Heiliger Stuhl in großer Sorge um die Menschen im Irak
Der Heilige Stuhl
ist in großer Sorge um die Menschen im Irak. Im Zweistromland seien zum wiederholten
Mal „Hunderttausende Männer, Frauen und Kinder“ auf der Flucht, weil „das Versprechen
von Stabilität und Leben mit einem Schlag zunichte sei“, heißt es in einer Mitteilung
der vatikanischen Ostkirchen-Kongregation von diesem Freitag. Man verfolge die weitere
„Verschlimmerung der bereits heiklen Lage“ im Irak „mit großer Beunruhigung“. Präfekt
Kardinal Leonardo Sandri habe am Morgen in einem Telefonat dem chaldäischen Erzbischof
von Mossul, Amel Shamon Nona, seine Nähe und Verfügbarkeit versichert. Mossul wurde
vor ein paar Tagen von den Kämpfern der Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und
Syrien (Isis) eingenommen.
Auch Radio Vatikan hat am Freitagvormittag mit
Erzbischof Nona telefonieren können. Allein in Mossul haben Schätzungen zufolge eine
halbe Million Menschen ihre Häuser verlassen. Bischof Nona sagte uns, von den rund
1.200 christlichen Familien der Stadt seien praktisch alle in Dörfer der Ninive-Ebene
geflohen; auch er selbst und seine Priester seien unter ihnen.
„Fast alle
sind geflüchtet, ohne irgendetwas mitzunehmen. Wir haben versucht, ihnen Plätze in
Kircheneinrichtungen in den Dörfern der Ninive-Ebene zu verschaffen. So sind in den
Schulklassen für Religionsunterricht jetzt Familien untergebracht, in den Kirchen,
in alten Häusern. Andere leben in Zelten nahe der kurdischen Grenze. Bleibt die Lage
so, dann werden die Leute binnen kürzester Zeit auf Hilfe angewiesen sein.“
Eroberung
Mossuls unter seltsamen Umständen
Die Dorfbevölkerung, auch die muslimische,
tue alles, was sie könne, um den Flüchtlingen zu helfen, sagte der Bischof. Es fehle
aber an Nahrung, Wasser und Hygienemitteln; das Klima sei dort sehr heiß. Unterdessen
fahren die Dschihadisten mit ihrem Eroberungszug fort. In Mossul allerdings – der
zweitgrößten Stadt des Irak - sei nach dem Einzug der Terroristen relative Ruhe eingekehrt,
sagt Erzbischof Nona. Er dementierte einen zuvor kolportierten Kopftuchzwang für Frauen
und auch das Gerücht, es sei zu Zerstörungsaktionen von Kirchen gekommen. Die Kämpfer
zeigten offenbar die Absicht, die öffentliche Ordnung zu gewährleisten.
„Eine
Kirche meiner Diözese, die Heilig-Geist-Kirche in Mossul, wurde geplündert; wir wissen
aber nicht, ob es Kämpfer oder einfach Diebe waren. Wir wissen aber, dass die muslimischen
Nachbarn versucht haben, die Kirche zu verteidigen. Ein Haus der armenischen Kirche
wurde verbrannt; vor dem Fall Mossuls war das Militär in diesem Haus. Die Leute fühlen
sich ohnmächtig, sie spüren, dass sie nichts tun können gegen die Dschihadisten. Die
Sprache, die jetzt gesprochen wird, ist die Sprache der Gewalt.“
Die Eroberung
Mossuls vor drei Tagen lief nach Nonas Worten „auf ziemlich mysteriöse Weise“ ab.
„Es ist nicht ganz verständlich, wie es geschehen konnte, dass so viele Soldaten und
Polizeibeamte die Stadt innerhalb von einer Stunde verlassen und Waffen und Transportmittel
zurückgelassen haben. Dies alles wirft viele Fragen auf”.
Die Heilig-Geist-Kirche
in Mossul war bereits mehrmals Schauplatz blutiger Attacken. Am 3. Juni 2007 wurden
dort der Pfarrer Ragheed Ganni und drei Diakone ermordet. Aus derselben Pfarrei entführten
unbekannte Täter Erzbischof Paulos Faraj Rahho, dessen Leiche am 13. März 2008 gefunden
wurde.