich vier Wochen dort gewesen war und mich auch wirklich sehr breit umgesehen hatte. Ich bin u.a. an die syrische Grenze gefahren und kann mir jetzt ganz gut vorstellen, wie die Situation ist. Also, wenn man in Beirut ist, merkt man eigentlich wenig, dort herrscht ein ganz normales Leben, sehr geschäftig, ganz unauffällig. Wenn man dann aber in Richtung Grenze fährt, besonders in den Norden, dann ist es wirklich nicht zu übersehen: An jedem Straßenrand gibt es informelle Lager, Zelte, man sieht die Leute auf der Straße... Da ist es nicht zu übersehen, dass dort ein massives Problem herrscht."

Einen großen Mangel gibt es laut Hoyos bei den hygienischen und gesundheitlichen Bedingungen. Besonders den Gesundheitszentren und Krankenhäusern fehlt es an finanziellen Mitteln, um die Flüchtlinge zu versorgen. Es können nur diejenigen behandelt werden, die auch die Kosten zahlen können, berichtet Conrad Hoyos.

"Bei der gesundheitlichen Versorgung muss man zwei Dinge unterscheiden. Es gibt die primäre Versorgung, wenn man zum Hausarzt geht; das ist relativ gut abgedeckt. Hingegen ist die sekundäre Versorgung nicht so gut abgedeckt. Also, wenn man zum Spezialisten oder ins Krankenhaus muss. Es gibt natürlich libanesische Ärzte, Spezialisten und Krankenhäuser - aber da ist die Frage, wer bezahlt das? Im Libanon sind die meisten Ärzte und Krankenhäuser nur für Privatpatienten, und da muss man dann schon Geld auf den Tisch legen, um behandelt zu werden. Und das UNHCR, die UNO-Hauptorganisation für die Flüchtlingskrise, leidet unter einem starken Mangel an finanziellen Mitteln. Sie haben die Kostenübernahme auf Notfälle beschränkt. Das heißt, chronisch kranke Patienten oder Patienten mit einer geringen Heilungsaussicht sind unterversorgt, können praktisch gar nicht versorgt werden. Diese gehen dann von einer Hilfsorganisation zur anderen mit der Hoffnung, irgendwo finanzielle Unterstützung zu bekommen. Besonders betrifft das natürlich die ältere Bevölkerung, die oft gar nicht mehr versorgt werden kann."

Malteser International hat eine mobile Klinik ins Leben gerufen. Dort bekommen sowohl Flüchtlinge als auch Einheimische die Möglichkeit, kostenlos behandelt zu werden.

In einer Gegend direkt an der syrischen Grenze haben sich die libanesischen Malteser mit einer lokalen Hilfsorganisation zusammengetan, und das ist ein sehr schönes Beispiel für eine gute Kooperation mit einer muslimischen Organisation. Sie betreiben dort ein festes Gesundheitszentrum, und an dieses Gesundheitszentrum wird jetzt diese mobile Klinik angehängt. Das heißt, die lokale Gesundheitsstation kann ihren Service näher an die Patienten heranbringen; die müssen dann nicht mehr zehn oder zwanzig km zu der Gesundheitsstation laufen, sondern wir fahren zu den Flüchtlingen hin, und gleichzeitig wird die Gesundheitsstation von alltäglichen Fällen entlastet. Alle Patienten, die zu uns kommen, werden dort behandelt. Es ist ganz wichtig, dass die libanesische, einheimische Bevölkerung sich nicht ausgeschlossen oder benachteiligt fühlt. Also, syrische Flüchtlinge, aber auch die einheimische Bevölkerung können in die mobile Station kommen und werden dort kostenlos behandelt!"

(rv 20.06.2014 jb)








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