Ein früherer katholischer Priester mit erklärt kirchenkritischen Ansichten hat keinen
Anspruch auf eine Beschäftigung als Religionslehrer. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof
in Straßburg wies am Donnerstag die Klage eines Spaniers zurück, der gegen die Nichtverlängerung
seines Lehrervertrags an einer staatlichen Schule protestiert hatte. Die Richter urteilten,
die Kirche könne von Religionspädagogen eine Übereinstimmung mit dem kirchlichen Lehramt
erwarten. Der Entzug der Lehrerlaubnis sei durch die Autonomie der Kirche unter der
Europäischen Menschenrechtskonvention gedeckt. Die Entscheidung erging mit neun zu
acht Stimmen knapp.
Der 1937 geborene Kläger Jose Antonio Fernandez Martinez
hatte 1984 beim Vatikan die Befreiung von seinem Gelübde der Ehelosigkeit beantragt
und 1985 zivil geheiratet. Seit 1991 unterrichtete er, inzwischen Vater von fünf Kindern,
katholische Religion und Ethik an einer staatlichen Oberschule in der Region Murcia.
1996 erschien dort in einer Tageszeitung ein Beitrag über die „Bewegung für einen
freiwilligen Zölibat“, in der Fernandez als aktives Mitglied auftrat. In dem Artikel
äußerte die Gruppe Kritik an kirchlichen Positionen zu Abtreibung, Scheidung, Sexualität
und Empfängnisverhütung.
1997 befreite der Vatikan Fernandez von seinen priesterlichen
Gelübden, verbunden mit der Auflage, nicht weiter als katholischer Religionslehrer
zu arbeiten, sofern nicht der Ortsbischof anders entscheide. Zwei Wochen später teilte
der Bischof von Cartagena dem Bildungsministerium mit, der Lehrauftrag für Fernandez
solle nicht erneuert werden. Ein Arbeitsgericht in Murcia gab dem Lehrer mit einer
Diskriminierungsklage Recht. Hingegen schloss sich der Oberste Gerichtshof in Madrid
2001 in einem Berufungsverfahren der Sicht des Bildungsministeriums an, der Bischof
habe im Rahmen der kirchenrechtlichen Vorgaben korrekt gehandelt. Zudem sei die Nichtverlängerung
des Vertrags nicht mit einer Entlassung gleichzusetzen. Vor dem spanischen Verfassungsgericht
scheiterte Fernandez.
Der Menschenrechtgerichtshof in Straßburg erkannte im
Verhalten der spanischen Regierungsbehörden und der Kirchenleitung keine Beeinträchtigung
des Schutzes des Privatlebens. Die Kirche könne zu Recht eine besondere Loyalität
von Religionslehrern erwarten, da diese als Repräsentanten der Kirche angesehen werden
könnten. Widersprüche zwischen den zu unterrichtenden Lehren der katholischen Kirche
und der persönlichen Haltung eines Pädagogen könnten zu einem Glaubwürdigkeitsproblem
führen.
Auch der Bischof habe nicht unbegründet oder willkürlich gehandelt,
so die Straßburger Richter. Fernandez als ehemaliger Leiter eines Priesterseminars
hätte voraussehen können, dass sein öffentlicher Widerstand gegen bestimmte Kirchengesetze
Konsequenzen zeitigen würde. Aus den Konkordatsbestimmungen zwischen Spanien und dem
Heiligen Stuhl habe er wissen müssen, dass sein Unterrichtsvertrag ohne kirchliche
Lehrerlaubnis nicht verlängert werden könne.