2014-06-09 15:30:55

Die Presse zu den Friedensgebeten von Rom


RealAudioMP3 In der italienischen Presse wird der Begegnung im Vatikan viel Platz eingeräumt. Sie zeichnet das Gebetstreffen als „historische Begegnung“. Der „Corriere della sera“ titelt: „Mut des Friedens – Papst drängt Peres und Abu Mazen zur Umarmung“. Das Blatt berichtet aber auch, dass sich die Geister der jüdischen Gemeinschaft Italiens an der Initiative scheiden. So war der Kopf der römischen jüdischen Gemeinschaft, der Rabbiner Riccardo Di Segni, dem Gebetstreffen fern geblieben. Er hätte es vorgezogen, dass das Gebetstreffen - wie ursprünglich angedacht - in Jerusalem stattgefunden hätte. Schließlich sei Jerusalem „die Heilige Stadt der drei Religionen und nicht der Vatikan“, so der Rabbiner von Rom. Di Segni hatte ebenfalls kritisiert, warum ein „Laie“ wie Israels Präsident Peres an der Begegnung teilnehme; das Treffen habe doch explizit religiösen Charakter, Peres sei hingegen kaum religiös, so Di Segni. Die nationale Union der jüdischen Gemeinschaften in Italien sah über solche Details hinweg: Ihr Präsident Renzo Gattegna habe dem Papst nach der Begegnung die tiefe Dankbarkeit der jüdischen Gemeinschaft überbracht, schreibt der Corriere. Dem Vernehmen nach hat der Papst jüdischen Teilnehmern am Gebetstreffen gegenüber angekündigt, er werde bald die Synagoge in Rom besuchen.

Ernüchternd ist das Urteil der wichtigsten Zeitungen in Jerusalem über die Begegnung im Vatikan. Die „Jerusalem Post“ unterstreicht den sehr „formalen“ Charakter der Begegnung im Vatikan. Es sei das erste Mal seit über einem Jahr gewesen, dass sich Mahmud Abbas und Shimon Peres öffentlich getroffen hätten. Der Vatikan habe im Vorfeld versucht, zu hohe Erwartungen zu dämpfen – und in der Tat habe es keinen Durchbruch in Rom gegeben, so die „Jerusalem Post“: Die beiden Präsidenten hätten zwar „versöhnliche“ Worte gefunden, Signale eines möglichen Kompromisses im Konflikt habe es allerdings nicht gegeben, urteilt die Zeitung.

Als „leeres Gebet für Frieden“ beschreibt die israelische Zeitung „Ha'aretz“ das Gebetstreffen. Die beiden Präsidenten hätten wohl „einen Tag Pause mit Franziskus“ begrüßt, mit dem Gebetstreffen selbst aber nicht viel anfangen können, heißt es in einem Kommentar zur Begegnung im Vatikan. Darin werden der Papst und die Politiker Abbas und Peres gegenübergestellt: Während Bergoglio sein Leben der Ausbildung, der Spiritualität und pastoralen Pflichten gewidmet habe, hätten der israelische und palästinensische Präsident nationale Bewegungen aufgebaut und ihre Rivalen geschickt außer Gefecht gesetzt, schreibt Ha'aretz. Die beiden Politiker gehörten einer Generation an, die sich von religiösen Traditionen entfernt habe. Und mit einem spöttischen Unterton schreibt der Kommentator weiter: „Wären Peres und Abbas spiritueller gewesen, hätten sie sich nach Beginn des Oslo-Friedensprozesses in jedem ihrer Dutzenden, ja hundertfachen Treffen im Gebet vereinen können.“ Tatsächlich aber habe keine Seite dem für eine Lösung des Konfliktes notwendigen Kompromiss eine Chance gegeben, urteilt Ha'aretz. Bei der „tadellos durchchoreografierten Zeremonie“ in den vatikanischen Gärten hätten die beiden Politiker gleichmütig ihre jeweilige Rolle gespielt, fährt Haa’retz fort: „Die Musik war ein Traum und die Liturgie perfekt, doch keiner von beiden schien große Gebete zu sprechen. Möglicherweise dachten sie für sich: Dies ist nicht Religion, wie sie im Nahen Osten verstanden wird.“ In seiner Online-Ausgabe bringt die Zeitung einen Video-Zusammenschnitt der Begegnung vom Sonntagabend.

Die US-Zeitung „New York Times“ beschreibt das Gebetstreffen im Vatikan als „reichlich symbolische Zeremonie“. In dem Bericht werden die Reden der beiden Präsidenten auf mögliche Provokationen abgeklopft. In ihren Ansprachen hätten Peres und Abbas die bekannten politischen Phrasen zwar vermieden – so hätten sie die Grenzen von 1967 und auch Sicherheitsfragen nicht erwähnt. Der Palästinenserpräsident habe beispielsweise die Begriffe „Besetzung“ und „Israel“ vermieden (die Zeitung bezieht sich auf die englischen Übersetzungen der Reden), Israels Präsident habe etwa den Raketenbeschuss seines Landes vom Gaza-Streifen aus nicht erwähnt. Allerdings habe es einige „subtile Provokationen“ gegeben, schreibt die „New York Times“ weiter. So habe Abbas Jerusalem, das von beiden Seiten als ihre Hauptstadt betrachtet wird, „unsere Heilige Stadt“ genannt und sich auf das „Heilige Land Palästina“ bezogen. Peres habe Jerusalem zwar als „pulsierendes Herz des jüdischen Volkes“ bezeichnet, doch auch als „Wiege der drei monotheistischen Religionen“.

An erster Stelle hebt das Blatt die Hoffnung des Papstes hervor, die Begegnung möge der Beginn einer „neuen Reise“ sein, auf der Trennungen überwunden und Einheit hergestellt werden könne. Ob die allgemein begrüßte Vermittlungsgeste des Papstes tatsächlich den blockierten Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern wiederbeleben könne, darüber hätten viele Nahost-Experten Skepsis geäußert, referiert die Zeitung. Immerhin habe Franziskus es geschafft, die beiden zusammenzubringen, und nach der Zeremonie mit dem Papst habe es ein privates Treffen beider Politiker gegeben. Die politische Lage, in der die Begegnung stattfand, sei freilich „angespannt“, schreibt die New York Times: das Treffen finde kurz nach dem Pakt der neuen palästinensischen Regierung mit der militanten Hamas-Bewegung sowie der Vereidigung vor knapp einer Woche statt. Unerwähnt bleibt in der Zeitung die jüngste Genehmigung neuer jüdischer Siedlungen durch Israel im Westjordanland - die als Reaktion auf Palästinas letzte Aktionen gewertet wird. Israels Kabinett habe Peres‘ Vatikanreise zwar genehmigt, seine Teilnahme am Friedenstreffen aber angesichts der politischen Lage mit einer gewissen Sorge beäugt, referiert die „New York Times“ weiter. Abschließend wird in dem Artikel die Hoffnung eines argentinischen Pilgers in Rom wiedergegeben: „Der Papst kann keine politische Übereinkunft unterzeichnen, aber er ist ein Symbol und kann Völker und Politiker zum Nachdenken bringen.“

(rv 09.06.2014 pr)







All the contents on this site are copyrighted ©.