In der italienischen
Presse wird der Begegnung im Vatikan viel Platz eingeräumt. Sie zeichnet das Gebetstreffen
als „historische Begegnung“. Der „Corriere della sera“ titelt: „Mut des Friedens
– Papst drängt Peres und Abu Mazen zur Umarmung“. Das Blatt berichtet aber auch, dass
sich die Geister der jüdischen Gemeinschaft Italiens an der Initiative scheiden. So
war der Kopf der römischen jüdischen Gemeinschaft, der Rabbiner Riccardo Di Segni,
dem Gebetstreffen fern geblieben. Er hätte es vorgezogen, dass das Gebetstreffen -
wie ursprünglich angedacht - in Jerusalem stattgefunden hätte. Schließlich sei Jerusalem
„die Heilige Stadt der drei Religionen und nicht der Vatikan“, so der Rabbiner von
Rom. Di Segni hatte ebenfalls kritisiert, warum ein „Laie“ wie Israels Präsident Peres
an der Begegnung teilnehme; das Treffen habe doch explizit religiösen Charakter, Peres
sei hingegen kaum religiös, so Di Segni. Die nationale Union der jüdischen Gemeinschaften
in Italien sah über solche Details hinweg: Ihr Präsident Renzo Gattegna habe dem
Papst nach der Begegnung die tiefe Dankbarkeit der jüdischen Gemeinschaft überbracht,
schreibt der Corriere. Dem Vernehmen nach hat der Papst jüdischen Teilnehmern am Gebetstreffen
gegenüber angekündigt, er werde bald die Synagoge in Rom besuchen.
Ernüchternd
ist das Urteil der wichtigsten Zeitungen in Jerusalem über die Begegnung im Vatikan.
Die „Jerusalem Post“ unterstreicht den sehr „formalen“ Charakter der Begegnung
im Vatikan. Es sei das erste Mal seit über einem Jahr gewesen, dass sich Mahmud Abbas
und Shimon Peres öffentlich getroffen hätten. Der Vatikan habe im Vorfeld versucht,
zu hohe Erwartungen zu dämpfen – und in der Tat habe es keinen Durchbruch in Rom gegeben,
so die „Jerusalem Post“: Die beiden Präsidenten hätten zwar „versöhnliche“ Worte
gefunden, Signale eines möglichen Kompromisses im Konflikt habe es allerdings nicht
gegeben, urteilt die Zeitung.
Als „leeres Gebet für Frieden“ beschreibt die
israelische Zeitung „Ha'aretz“ das Gebetstreffen. Die beiden Präsidenten hätten
wohl „einen Tag Pause mit Franziskus“ begrüßt, mit dem Gebetstreffen selbst aber nicht
viel anfangen können, heißt es in einem Kommentar zur Begegnung im Vatikan. Darin
werden der Papst und die Politiker Abbas und Peres gegenübergestellt: Während Bergoglio
sein Leben der Ausbildung, der Spiritualität und pastoralen Pflichten gewidmet habe,
hätten der israelische und palästinensische Präsident nationale Bewegungen aufgebaut
und ihre Rivalen geschickt außer Gefecht gesetzt, schreibt Ha'aretz. Die beiden Politiker
gehörten einer Generation an, die sich von religiösen Traditionen entfernt habe. Und
mit einem spöttischen Unterton schreibt der Kommentator weiter: „Wären Peres und Abbas
spiritueller gewesen, hätten sie sich nach Beginn des Oslo-Friedensprozesses in jedem
ihrer Dutzenden, ja hundertfachen Treffen im Gebet vereinen können.“ Tatsächlich aber
habe keine Seite dem für eine Lösung des Konfliktes notwendigen Kompromiss eine Chance
gegeben, urteilt Ha'aretz. Bei der „tadellos durchchoreografierten Zeremonie“ in den
vatikanischen Gärten hätten die beiden Politiker gleichmütig ihre jeweilige Rolle
gespielt, fährt Haa’retz fort: „Die Musik war ein Traum und die Liturgie perfekt,
doch keiner von beiden schien große Gebete zu sprechen. Möglicherweise dachten sie
für sich: Dies ist nicht Religion, wie sie im Nahen Osten verstanden wird.“ In seiner
Online-Ausgabe bringt die Zeitung einen Video-Zusammenschnitt der Begegnung vom Sonntagabend.
Die
US-Zeitung „New York Times“ beschreibt das Gebetstreffen im Vatikan als „reichlich
symbolische Zeremonie“. In dem Bericht werden die Reden der beiden Präsidenten auf
mögliche Provokationen abgeklopft. In ihren Ansprachen hätten Peres und Abbas die
bekannten politischen Phrasen zwar vermieden – so hätten sie die Grenzen von 1967
und auch Sicherheitsfragen nicht erwähnt. Der Palästinenserpräsident habe beispielsweise
die Begriffe „Besetzung“ und „Israel“ vermieden (die Zeitung bezieht sich auf die
englischen Übersetzungen der Reden), Israels Präsident habe etwa den Raketenbeschuss
seines Landes vom Gaza-Streifen aus nicht erwähnt. Allerdings habe es einige „subtile
Provokationen“ gegeben, schreibt die „New York Times“ weiter. So habe Abbas Jerusalem,
das von beiden Seiten als ihre Hauptstadt betrachtet wird, „unsere Heilige Stadt“
genannt und sich auf das „Heilige Land Palästina“ bezogen. Peres habe Jerusalem zwar
als „pulsierendes Herz des jüdischen Volkes“ bezeichnet, doch auch als „Wiege der
drei monotheistischen Religionen“.
An erster Stelle hebt das Blatt die Hoffnung
des Papstes hervor, die Begegnung möge der Beginn einer „neuen Reise“ sein, auf der
Trennungen überwunden und Einheit hergestellt werden könne. Ob die allgemein begrüßte
Vermittlungsgeste des Papstes tatsächlich den blockierten Friedensprozess zwischen
Israelis und Palästinensern wiederbeleben könne, darüber hätten viele Nahost-Experten
Skepsis geäußert, referiert die Zeitung. Immerhin habe Franziskus es geschafft, die
beiden zusammenzubringen, und nach der Zeremonie mit dem Papst habe es ein privates
Treffen beider Politiker gegeben. Die politische Lage, in der die Begegnung stattfand,
sei freilich „angespannt“, schreibt die New York Times: das Treffen finde kurz nach
dem Pakt der neuen palästinensischen Regierung mit der militanten Hamas-Bewegung sowie
der Vereidigung vor knapp einer Woche statt. Unerwähnt bleibt in der Zeitung die jüngste
Genehmigung neuer jüdischer Siedlungen durch Israel im Westjordanland - die als Reaktion
auf Palästinas letzte Aktionen gewertet wird. Israels Kabinett habe Peres‘ Vatikanreise
zwar genehmigt, seine Teilnahme am Friedenstreffen aber angesichts der politischen
Lage mit einer gewissen Sorge beäugt, referiert die „New York Times“ weiter. Abschließend
wird in dem Artikel die Hoffnung eines argentinischen Pilgers in Rom wiedergegeben:
„Der Papst kann keine politische Übereinkunft unterzeichnen, aber er ist ein Symbol
und kann Völker und Politiker zum Nachdenken bringen.“