Anderthalb Millionen
Syrer halten sich nach offiziellen Angaben als Flüchtlinge im Libanon auf. Das führt,
wie der Malteser-International-Programmkoordinator für den Libanon sagt, zu einem
traurigen Rekord. Conrad Hoyos zu Radio Vatikan:
„Der Libanon ist
das Land, wo es im Moment den höchsten Anteil an Flüchtlingen gibt. Sie müssen sich
vorstellen: Das Land hat etwa viereinhalb Millionen normale Einwohner, wobei davon
schon ein Teil Flüchtlinge sind, aber Flüchtlinge, die schon seit sechzig Jahren da
sind, zum Beispiel die Palästinenser. Jetzt sind aktuell sind etwa 1,5 Millionen Flüchtlinge
dazugekommen. Das heisst: Etwa zwanzig Prozent der jetzigen Bevölkerung sind Flüchtlinge!“
Die
libanesische Regierung hat eine „No camp-policy“ eingeführt, womit sie offizielle
und organisierte Flüchtlingslager verhindern will. Die Flüchtlinge siedeln sich daher
an den verschiedensten Stellen im Land an, teilweise in Garagen und in leerstehenden
Häusern, doch in den meisten Fällen bauen sie sich ihre Unterkünfte aus Plastikplanen
und Holz - aus den Materialien also, die eben gerade zur Verfügung stehen. Conrad
Hoyos konnte sich einen Eindruck von der problematischen Lage machen.
„Ich
bin letzte Woche aus dem Libanon wiedergekommen, nachdem ich vier Wochen dort gewesen
war und mich auch wirklich sehr breit umgesehen hatte. Ich bin u.a. an die syrische
Grenze gefahren und kann mir jetzt ganz gut vorstellen, wie die Situation ist. Also,
wenn man in Beirut ist, merkt man eigentlich wenig, dort herrscht ein ganz normales
Leben, sehr geschäftig, ganz unauffällig. Wenn man dann aber in Richtung Grenze fährt,
besonders in den Norden, dann ist es wirklich nicht zu übersehen: An jedem Straßenrand
gibt es informelle Lager, Zelte, man sieht die Leute auf der Straße... Da ist es nicht
zu übersehen, dass dort ein massives Problem herrscht."
Einen großen Mangel
gibt es laut Hoyos bei den hygienischen und gesundheitlichen Bedingungen. Besonders
den Gesundheitszentren und Krankenhäusern fehlt es an finanziellen Mitteln, um die
Flüchtlinge zu versorgen. Es können nur diejenigen behandelt werden, die auch die
Kosten zahlen können, berichtet Conrad Hoyos.
"Bei der gesundheitlichen
Versorgung muss man zwei Dinge unterscheiden. Es gibt die primäre Versorgung, wenn
man zum Hausarzt geht; das ist relativ gut abgedeckt. Hingegen ist die sekundäre Versorgung
nicht so gut abgedeckt. Also, wenn man zum Spezialisten oder ins Krankenhaus muss.
Es gibt natürlich libanesische Ärzte, Spezialisten und Krankenhäuser - aber da ist
die Frage, wer bezahlt das? Im Libanon sind die meisten Ärzte und Krankenhäuser nur
für Privatpatienten, und da muss man dann schon Geld auf den Tisch legen, um behandelt
zu werden. Und das UNHCR, die UNO-Hauptorganisation für die Flüchtlingskrise, leidet
unter einem starken Mangel an finanziellen Mitteln. Sie haben die Kostenübernahme
auf Notfälle beschränkt. Das heißt, chronisch kranke Patienten oder Patienten mit
einer geringen Heilungsaussicht sind unterversorgt, können praktisch gar nicht versorgt
werden. Diese gehen dann von einer Hilfsorganisation zur anderen mit der Hoffnung,
irgendwo finanzielle Unterstützung zu bekommen. Besonders betrifft das natürlich die
ältere Bevölkerung, die oft gar nicht mehr versorgt werden kann."
Malteser
International hat eine mobile Klinik ins Leben gerufen. Dort bekommen sowohl Flüchtlinge
als auch Einheimische die Möglichkeit, kostenlos behandelt zu werden.
„In
einer Gegend direkt an der syrischen Grenze haben sich die libanesischen Malteser
mit einer lokalen Hilfsorganisation zusammengetan, und das ist ein sehr schönes Beispiel
für eine gute Kooperation mit einer muslimischen Organisation. Sie betreiben dort
ein festes Gesundheitszentrum, und an dieses Gesundheitszentrum wird jetzt diese mobile
Klinik angehängt. Das heißt, die lokale Gesundheitsstation kann ihren Service näher
an die Patienten heranbringen; die müssen dann nicht mehr zehn oder zwanzig km zu
der Gesundheitsstation laufen, sondern wir fahren zu den Flüchtlingen hin, und gleichzeitig
wird die Gesundheitsstation von alltäglichen Fällen entlastet. Alle Patienten, die
zu uns kommen, werden dort behandelt. Es ist ganz wichtig, dass die libanesische,
einheimische Bevölkerung sich nicht ausgeschlossen oder benachteiligt fühlt. Also,
syrische Flüchtlinge, aber auch die einheimische Bevölkerung können in die mobile
Station kommen und werden dort kostenlos behandelt!" (rv 20.06.2014
jb)