2014-06-16 12:26:51

EU: Vom Flüchtling zum Unternehmer


RealAudioMP3 Die Asylverfahren für Flüchtlinge sind in den europäischen Ländern klar geregelt, doch in der Integrationspolitik fehlt es häufig an Strategien, die wirklich funktionieren. Das Projekt „Re-Lab: start-up your business“, das über den EU-Flüchtlingsfonds (EFF) finanziert und in Zusammenarbeit mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) durchgeführt wird, soll die Integration von Migranten verbessern. Das Rezept: Flüchtlinge nicht nur in Arbeit vermitteln, sondern sie selbst neue Arbeitsplätze schaffen lassen – als Unternehmer. Anne Preckel hat sich das Projekt in Italien angesehen.

Vom Flüchtling zum Unternehmer – das ist heute eine realistische Perspektive für qualifizierte Migranten und ein potentieller Wachstumsfaktor für die einheimische Wirtschaft. Immerhin 14 Flüchtlinge konnten in Italien dank des Projektes „Re-Lab: start-up your business“ in diesem Jahr ein eigenes Unternehmen gründen. In Italien wird das Projekt nicht nur von den EU-Geldern, sondern auch durch Zuschüsse des Innenministeriums finanziert und u.a. vom Italienischen Flüchtlingsrat (CIR) begleitet. Monica Rossi Rizzi, die Koordinatorin des Projektes in Italien von seiten der Internationalen Arbeitsorganisation, erklärt den Ablauf gegenüber Radio Vatikan:

„Mittels eines Auswahlverfahrens haben wir etwa hundert Flüchtlinge ausgewählt, die eine Ausbildung in Italien gemacht haben. Am Ende dieser Phase hat die Kommission eine Finanzierung von zwanzig Unternehmerprojekten für möglich erachtet, von denen letztlich vierzehn Projekte Gelder ohne Rückzahlpflicht und eine komplette technische Unterstützung für die ersten Monate des jeweiligen Start-up-Unternehmens erhalten haben.“

„Re-Lab“ entwickelt mit den ausgewählten Migranten realistische Geschäftsideen, die bis zur konkreten Umsetzung begleitet werden. Rossi Rizzi:

„Angesichts eines fehlenden nationalen Integrationsprogramms in Italien kann die Entwicklung eines eigenen Unternehmens eine effiziente Antwort sein! Und die Leitlinien, die das Projekt entwickelt hat, können sicher auch in Zukunft Orientierung für ähnliche Initiativen geben und gute Ergebnisse erzielen.“

Der 36-jährige Pakistani Muhammad Irfan hat dank „Re-Lab“ in Italien eine Informatikfirma auf die Beine gestellt. Er hat klare Ideen und großen Tatendrang. Schon vor Beginn der „Re-Lab“-Ausbildung hatte er Qualifikationen vorzuweisen:

Ich bin Elektroingenieur und Mechaniker. Im letzten Jahr habe ich an einem Kurs teilgenommen, um mit Hilfe von Re-Lab ein Unternehmen zu gründen. Nach Abschluss des Kurses habe ich einen Businessplan entwickelt und ihn eingesendet. Ich hatte Glück, denn meine Idee wurde ausgewählt! Heute bin ich sehr, sehr zufrieden. Jetzt geht es los – und ich hoffe, ich kann mich immer weiter entwickeln und auch meiner Familie helfen.“

Seit Oktober 2012 haben in Italien insgesamt 341 Migranten an dem Programm teilgenommen. 98 von ihnen haben erfolgreich eine Ausbildung abgeschlossen. Für vierzehn von ihnen wird es nun ernst: Sie müssen zeigen, dass ihre Geschäftsidee das Zeug zu erfolgreichen Kleinunternehmen hat. Einfach wird das sicher nicht: Wirtschaftlich ist die Lage in Italien alles andere als rosig, und auch der Arbeitsmarkt ist ein schwieriges Pflaster. Gerade deshalb braucht es aber Innovation und Projekte wie „Re-Lab“ – das denkt Christopher Hein, der Leiter des Italienischen Flüchtlingsrates „Consiglio italiano per i rifugiati“ (CIR): „Eine neue Idee findet immer ihren Platz, auch in Krisenzeiten wie diesen“, sagt er. Hein hat in seiner Funktion viele Erfahrungen mit Flüchtlingen in Italien gesammelt:

„Wir wissen doch inzwischen, dass die große Mehrheit dieser Menschen nicht wegen der Arbeit kommt, sondern aus Verzweiflung, um einen Platz zu suchen, an dem sie Schutz erfahren. Bei diesem Projekt geht es klar um eine breitere Integrationsstrategie. Integration heißt insbesondere Arbeit, wir wissen aber, dass es schwierig bis unmöglich ist, einen Arbeitsplatz zu finden. Hier braucht es also auch einen innovativen Ansatz: Es gibt einen unternehmerischen Bereich, in dem auch Flüchtlinge ihren Weg finden können, wenn sie Unterstützung haben.“

Für Hein ist der Ansatz nicht nur eine Frage der Menschenwürde – er ist auch eine Investition in die Zukunft:

„Damit der Flüchtling in Zukunft ein Bürger wird, der Steuern zahlt und die Anforderungen im Bereich des Handels, des Tourismus und des Handwerks erfüllt.“

Der Zuwachs ausländischer Unternehmen in Italien beträgt jährlich um 5,4 Prozent; sieben Milliarden Euro werden durch sie schätzungsweise zusätzlich erwirtschaftet. Die Zahl der beschäftigten Ausländer ist 2013 um 850.000 gestiegen; ausländische Unternehmen stellten etwa 7,8 Prozent aller Unternehmen im Land. Die Zahlen stammen aus der Migrationsstatistik des Jahres 2013.
(rv 16.06.2014 pr)








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