2014-06-02 11:50:15

Pakistan: Immer mehr Blasphemie


RealAudioMP3 Ein trauriger Rekord: Nie zuvor hat es in Pakistan so viele Fälle von Anklagen wegen (angeblicher) Blasphemie, also Gotteslästerung, gegeben wie in diesem Mai 2014. Darauf macht die christliche Menschenrechtsorganisation „Open Doors“ aufmerksam. Mehrere Christen – nicht nur Asia Bibi, deren Fall internationale Bekanntheit geweckt hat – sitzen deshalb in Todeszellen, sie sollen hingerichtet werden. Solche Blasphemie-Anschuldigungen treffen allerdings nicht nur Christen, nicht nur Nichtmuslime, sondern durchaus auch Muslime: Allein am 14. Mai sind mit einem Schlag 68 islamische Anwälte wegen angeblicher Blasphemie verhaftet worden. Sie hatten zuvor gegen die Verhaftung eines ihrer Kollegen protestiert.

Pater Bonnie Mendes leitet ein Büro für menschliche Entwicklung des Verbands asiatischer katholischer Bischofskonferenzen. Er sagt im Gespräch mit Radio Vatikan:

„Am Blasphemiegesetze hat sich nichts geändert, und es wird immer gefährlicher, weil immer mehr Menschen es zur Anklage verwenden. Mittlerweile bedroht es vielfach die Armen, ganz gleich ob Christen oder Muslime. Aber auch im Umfeld dieses Blasphemie-Paragraphen kommt es zu vielen Tötungen und Morden; wir erinnern uns daran, dass auch ein Gouverneur umgebracht worden ist, weil er sich gegen die Anklage von Asia Bibi ausgesprochen hatte. Das Problem ist: Wer auch immer in die Berufung geht oder an der Rechtmäßigkeit der Anklage zweifelt, wird dadurch zur Zielscheibe der Extremisten. Selbst wenn man nur einmal sagt ‚Lasst uns dieses Gesetz doch ändern’, wird man sofort bedroht. Der Politikerin Sherry Rehman ist das so gegangen: Sie hatte gewagt, eine Überprüfung des Gesetzes zu fordern, musste dann angesichts der Todesdrohungen das Land verlassen und ist jetzt Botschafterin Pakistans in den USA.“

Am 17. Mai ist eine kleine Gruppe von Anhängern der ‚Zeugen Jehovahs’ wegen des Verteilens von Traktaten angeklagt worden. Später ereilte das gleiche Schicksal einen 20-jährigen Muslim, der angeblich einen Koran in Brand gesetzt hatte. Die dritte Anklage an diesem Tag traf den bekanntesten Medienmogul Pakistans, Mir Shakeel-ur-Rehman, sowie einen Fernsehmoderator, eine Schauspielerin und ihren Mann. Ihnen wird zur Last gelegt, für die Ausstrahlung einer Sendung mit gotteslästerlichem Inhalt verantwortlich zu sein. Der sunnitische ‚Ittehad’-Rat, Repräsentationsorgan von 160 Millionen Muslimen, hat vor dem pakistanischen Bundesgericht eine Petition gegen die Medienschaffenden initiiert.

„Wenn jemand dich der Blasphemie anklagt, kannst du nur noch dein Heil in der Flucht suchen; dann wird dein Eigentum konfisziert, wenn du es nicht rechtzeitig verkaufen kannst. Wird jemand der Blasphemie angeklagt, dann steckt meistens ein materieller Grund oder ähnliches dahinter. Die Christen in Pakistan stehen wegen des Blasphemiegesetzes unter ständigem, großem Druck; aber sie gehen weiterhin zur Kirche, beten und sind der Kirche treu. Manchmal hört man davon, dass jemand zum Islam übertritt; meistens passiert das nach Drohungen oder sogar nach einer Entführung, unter Zwang, vor allem bei jungen Frauen läuft das so. Doch von diesen Fällen abgesehen bleiben die Christen der Kirche treu und suchen weiter nach einem Weg, um dieses Gesetz zu bekämpfen.“

Die pakistanischen Blasphemiegesetze in ihrer aktuellen Form sehen die Todesstrafe bzw. lebenslange Haftstrafe für jede Lästerung (Beleidigung) des Islams, des Korans oder des Propheten Mohammed vor. Sie finden unverhältnismäßig häufig Anwendung gegen Nichtmuslime. Auch wenn bislang noch keine offizielle Hinrichtung vollzogen wurde, so mussten dennoch mehrere Beklagte durch Lynchjustiz ihr Leben lassen – mitunter trotz Freispruchs. Auf dem aktuellen Weltverfolgungsindex von Open Doors rangiert Pakistan auf Platz 8 der Länder, in denen Christen am härtesten verfolgt werden.

(rv/open doors 02.06.2014 sk)








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