Die Asylverfahren
für Flüchtlinge sind in den europäischen Ländern klar geregelt, doch in der Integrationspolitik
fehlt es häufig an Strategien, die wirklich funktionieren. Das Projekt „Re-Lab: start-up
your business“, das über den EU-Flüchtlingsfonds (EFF) finanziert und in Zusammenarbeit
mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) durchgeführt wird, soll die Integration
von Migranten verbessern. Das Rezept: Flüchtlinge nicht nur in Arbeit vermitteln,
sondern sie selbst neue Arbeitsplätze schaffen lassen – als Unternehmer. Anne Preckel
hat sich das Projekt in Italien angesehen.
Vom Flüchtling zum Unternehmer –
das ist heute eine realistische Perspektive für qualifizierte Migranten und ein potentieller
Wachstumsfaktor für die einheimische Wirtschaft. Immerhin 14 Flüchtlinge konnten in
Italien dank des Projektes „Re-Lab: start-up your business“ in diesem Jahr ein eigenes
Unternehmen gründen. In Italien wird das Projekt nicht nur von den EU-Geldern, sondern
auch durch Zuschüsse des Innenministeriums finanziert und u.a. vom Italienischen Flüchtlingsrat
(CIR) begleitet. Monica Rossi Rizzi, die Koordinatorin des Projektes in Italien von
seiten der Internationalen Arbeitsorganisation, erklärt den Ablauf gegenüber Radio
Vatikan:
„Mittels eines Auswahlverfahrens haben wir etwa hundert Flüchtlinge
ausgewählt, die eine Ausbildung in Italien gemacht haben. Am Ende dieser Phase hat
die Kommission eine Finanzierung von zwanzig Unternehmerprojekten für möglich erachtet,
von denen letztlich vierzehn Projekte Gelder ohne Rückzahlpflicht und eine komplette
technische Unterstützung für die ersten Monate des jeweiligen Start-up-Unternehmens
erhalten haben.“
„Re-Lab“ entwickelt mit den ausgewählten Migranten realistische
Geschäftsideen, die bis zur konkreten Umsetzung begleitet werden. Rossi Rizzi:
„Angesichts
eines fehlenden nationalen Integrationsprogramms in Italien kann die Entwicklung eines
eigenen Unternehmens eine effiziente Antwort sein! Und die Leitlinien, die das Projekt
entwickelt hat, können sicher auch in Zukunft Orientierung für ähnliche Initiativen
geben und gute Ergebnisse erzielen.“
Der 36-jährige Pakistani Muhammad
Irfan hat dank „Re-Lab“ in Italien eine Informatikfirma auf die Beine gestellt. Er
hat klare Ideen und großen Tatendrang. Schon vor Beginn der „Re-Lab“-Ausbildung hatte
er Qualifikationen vorzuweisen:
„Ich bin Elektroingenieur und Mechaniker.
Im letzten Jahr habe ich an einem Kurs teilgenommen, um mit Hilfe von Re-Lab ein Unternehmen
zu gründen. Nach Abschluss des Kurses habe ich einen Businessplan entwickelt und ihn
eingesendet. Ich hatte Glück, denn meine Idee wurde ausgewählt! Heute bin ich sehr,
sehr zufrieden. Jetzt geht es los – und ich hoffe, ich kann mich immer weiter entwickeln
und auch meiner Familie helfen.“
Seit Oktober 2012 haben in Italien insgesamt
341 Migranten an dem Programm teilgenommen. 98 von ihnen haben erfolgreich eine Ausbildung
abgeschlossen. Für vierzehn von ihnen wird es nun ernst: Sie müssen zeigen, dass ihre
Geschäftsidee das Zeug zu erfolgreichen Kleinunternehmen hat. Einfach wird das sicher
nicht: Wirtschaftlich ist die Lage in Italien alles andere als rosig, und auch der
Arbeitsmarkt ist ein schwieriges Pflaster. Gerade deshalb braucht es aber Innovation
und Projekte wie „Re-Lab“ – das denkt Christopher Hein, der Leiter des Italienischen
Flüchtlingsrates „Consiglio italiano per i rifugiati“ (CIR): „Eine neue Idee findet
immer ihren Platz, auch in Krisenzeiten wie diesen“, sagt er. Hein hat in seiner Funktion
viele Erfahrungen mit Flüchtlingen in Italien gesammelt:
„Wir wissen doch
inzwischen, dass die große Mehrheit dieser Menschen nicht wegen der Arbeit kommt,
sondern aus Verzweiflung, um einen Platz zu suchen, an dem sie Schutz erfahren. Bei
diesem Projekt geht es klar um eine breitere Integrationsstrategie. Integration heißt
insbesondere Arbeit, wir wissen aber, dass es schwierig bis unmöglich ist, einen Arbeitsplatz
zu finden. Hier braucht es also auch einen innovativen Ansatz: Es gibt einen unternehmerischen
Bereich, in dem auch Flüchtlinge ihren Weg finden können, wenn sie Unterstützung haben.“
Für
Hein ist der Ansatz nicht nur eine Frage der Menschenwürde – er ist auch eine Investition
in die Zukunft:
„Damit der Flüchtling in Zukunft ein Bürger wird, der Steuern
zahlt und die Anforderungen im Bereich des Handels, des Tourismus und des Handwerks
erfüllt.“
Der Zuwachs ausländischer Unternehmen in Italien beträgt jährlich
um 5,4 Prozent; sieben Milliarden Euro werden durch sie schätzungsweise zusätzlich
erwirtschaftet. Die Zahl der beschäftigten Ausländer ist 2013 um 850.000 gestiegen;
ausländische Unternehmen stellten etwa 7,8 Prozent aller Unternehmen im Land. Die
Zahlen stammen aus der Migrationsstatistik des Jahres 2013. (rv 16.06.2014 pr)