Papst über Strafrecht: „Gerechtigkeit, nicht Rache“
Auch die Kirche hat
ein Wort mitzureden, wenn sich Experten mit dem Strafrecht beschäftigen: Das schreibt
Papst Franziskus in einer Botschaft an zwei Kongresse über internationales Strafrecht,
die in den nächsten Monaten im brasilianischen Rio bzw. in der Hauptstadt von Honduras,
Tegucigalpa, stattfinden. Christen hätten jahrtausendealte Erfahrung mit dem „Kampf
gegen die Schwäche des menschlichen Herzens“. Dabei hätten sich drei Elemente als
wichtig herausgestellt: Das Wiedergutmachen des angerichteten Schadens, das Schuldbekenntnis
und die Reue.
Was das Wiedergutmachen des Schadens betrifft, „hat der Herr
sein Volk gelehrt, dass es notwendigerweise eine Asymmetrie zwischen dem Delikt und
der Strafe gibt“, so der Papst: „Ein verlorenes Auge, ein verlorener Zahn wird nicht
dadurch gerächt, dass man ein Auge bzw. einen Zahn ausreißt.“ Es gehe darum, „dem
Opfer Gerechtigkeit widerfahren zu lassen“, aber nicht darum, „dem Aggressor Schaden
zuzufügen“. Stattdessen sei der gute Samaritaner aus dem Gleichnis Jesu „ein biblisches
Modell für Wiedergutmachung“: Er verfolge nicht den Schuldigen, sondern kümmere sich
um den Verletzten und dessen Bedürfnisse. Wörtlich fährt Franziskus fort: „In unseren
Gesellschaften tendieren wir zu dem Gedanken, dass Delikte gelöst werden, indem der
Delinquent gefasst und verurteilt wird. Dabei übersehen wir oft die angerichteten
Schäden oder sehen nicht genau genug auf die Lage der Opfer. Es wäre aber ein Irrtum,
Wiedergutmachung nur mit der Strafe zu identifizieren. Dann verwechseln wir Gerechtigkeit
mit Rache, was nur zu mehr Gewalt, wenn auch institutionalisierter, führt.“ Die Erfahrung
lehre, „dass härtere Strafen oft nicht die sozialen Probleme lösen noch die Kriminalitätsrate
senken“. Oft führten sie sogar zu „schwerwiegenden Problemen für die Gesellschaften“;
der Papst nennt als Beispiele „überfüllte Gefängnisse“.
Mit deutlichen Worten
erinnert Franziskus an die Verantwortung der Medien: Sie dürften „nicht dazu beitragen,
Alarm oder soziale Panik auszulösen, wenn sie über Verbrechen berichten“. Hier gehe
es „um Leben und Würde von Menschen“, nicht um „Werbung“, „Vorverurteilungen“ oder
das Vorführen der Opfer „aus Sensationsgründen“.
Der Papst führt weiter aus,
dass Strafe für den Täter immer mit Maßnahmen „zur Korrektur, Besserung und Erziehung“
einhergehen müsse. Letzte Wurzeln der Verbrechen seien häufig „wirtschaftliche und
soziale Ungleichheit“ oder „Korruptionsnetze und organisiertes Verbrechen“. Dagegen
reichten „gerechte Gesetze“ nicht; entscheidend seien „Menschen, die fähig sind, diese
Gesetze in die Praxis umzusetzen“. Franziskus wörtlich: „Eine Gesellschaft, die sich
nur nach Marktregeln richtet und falsche Erwartungen und überflüssige Bedürfnisse
weckt, schließt die aus, die nicht auf der Höhe sind, und hindert die Langsamen, Schwachen
oder weniger Begabten daran, sich einen Weg ins Leben zu öffnen.“
Zum Thema
Reue schreibt der Papst, dabei gehe es nicht nur um die „private Bekehrung eines Einzelnen“,
sondern letztlich um die „Rehabilitierung und völlige Wiedereingliederung“ eines Täters
„in die Gemeinschaft“. Reue dürfe „nicht auf die private Sphäre beschränkt“ bleiben,
sondern brauche „auch eine politische und institutionelle Dimension“, das verhelfe
einer Gesellschaft zu einem besseren Zusammenleben.